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PolitikEuropa

Kiew: Geistliche sollen Höhlenkloster räumen

Miodrag Soric
29. März 2023

Die ukrainische Regierung hatte Geistlichen der Ukrainisch Orthodoxen Kirche eine Frist gesetzt: Bis Mitternacht sollten sie das Höhlenkloster verlassen haben. Die Aktion ist umstritten - auch in der Ukraine selbst.

Drei weiße Kirchtürme, goldverziert mit goldenen Zwiebeltürmen
Wahrzeichen Kiews: Die Uspenski-Kathedrale wurde 1941 von deutschen Besatzern gesprengt und von 1998 bis 2000 wieder aufgebautBild: G. Thielmann/imageBROKER/picture alliance

Bis Mitternacht sollten etwa 200 Mönche und 400 Seminaristen der Ukrainisch Orthodoxen Kirche (UOK) das Kiewer Höhlenkloster verlassen haben. Doch die Geistlichen wollen bleiben und werden dabei von zahlreichen Gläubigen unterstützt.

Die Frist bis zum Ablauf des 29. März hatte die ukrainische Regierung gesetzt. Ihr Vorwurf wiegt schwer: Die Geistlichen im Höhlenkloster kollaborierten mit dem russischen Staat, sie seien als Mitglieder der UOK kanonisch ein Teil der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK).

Russlands Präsident Wladimir Putin und Moskaus Patriarch Kyrill I. gelten als enge VerbündeteBild: Vasily Maximov/AP Photo/picture alliance

Richtig ist: Patriarch Kyrill, das Oberhaupt der ROK, unterstützt Präsident Wladimir Putin und gibt sich staatsnah. Das russische Staatsoberhaupt zeigt sich oft und gerne mit russisch-orthodoxen Priestern in der Öffentlichkeit, unlängst auch beim Besuch der von Russland besetzten Teile der Ukraine. Geistliche der ROK segnen Waffen jener Armee, die unendliches Leid über die Ukraine gebracht hat und auch Sakralbauten aller Konfessionen in der Ukraine zerstört.

Unvollständige Loslösung vom Moskauer Patriarchen?

Doch die UOK hatte sich nach dem 24.Februar 2022, also dem groß angelegten Überfall Russlands auf die Ukraine, von Patriarch Kyrill distanziert. Sie hat ihre Selbständigkeit bekräftigt und den Zusatz "Moskauer Patriarchat" aus ihrem Namen entfernt.

Im vergangenen Mai hat sie sich in einem neuen Statut als selbständig, allerdings nicht als "autokephal" bezeichnet. Letzteres hätte im orthodoxen Christentum eine vollständige Loslösung von der ROK bedeutet.

Dennoch: Seminaristen an der geistlichen Akademie, die sich im Kiewer Höhlenkloster befindet, veröffentlichten unlängst ein Video, in dem sie ihre Loyalität mit dem ukrainischen Staat bekräftigten. Darin verweisen sie auf ihre Brüder und andere Familienmitglieder, die an der Front gegen die russischen Okkupatoren kämpfen und dort ihr Leben einsetzen. Das Oberhaupt der UOK, Metropolit Onufrij, hat sich mehrfach um ein klärendes Gespräch mit Präsident Wolodymyr Selenskyj bemüht, bislang vergebens.

Das Höhlenkloster gehört zu den ältesten Klöstern der Ukraine. Der Komplex mit heute rund 140 Gebäuden liegt mitten in der ukrainischen Hauptstadt KiewBild: Efrem Lukatsky/AP/dpa/picture alliance

Das Höhlenkloster ist eigentlich eine Art Klosteranlage mit rund 140 Gebäuden. Die meisten Osteuropäer nennen sie "Lawra"- in der christlichen Orthodoxie eine Art Ehrentitel für ein Kloster. Unbestritten ist das im 11. Jahrhundert gegründete Höhlenkloster das bedeutendste orthodoxe Heiligtum in der Ukraine.

Vor Russlands Überfall auf die Ukraine haben jährlich Hunderttausende Gläubige die "Lawra" besucht. Die meisten Ukrainer bekennen sich, wie Russen, Serben, Griechen, Rumänen, Georgier oder Bulgaren, zum christlich-orthodoxen Glauben, wenngleich es unterschiedliche, teils miteinander konkurrierende Kirchen gibt.

Kündigungsgrund: Vertragsverletzung oder Spionage?

Eigentümer des Klosterkomplexes ist, wie zu sowjetischen Zeiten, der Staat. Und die ukrainische Regierung bestimmt, wer das Kloster nutzen darf. Kulturminister Olexander Tkatschenko hat den Mietvertrag mit der UOK gekündigt. Dagegen klagt die UOK. Der Kulturminister wendet ein, dass die Geistlichen neue Gebäude im Kloster errichtet oder bestehende renoviert haben, was den Tatsachen entspricht. Allerdings ist Tkatschenko der Auffassung, dass sie damit gegen den Nutzungsvertrag verstoßen hätten.

Die orthodoxe Kirche in Bohorodytschne in der Oblast Donezk wurde vom russischen Militär schwer beschädigt.Bild: Evgeniy Maloletka/AP/picture alliance

In Wirklichkeit wiegt der Verdacht schwerer, Mitglieder der UOK würden heimlich für die "andere Seite", also für Russland, arbeiten. Im letzten Herbst haben Sicherheitsdienste das Höhlenkloster mehrfach nach verdächtigem Material durchsucht. Präsident Selenskyj strebt die "spirituelle Unabhängigkeit" der Ukraine an, ließ er im letzten Dezember verkünden: Niemand dürfe ein "Imperium in der ukrainischen Seele" errichten.

Übernimmt eine andere Glaubensgemeinschaft das Kloster?

Viele Experten glauben, dass nichts der Reputation der UOK so sehr schadet wie die lautstarke Unterstützung durch den Moskauer Patriarchen Kyrill oder russische Regierungsmitglieder. Inzwischen hat das Oberhaupt der Georgisch-Orthodoxen Kirche, Ilija II., gegen den drohenden Rausschmiss der Geistlichen aus dem Höhlenkloster protestiert. Der serbisch-orthodoxe Patriarch Porfirije nannte das Vorgehen Kiews gegen die Mönche "staatlichen Terror".

Metropotil Epifaij ist das Oberhaupt der Orthodoxen Kirche der Ukraine, einer Art Gegenkirche zur Ukrainisch Orthodoxen KircheBild: Vladyslav Musiienko/REUTERS

Die ukrainische Regierung indes verweist darauf, dass die Gottesdienste im Kloster fortgesetzt würden, nachdem die Geistlichen der UOK die "Lawra" verlassen haben würden. Statt ihrer würden Ordensleute der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) in die "Lawra" einziehen. Patriarch Bartholomäus I. von Konstantinopel (Istanbul) hat der Glaubensgemeinschaft im Dezember 2018 die "Autokephalie" verliehen und damit - gegen den Widerstand Moskaus - kanonisiert, also offiziellen Status verliehen.

Ob die Proteste der Gläubigen oder anderer orthodoxer Kirchen dazu führen, dass die Geistlichen der UOK im Höhlenkloster bleiben dürfen, wird sich in den kommenden Stunden und Tagen zeigen. Es gibt unzählige Beispiele in der Ukraine, in denen Vertreter der OKU bereits Kirchen und andere Gebäude der UOK übernommen haben, oft mit der Unterstützung staatlicher Stellen. Allerdings haben Vertreter der ukrainischen Regierung versichert, dass es keine gewaltsame Räumung der Klosteranlage geben werde.

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