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Wie riskant ist die KI-Dominanz von Microsoft und Nvidia?

Nik Martin
19. Juni 2024

Die beiden Tech-Giganten beherrschen das Rennen um Künstliche Intelligenz. US-Kartellbehörden nehmen sie jetzt unter die Lupe. Helfen strengere Regeln dem Wettbewerb oder schaden sie der gesamten Branche?

Bildkombo aus Logos der Unternehmen Nvidia und Microsoft auf Gebäuden
US-Wettbewerbshüter wollen bei Nvidia und Microsoft nun genauer hinschauenBild: VCG/MAXPPP/- und Matthias Balkdpa/picture alliance,

Microsoft und Nvidia haben bei Künstlicher Intelligenz (KI) eine Spitzenposition. Die beiden Firmen sind an der Börse zusammen 6,6 Billionen US-Dollar (6,16 Billionen Euro) wert bilden mit Apple die Spitze der wertvollsten Unternehmen der Welt.

Microsoft hat sich mit ingesammt 13 Milliarden Dollar an OpenAI beteiligt, der Firma hinter dem KI-Chatbot ChatGPT. Nvidia, eigentlich Spezialist für Grafikkarten, stellt Chips her, die für den Betrieb von High-End-KI-Systemen unerlässlich sind.

In den USA hat ihr Erfolg nun die Wettbewerbshüter auf den Plan gerufen. Anfang des Monats haben sich das US-Justizministerium (Department of Justice - DoJ) und die Federal Trade Commission (FTC) darauf verständigt, die marktbeherrschende Stellung der beiden Unternehmen bei KI zu untersuchen.

Die FTC konzentriert sich dabei auf die engen Beziehungen zwischen Microsoft und OpenAI, dessen Muttergesellschaft eine gemeinnützige Organisation ist. Das Justizministerium untersucht mögliche Wettbewerbsvorteile von Nvidia.

Der Chiphersteller hat bei auf KI spezialisierten Halbleitern einen Marktanteil von rund 80 Prozent. In nur zwei Jahren ist sein Börsenwert von 364 Milliarden auf 3,32 Billionen Dollar gestiegen.

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"Big Tech hat in den letzten rund 15 Jahren zu viel Macht erlangt, und die Regulierungsbehörden haben diesem Aufstieg tatenlos zugesehen", so Simonetta Vezzoso, Juristin und Wirtschaftswissenschaftlerin an der italienischen Universität Trento, gegenüber DW. "Die Aufseher wollen nun vermeiden, dass sich das gleiche Spiel bei KI wiederholt."

Startups sind auf Big Tech angewiesen

Die zahlreichen Startups im Bereich KI benötigen große Mengen an Daten, Speicherplatz und Chipkapazitäten, um ihre Software zu trainieren. Die Regulierungsbehörden vermuten, dass Tech-Giganten wie Microsoft oder Nvidia ihre Macht ausspielen, indem sie Startups zu undurchsichtigen und exklusiven Verträgen zwingen, wenn die ihre Technologie nutzen wollen.

"Die Wettbewerbsbehörden wollen die Innovationen der Startups schützen", sagt Vezzoso. "Diese Deals sind an sehr viele Bedingungen geknüpft, Big Tech könnte so den Wettbewerb behindern."

Jonathan Kanter, Leiter der Abteilung für Kartellrecht im US-Justizministerium, sagte Anfang Juni bei einer KI-Konferenz an der Stanford University, dass "starke Netzwerkeffekte marktbeherrschende Unternehmen in die Lage versetzen könnten, die neuen Märkte zu kontrollieren".

Wahrscheinlich Prüfung der jüngsten Fusionen

Im März übernahm Microsoft das Startup Inflection, den Entwickler einer Personal Assistant App namens PI. Der 650 Millionen Dollar Deal erregte auch deshalb Aufsehen, weil dabei möglicherweise die Offenlegungsvorschriften für Fusionen umgangen werden sollten.

"Microsoft hat Inflection gekauft, ohne es zu kaufen", sagt Pedro Domingos, emeritierter Professor für Informatik an der University of Washington, zur DW. "Sie haben das Unternehmen in seine Einzelteile zerlegt, die meisten Mitarbeiter eingestellt und die Investoren ausgezahlt."

Einige Wettbewerbshüter sind der Meinung, dass Big-Tech-Firmen wegen unzureichender Kontrollen Hunderte von Startups aufgekauft haben, die sonst den Technologiesektor grundlegend hätten verändern können. Die Auswirkung dieser Übernahmen auf die Innovation wird daher ein Schwerpunkt ihrer Untersuchungen sein.

Lina Khan, Chefin der Federal Trade Commission, will Start-ups "eine faire Chance im Wettbewerb" gebenBild: Drew Angerer /Getty Images via AFP

Um die Fehler der Vergangenheit wieder gut zu machen, wollten die Wettbewerbshüter jetzt schneller handeln, sagt Vezzoso von der Universität Trento. Sie selbst spricht sich für "sehr entschlossene Maßnahmen gegen Big Tech" aus.

"Es wäre gut, wenn sie [die Regulierungsbehörden] sehr durchsetzungsfähig wären. Wenn ein großes Tech-Unternehmen ein kleines Startup kaufen will, dann sollte es nachweisen müssen, dass dadurch keine Probleme für den Wettbewerb entstehen", so Vezzoso, die auch als Beraterin für die Menschenrechtsgruppe Article 19 tätig ist.

Was bringt die Zukunft?

Informatiker Domingos hingegen hält es für "komisch", wenn Kartellklagen "nicht wegen tatsächlich eingetretener Schäden" erhoben werden, "sondern wegen Schäden, die in der Zukunft eintreten könnten".

Meta-CEO Mark Zuckerberg habe oft betont, dass Instagram nie so erfolgreich geworden wäre, wenn Facebook es nicht gekauft hätte, sagt Domingos. "Facebook hat Instagram enorm viel Infrastruktur und Expertise gegeben, die das Unternehmen nicht hatte. Das gleiche könnte man in Zukunft auch über Microsoft und Nvidia sagen in Bezug auf Startups, die sie vielleicht noch kaufen", so Domingos.

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Teamarbeit der Wettbewerbshüter

US-Präsident Joe Biden hat versprochen, die Kontrolle von Big Tech zu einer Priorität seiner Regierung zu machen. Und bei der Verfolgung wettbewerbsverzerrender Geschäftspraktiken im Silicon Valley arbeiten FTC und Justizministerium nach Ansicht von Rechtsexperten inzwischen enger zusammen.

"Früher teilten die Behörden die Fälle nach Branchen auf. Aber weil der Markt so groß ist und so wichtig für das Kartellrecht, teilen sie sich jetzt die Verantwortung und arbeiten Hand in Hand", sagte Rebecca Haw Allensworth, Professorin an der Vanderbilt Law School, kürzlich dem Guardian.

Wachsende Abneigung gegen Big Tech

Domingos betont dagegen, dass seit Erscheinen von ChatGPT in den USA fast tausend Gesetze zur Regulierung von KI auf den Weg gebracht worden seien. Seiner Meinung nach sind einige Politiker "den großen Tech-Unternehmen gegenüber sehr feindselig eingestellt und wollen KI als Werkzeug benutzen, um sie anzugreifen".

ChatGPT 5, die neueste Version des Chatbots von OpenAI, wird in diesem Sommer erwartetBild: Mateusz Slodkowski/SOPA Images/Sipa USA/picture alliance

Die verschärfte Aufmerksamkeit hat bereits eine abschreckende Wirkung auf den US-Technologiesektor, wo die Zahl der Übernahmen zurückgegangen ist.

Laut der Analysefirma 451 Research summierten sich Fusionen und Übernahmen im vergangenen Jahr auf nicht einmal 300 Milliarden Dollar - so wenig wie seit Jahren nicht mehr. Im Jahr 2022 lag der Wert aller Übernahmen noch bei fast 800 Milliarden Dollar.

Große Tech-Unternehmen wie Meta, Salesforce, Alphabet, Apple und Amazon haben im vergangenen Jahr nur vier Übernahmen getätigt, gegenüber 18 im Jahr zuvor, wie Daten von Capital IQ Pro zeigen.

"Die großen Tech-Unternehmen haben jetzt Angst vor Übernahmen und das schadet der gesamten Branche", sagt der Informatiker Domingos. "Es ist nun einmal das Schicksal vieler Startups, übernommen zu werden. Davon profitieren alle."

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

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