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KI: Platzt nach Nvidias Kurssturz die Blase?

4. September 2024

In Künstliche Intelligenz werden Unsummen investiert. Ist es ein riesiger Sprung nach vorn oder ein Milliardengrab? Inzwischen gibt es die Sorge, es könnte eine Blase sein. Der Kurssturz von Nvidia beunruhigt die Börsen.

Eine 3-D-Illustration eines Gehirnes. Symbol für Künstliche Intelligenz wie Large Language Modelle der Generativen KI.
Vorbild für Künstliche Intelligenz ist das menschliche Gehirn. Bild: Alexander Limbach/Zoonar/picture alliance

Die Zeichen mehren sich. Um 279 Milliarden Dollar brach der Börsenwert des KI-Chipherstellers Nvidia am Dienstag ein. So viel hat noch nie ein US-Unternehmen an einem Tag an Marktwert verloren. Nvidia ist eines der Unternehmen, die am meisten vom Hype um Künstliche Intelligenz (KI) profitiert haben. Chips des Unternehmens haben sich als führende Hardware für das Anlernen von Software mit Künstlicher Intelligenz in Rechenzentren etabliert.. So hatte sich seit Anfang 2023 der Börsenwert vervielfacht und Anfang Juni die Marke von drei Billionen Dollar geknackt. 

"In den letzten zwölf Monaten ist so viel Geld in Technologie- und Halbleiterwerte geflossen, dass der Handel völlig verzerrt ist", sagte Todd Sohn, ETF-Stratege bei Strategas Securities. Experten des Fondsanbieters BlackRock schrieben am Dienstag in einer Mitteilung an Kunden, in einigen neueren Studien werde bezweifelt, dass die Einnahmen aus KI allein die Investitionswelle in die Technologie rechtfertigen würden.

Und die Welle ist riesig. Laut der Investmentbank Goldman Sachswird bis 2025 ein Investitionsvolumen von knapp einer Milliarde US-Dollar erwartet, wovon rund die Hälfte auf die USA entfällt. In den kommenden Jahren würde mehr als eine Billion Dollar investiert werden, mutmaßen die Experten. Dabei fließt das Geld in viele Richtungen - in die Gewinnung von Silizium, in die Produktion von Chips, bis hin zu Stromversorgern, die große Rechenzentren mit Strom versorgen.

KI - Chance oder Gefahr?

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Ob sich diese Investitionen überhaupt lohnen, ist bislang unklar. Der Erfolg hängt davon ab, inwieweit KI künftig dazu beiträgt, die Produktivität zu erhöhen.

Zuletzt mehrten sich Stimmen, dass es bei dem ganzen KI-Hype um eine Blase handeln könne. Und Blasen haben die unangenehme Eigenschaft, dass sie zuweilen platzen.

KI-Wettrennen der großen Tech-Konzerne geht weiter

Trotzdem scheint bei den großen Tech-Unternehmen ein Rückzug aus dem KI-Wettrennen, bislang keine Option zu sein. "Das Risiko, zu wenig in die KI-Infrastruktur zu investieren, ist dramatisch größer als zu viel zu investieren", sagte Sundar Pichai, der Chef der Google-Mutter Alphabet, bei der Präsentation der letzten Geschäftszahlen.

Und auch beim Facebook-Konzern Meta wird weiterhin viel Geld für KI ausgegeben. Für dieses Jahr rechnet Meta mit KI-Ausgaben bis zu 40 Milliarden Dollar - und bereitet die Anleger darauf vor, dass diese 2025 noch "erheblich" wachsen werden, heißt es bei der Nachrichtenagentur dpa.

KI ist mehr als ChatGPT

"Das Thema KI ist schon knapp 70 Jahre alt", sagt Christian Temath von KI NRW, eine Initiative, die Wissenschaft und Wirtschaft im Bundesland Nordrhein Westfalen besser vernetzen will. "Es ist eine Technologie, die in den letzten Jahren, also schon deutlich vor der Veröffentlichung von ChatGPT, praktische Anwendungen in den Unternehmen gefunden hat", so Temath zur DW.

Wenn von KI gesprochen wird, ist also nicht ausschließlich Generative KI gemeint. Damit sind Modelle der künstlichen Intelligenz gemeint, die neue Inhalte in Form von geschriebenem Text, Audio, Bildern oder Videos erzeugen können. Dazu gehört beispielsweise das Large Language Modell (LLM) ChatGPT, das seit seiner Veröffentlichung im November 2022 den Hype um KI befeuert.

Ist KI in der Wirtschaft angekommen?

Gegenwärtig nutzen 27 Prozent der Unternehmen in Deutschland KI, sagt Klaus Wohlrabe vom Ifo-Institut gegenüber DW. Im Vorjahr waren es noch gut 13 Prozent. Gut 17 Prozent der Unternehmen planen KI in den kommenden Monaten einzusetzen.

Beim Unternehmen Foodforecast aus Köln wird KI beispielsweise eingesetzt, um Verkaufsdaten, Wetter- und anderen Daten zu analysieren und zu prognostizieren, wieviel Backwaren künftig verkauft werden. Dadurch würden etwa 30 Prozent weniger Backwaren weggeworfen und elf Prozent mehr verkauft, heißt es bei Foodforecast.

Auch das Bonner Unternehmen Recogizer wertet mit KI unter anderem Betriebs- und Verbrauchsdaten von Gebäuden und Wetterdaten aus, um den Energieverbrauch zu optimieren. Das Bielefelder Unternehmen c-trace bietet eine KI-Lösung an, um im Müll Teile zu identifizieren. Dadurch kann das Recycling verbessert werden.

Generative KI in den Unternehmen

Wie aber sieht es mit der Nutzung von Generativer KI aus, die den derzeitigen Investitionswettlauf ausgelöst haben?

Umfragen zeigen, dass Generative KI bereits in den Unternehmen Einzug gehalten hat. Ob dieser Nutzen aber daraus besteht, dass sich Mitarbeiter einen Text per KI übersetzen oder einen Bericht von ChatGPT zusammenfassen lassen oder ob Generative KI tatsächlich in Unternehmensprozesse eingebunden ist, dazu gibt es keine Daten. "Inwieweit Unternehmensprozesse durch Generative KI grundlegend verändert werden, das zeigen unsere Umfragen nicht", sagt auch ifo-Experte Wohlrabe. "Ich glaube, das nimmt jetzt erst Fahrt auf".

Einige Anwendungen, bei denen Generative KI eingebunden ist, gebe es aber bereits, erklärt Temath. Beispielsweise in Firmen, in denen programmiert wird oder im Kundenservice. So nutze das Düsseldorfer Unternehmen Cognigy die Fähigkeit von Generativer KI, Sprache zu Text zu verarbeiten und Antworten entsprechend zu generieren und verbindet das mit Systemen von Fluggesellschaften. Damit können Kundenanfragen abgewickelt werden - vor allem in Zeiten mit stark erhöhten Anfragen.

Hype-Cycle Modell von Gartner

Um die Entwicklung von bahnbrechenden Technologien wie Generativer KI zu beschreiben, wird häufig der Hype-Zyklus von Gartner zitiert. Nach ihm gibt es fünf Phasen im Lebenszyklus einer Technologie. Zuerst wird ein potentieller technologischer Durchbruch bekannt und in der Presse gefeiert, obwohl es noch keine brauchbaren Produkte gibt. Überzogene Erwartungen an die Technologie führen zu einem Hype.

Weil erste Produkte nicht so erfolgreich sind, wie erwartet, kommt es dann zu einem Absturz ins Tal der Tränen. In der Folgezeit kristallisieren sich neue Anwendungen heraus, die sich am Markt durchsetzen können und erfolgreich sind. Die Entwicklung stabilisiert sich auf dem Plateau der Produktivität, wenn Mainstream-Anwendungen laufen.

Übertragen auf Generative KI hat die Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022 den Hype ausgelöst. Und es scheint klar, dass wir noch nicht auf dem Plateau der Produktivität angekommen sind. Wie lange und mit welchem Erfolg, weiß niemand. Zumal nicht alle gehypten Technologien aus dem Tal der Tränen wieder herauskommen. 

Das Geschäft des kalifornischen Chip-Anbieters Nvidia läuft durch den KI Hype glänzend. Seine Hochleistungs-Chips werden gebraucht, damit Tech-Firmen wie Microsoft, Google oder Amazon in ihren Datacentern die sehr rechenintensiven KI-Anwendungen laufen lassen können.Bild: picture alliance/CFOTO

Killer-Applikationen lassen auf sich warten

Zieht man Experten der Rating Agentur Standard & Poor'szu Rate, heißt es, "dass der Weg zur Monetarisierung und Reife von KI länger sein wird als bisher erwartet". Aber es gebe schon Konzerne, die von den KI-Ausgaben von Unternehmen profitieren. Der mit Abstand größte Nutznießer sei Microsoft. Die Zahl der Microsoft 365 Copilot-Kunden sei im Vergleich zum Vorquartal um mehr als 60 Prozent gestiegen und die Zahl der täglich aktiven Nutzer habe sich verdoppelt, so die Experten.

Temath ist der Ansicht, die ganz konkreten praktischen Anwendungen, die zu mehr Effizienzen in Unternehmen führen und für Produktivität in großen Skalenbereichen sorgen könnten, seien noch nicht da. "Ich glaube nicht, dass jede Milliarde, die aktuell in den USA eine große Rechenkapazität in großen Modelle gesteckt wird, eins zu eins wieder reingeholt werden kann", mutmaßt er.

"Nach dem Hype des letzten Jahres warten die Führungskräfte ungeduldig darauf, dass sich die Investitionen in Generative KI auszahlen, noch tun sich die Unternehmen schwer damit, den Mehrwert nachzuweisen und zu realisieren", glaubt Rita Sallam, Analystin bei Gartner, einem US-amerikanisches Marktforschungsunternehmen im Bereich IT. Gartner prognostiziert, dass bis Ende 2025 30 Prozent der generativen KI-Projekte nach Machbarkeitsstudien abgebrochen werden.

Microsoft schloss einen teuren Pakt mit dem ChatGPT-Erfinder OpenAI und integriert dessen Technologie in alle seine Produkte. Der Zugang zu KI-Funktionen wird dabei im Abo-Modell verkauft. Zudem baut Microsoft teure neue Rechenzentren. Bild: Andrej Sokolow/dpa/picture alliance

KI ist gekommen, um zu bleiben

Die Analystin von Goldman Sachs, Sung Cho, meint, "Es könnte in näherer Zukunft eine Pause geben beim Investition in KI". Noch müssten die Killer-Anwendungen, die die riesigen Investitionen rechtfertigen, erst erfunden werden. "Wir müssen im nächsten Jahr oder in den nächsten eineinhalb Jahren Anwendungen sehen, die über Codierung und Chatbots für den Kundendienst hinausgeht," sagt Brook Dane von Goldman Sachs. "Wenn es am Ende nur um Codierung und Kundenservice geht, geben wir dafür viel zu viel aus." Aber Dane und Cho sind überzeugt, dass KI mittel- und langfristig zu den größten Trends gehört, die es je gab"

Daron Acemoglu, Professor am MITschätzt, dass in den nächsten zehn Jahren nur ein Viertel der von KI betroffenen Aufgaben kosteneffizient automatisiert werden kann, was bedeutet, dass KI weniger als fünf Prozent aller Aufgaben beeinflussen wird. Die Fortschritte bei den KI-Modellen werden seiner Meinung nach wahrscheinlich nicht annähernd so schnell eintreten oder nicht annähernd so beeindruckend sein wie viele glauben. Daher prognostiziert er, dass die KI die Produktivität in den USA in den nächsten zehn Jahren nur um 0,5 Prozent und das BIP-Wachstum insgesamt nur um 0,9 Prozent steigern wird.

Wie auch immer die Erwartungen an die KI-Entwicklung sind, in einem sind sich alle von der DW gefragten Experten einig: KI ist gekommen, um zu bleiben.

Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion
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