KI sagt Risiko für Brustkrebs fünf Jahre präzise voraus
2. Dezember 2025
Jährlich werden weltweit rund 2,3 Millionen neue Fälle von Brustkrebs diagnostiziert, etwa 670.000 Frauen sterben daran. "Brustkrebs ist die häufigste Krebstodesursache von Frauen - trotz Mammographie-Screening", sagt Christiane Kuhl. Sie ist Direktorin der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum RWTH Aachen.
"Die Erklärung dafür ist, dass wir mit der Mammographie zu viele Brustkrebs-Erkrankungen nicht beziehungsweise nicht früh genug erkennen." Vor allem schnell wachsende, aggressive Tumoren seien in der Mammographie zu oft nicht sichtbar", so Kuhl. "Das sind genau die Tumoren, an denen Frauen sterben können."
Ein neuer Algorithmus verspricht nun eine Neuorientierung der Brustkrebsfrüherkennung: Ein KI-Modell kann allein durch Analyse mammographischer Bilddaten das persönliche Risiko, innerhalb der nächsten fünf Jahre an Brustkrebs zu erkranken, sehr präzise einstufen.
Frauen, denen der Algorithmus ein hohes Erkrankungsrisiko bescheinigte, entwickelten in einer Studie deutlich häufiger Brustkrebs als Frauen, denen die KI ein "normales Risiko" attestierte. "Konkret entwickelten diesen Frauen in der Folge tatsächlich viermal so häufig Brustkrebs wie die, deren KI-Score niedrig war", so Erstautorin Christiane Kuhl vom Universitätsklinikum RWTH Aachen.
"Mit der jetzt entwickelten KI können wir mit einer sehr hohen Präzision voraussagen, dass eine betreffende Frau in den nächsten fünf Jahren einen Brustkrebs entwickeln wird - und zwar durch Analyse ihrer Mammographien, die noch unauffällig sind und keinen Brustkrebs zeigen", so Kuhl.
Brustkrebs-Erkrankungsrisiko wird bislang nicht systematisch bestimmt
Bislang wird Frauen ab dem 50. bis zum 75. Lebensjahr alle zwei Jahre ein Brustkrebs-Screening mittels Mammographie angeboten. Aber das persönliche Erkrankungsrisiko - und damit der individuelle Bedarf an leistungsfähiger Früherkennung - unterscheidet sich von Frau zu Frau erheblich.
Das gilt auch für die Treffsicherheit der Mammographie: Je dichter das Brustdrüsengewebe, desto weniger gut ist die Mammographie in der Lage, Brustkrebs zu identifizieren. Dies sei vielen Frauen aber nicht bekannt, so Kuhl von der RWTH Aachen. In den USA beispielsweise müssen Frauen schon seit Jahren über ihre Drüsengewebsdichte und die damit verbundenen Risiken informiert werden.
MRT ist viel zuverlässiger als Mammographie oder Ultraschall
Es wird daher bereits seit einigen Jahren empfohlen, Frauen mit extrem hoher Brustgewebsdichte eine Magnetresonanztomographie (MRT) zur Früherkennung anzubieten, weil eine MRT Brustkrebs zuverlässig früh erkennen hilft.
Eine MRT ist ein bildgebendes Verfahren, bei dem mit starken Magnetfeldern und Radiowellen, aber ohne Röntgenstrahlung, sehr detaillierte Schnittbilder des Körperinneren erzeugt werden. Eine MRT ist um ein Mehrfaches teurer als die weniger zuverlässige Mammographie oder der Ultraschall.
"Trotzdem kann man mit der MRT-Früherkennung am Ende sogar Geld sparen", gibt Christiane Kuhl zu bedenken. "Eine erfolgreiche Früherkennung bedeutet ja, dass Kosten für aufwendige Behandlungen wie beispielsweise Chemotherapien, nicht ausgegeben werden müssen."
Ein gezielter Einsatz der MRT genau für die Frauen, deren Brustkrebs mit der Mammographie nicht früh diagnostiziert werden kann, würde Frauen vor einer späten Brustkrebsdiagnose schützen. "Das würde im Vergleich zum reinen Mammographie-Screening sogar Kosten senken, dies wurde schon durch mehrere Studien bestätigt", erklärt Kuhl.
Um jene Frauen zu identifizieren, die eine MRT zur Früherkennung benötigen, hat das Clairity Konsortium - ein internationaler Zusammenschluss von 46 Forschungseinrichtungen in den USA, Kanada, Südamerika und Deutschland - das KI-System "Clairity Breast" entwickelt.
Mehr als Brustdichte: KI bringt Präzision in die Früherkennung
Damit das KI-Modell das Brustkrebsrisiko ermitteln kann, wurde der Algorithmus an Hunderttausenden Screening-Mammographien aus Nord- und Südamerika sowie Europa trainiert.
Anders als klassische Risikomodelle benötigt der Algorithmus keine Angaben zu Familienanamnese, Genetik oder Lebensstil. Er errechnet ausschließlich aus der Mammographie die Wahrscheinlichkeit für Brustkrebs und ordnet Frauen anhand definierter Schwellenwerte in Risikokategorien ein.
Die KI erkennt dabei nicht nur die Menge des Drüsengewebes, sondern auch dessen Textur, also wie das Gewebe angeordnet ist - ein weiterer Parameter für das Brustkrebsrisiko.
"Nur etwa zehn Prozent der Frauen hat solch extrem dichtes Drüsengewebe. Der überwiegende Teil der Frauen, der an Brustkrebs erkrankt und eine zu späte Brustkrebs-Diagnose erhält, hat weniger dichtes Gewebe", so Kuhl. Der entscheidende Fortschritt aus ihrer Sicht: "Die KI kann innerhalb Sekunden entscheiden, ob die jeweilige Frau eine MRT zur Früherkennung benötigt oder nicht."
Krebsvorsorge früher beginnen - aber für wen?
Das Brustkrebsscreening startet in den meisten Ländern ab 50 Jahren, weil das Risiko für Brustkrebs mit dem Alter deutlich ansteigt und der Nutzen eines flächendeckenden Screenings ab diesem Alter wissenschaftlich belegbar ist. Jüngere Frauen erkranken zwar weniger häufig als ältere, entwickeln aber im Erkrankungsfall häufiger aggressive Tumoren. "Tatsächlich würden jüngere Frauen von der Früherkennung profitieren - sofern sie denn funktioniert", so Kuhl.
Denn gerade bei jüngeren Frauen sei die Mammographie problematisch: "Junge Frauen haben häufiger dichtes Drüsengewebe - und da ist die mammographische Früherkennung eben besonders erschwert." In Deutschland zum Beispiel wird das Screening demnächst auf ein Alter von 45 Jahren vorgezogen.
Zielgerichtete Risikoermittlung statt Einheitsvorsorge
Christiane Kuhl hält das "One-size-fits-all"-Prinzip, welches das aktuelle Mammographie-Programm verfolgt, für überholt. Sie plädiert für eine individualisierte Brustkrebsvorsorge. Konkret schlägt sie ein zweistufiges Vorgehen vor: "Zunächst die Mammographie zur Früherkennung; dann sollte eine KI-Analyse erfolgen, um das Erkrankungsrisiko für die nächsten fünf Jahre zu ermitteln."
Wenn der Algorithmus ein besonders hohes Risiko anzeigt, müsse eine MRT angeboten werden. "Eine Mammographie ist bei diesen Frauen dann nicht erforderlich."