KI: Die Superkraft, die Jobs für Frauen schafft
21. April 2025
Larissa Zeichhardt beschäftigt in ihrer Baufirma einen Roboterhund. Der Vierbeiner ist mit mehreren unterschiedlichen Kameras und Sensoren bestückt und dokumentiert die Arbeiten des Familienunternehmens LAT aus Berlin, eines Spezialisten für das Verlegen von Starkstromkabeln an Gleisanlagen.
Nach einer vollen Schicht auf der Baustelle setze man sich nicht gerne noch an den Schreibtisch um aufzuschreiben, was gemacht wurde, weiß Zeichhardt. Doch ohne diese Dokumentation wüsste die nächste Schicht nicht, wo genau die Kabel liegen.
Der Roboter nimmt den Monteuren nun diese Aufgabe ab. Er läuft im Gleisbett, zeichnet die Stellen auf und überträgt die Daten direkt in ein virtuelles 3D-Modell des Bauwerks (BIM), damit alle Kollegen darauf zugreifen können. Die automatische Datenerfassung verhindert auch eine Beschädigung der Leitungen und damit verbundene Stromausfälle und teure Reparaturen: Wenn man ihre genaue Lage nicht kennt, können sie bei weiteren Arbeiten zerstört werden.
Die "Schwesternwirtschaft"
Zeichhardt und ihre Schwester Arabelle Laternser übernahmen vor zehn Jahren nach dem plötzlichen Tod des Vaters den mittelständischen Familienbetrieb und führten LAT gemeinsam ins digitale Zeitalter. Dies geschah teils aus Spaß an der Technik, teils aus purer Not.
Die Elektroingenieurin Zeichhardt war schwanger, als der Vater starb, und ihre Schwester brachte ihr ständig neue Unterlagen zur Unterschrift nach Hause. Irgendwann wollten die Geschäftsführerinnen keine Aktenordner mehr schleppen. Sie digitalisierten die ganze Verwaltung, um von überall arbeiten zu können.
Auch die Mitarbeitenden draußen am Gleis nutzen digitale Tools. Die komplette Dokumentation, das Werkzeug-Management und die Dokumente zur Arbeitssicherheit sind in einer Baustellen-App zusammengefasst. "Unsere Arbeitszeiten sind hart", sagt Zeichhardt im Gespräch mit OECD Berlin. Es müsse oft nachts, an Wochenenden oder Feiertagen gearbeitet werden. Deshalb versucht sie, die Leute vom Bürokram zu entlasten.
Wenig weibliche Beschäftigte
Die Baubranche hat einen eher negativen Ruf: dreckig, laut, männerdominiert und technologisch konservativ. Das Müllaufkommen und der CO2-Ausstoss: zum Haareraufen. Ewige Baustellen wie der Berliner Flughafen, der Stuttgarter Hauptbahnhof, die Bonner Beethovenhalle: Milliardengräber und Inbegriff von Chaos.
Eine noch größeres Problem der Branche ist allerdings der Fachkräftemangel. Ein Viertel der Facharbeiter geht laut Hauptverband der deutschen Bauindustrie (HDB) in den kommenden zehn Jahren in Rente. Jüngere, erst recht Frauen, kommen jedoch nicht nach.
Die Baubranche hat laut HDB die wenigsten weiblichen Beschäftigten in Deutschland: 14 Prozent. Mehrere Jahre hervorragender Baukonjunktur mit guten Verdienstmöglichkeiten haben in dieser Hinsicht nicht viel bewirkt. In den Berufen, die Mauern hochziehen, Straßen asphaltieren und Kanäle graben, arbeiten sogar nur zwei Prozent Frauen. Der Anteil ist seit den 2000-er Jahren kaum gewachsen. Bei der Planung und Überwachung der Projekte sind es immerhin 28 Prozent.
Schwierige Work-Life-Balance
Von Baustelle zu Baustelle zu ziehen, lässt sich nur schwer mit einem Familienleben vereinbaren. Beschäftigte fordern flexiblere Arbeitszeiten, Unterstützung bei der Kinderbetreuung und mobiles Arbeiten. Ein Netzwerk (WIR.KÖNNEN.BAU) will mehr Frauen für diese Berufe begeistern.
LAT jedoch bekomme viele tolle Bewerbungen von Frauen und jungen Leuten, "obwohl wir als kleine Firma mit rund 130 Mitarbeitern nicht viel in Recruiting investieren können", so Zeichhardt. Sie führt das auf das moderne Image des Unternehmens zurück, auf Auszeichnungen für Familienfreundlichkeit und die Zusammenarbeit mit Startups.
Gutes Arbeitsklima
Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) eröffnen gerade Frauen neue Aufgabenfelder auf dem Bau, betont Bianca Weber-Lewerenz. Sie hat ein Buch zum Thema geschrieben (Diversität im Bauwesen - Die Gamechanger) und dabei Beispiele für weibliche Karrieren, Digitalisierung und New Work gesammelt. Weber-Lewerenz war 1997 die erste Maurerin Baden-Württembergs. Das Berufsverbot fürs weibliche Geschlecht im westdeutschen Bauhauptgewerbe war damals erst kurz zuvor, im Jahr 1994, gefallen.
Den Maurerberuf von der Pike auf gelernt zu haben, hilft der promovierten Bauingenieurin, wenn sie nun ganze Belegschaften davon überzeugen will, dass Bau, Frau und KI hervorragend zusammenpassen: "Uns hat der Maurerkran damals auch von schweren körperlichen Arbeiten entlastet. Genauso funktioniert die KI."
Das sehe man auch am Beispiel der Bild- und Objekterkennung: "Wenn ich Rohre verlegt habe, mache ich ein Bild und schicke es an die Abrechnungsabteilung. Sie kann sofort die Rechnung stellen, weil die KI via Bilderkennung den fertigen Abschnitt definiert." Solche Aufgaben sowie Aufmaße, Planung und Design ließen sich gut im Home Office erledigen. "Klar, eine Architektin oder Bauingenieurin muss auch vor Ort sein. Die Frage ist nur, wie oft und wie lange".
Allein unter Männern zu sein, hat sie übrigens nie gestört. Mit ihrem damaligen Vorgesetzten ist sie heute noch befreundet. "Für die Männer war es irre, die erste 'Maurerazubine' (scherzhafte Abkürzung für weibliche Auszubildende) auf einer Baustelle zu sehen. Sie trauten mir peu à peu die körperlich schweren Arbeiten zu. Männer haben Respekt vor Frauen, die es draußen bei Wind und Wetter aushalten, die einen Plan haben."
Heute erfordert das Bauen dank der vielen Hilfsmittel weniger Muskelkraft, erzählt die promovierte Bauingenieurin. Sie ist als Mitglied der "Spitzenfrauen Baden-Württemberg" Mentorin für Schülerinnen und Studentinnen mit Interesse für Karrieren in der Baubranche. Immer mehr Sensorik und KI werde auch die Gefahren reduzieren, indem sie beispielsweise in heiklen Situationen Alarm schlagen.
KI sinnvoll nutzen
Große Hoffnungen liegen auch auf BIM (Building Information Modelling). Auf diese digitale Plattform eines Bauwerks haben die Vertreter aller Gewerke Zugriff. Dadurch weiß man, wer wann was gemacht hat, wie es um den Zeit- und Kostenplan steht. "Das vereinfacht die Absprachen und verhindert viel Chaos und Krawall", weiß Weber-Lewerenz, die mehrere Bauprojekte geleitet hat.
"Mir geht es darum, welche Tools in einem Unternehmen Sinn machen, um schwere und monotone Arbeit an die Maschine abzugeben, effizienter zu bauen, Materialverschwendung zu verhindern, die Daten zu schützen und die wichtigen Werte unserer Branche Wertschätzung, Zuverlässigkeit und Qualität zu bestärken", betont die KI-Beraterin.
2020 hat sie die Exzellenzinitiative für nachhaltige menschengeführte KI im Bauwesen gegründet. Sie war damit eine Pionierin, die Ethik, KI und Bau zusammengedacht hat. Dieser Initiative haben sich inzwischen der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB), der Verband für Wertemanagement EMB und mehrere Hochschulen angeschlossen.