Streit um das Gold der Skythen
5. Oktober 2016"Die Ausstellung bietet einen neuen Blick auf die Skythen, Goten und Hunnen, die jahrhundertelang als Barbaren galten", hieß es am 7. Februar 2014 bei der Eröffnung der Ausstellung "Krim - Gold und Geheimnisse vom Schwarzen Meer" im Allard-Pierson-Museum in Amsterdam. Für die Ausstellung stellte die Ukraine nach eigenen Angaben 584 Exponate zur Verfügung, darunter Goldschmuck der Skythen, deren Wert auf mehrere Millionen Euro geschätzt wird.
Fünf Museen gehören die Exponate, von denen 19 nach Beendigung der Ausstellung dem Museum für historische Kostbarkeiten des Kiewer Höhlenklosters zurückgegeben wurden. Über die übrigen Exponate ist ein Streit entbrannt. Sie sind Leihgaben von vier Museen auf der völkerrechtlich zur Ukraine gehörenden Schwarzmeer-Halbinsel Krim, die von Russland im März 2014, also kurz nach der Eröffnung der Ausstellung in Amsterdam, annektiert wurde. Es handelt sich um Museen in den Städten Kertsch, Bachtschisaraj, Sewastopol und Simferopol. An sie solle das "skythische Gold" zurückgegeben werden, verlangt die Russische Föderation. Die Ukraine hingegen fordert, die Kulturschätze von Amsterdam nach Kiew zu bringen.
Museum will Klärung vor Gericht
Um den Streit beizulegen, zog das Allard-Pierson-Museum Wissenschaftler und Anwälte hinzu. In einer Erklärung vor der Schließung der Ausstellung teilte es mit, die Situation sei "einzigartig" und man könne weder Kiew noch Simferopol entgegenkommen. Man wolle einen Richterspruch oder eine Einigung der streitenden Parteien abwarten.
Streitigkeiten um Kunstschätze zwischen Regierungen und Museen sind keine Seltenheit. Einer der bekanntesten Fälle ist der Streit um die "Elgin Marbles", jene Marmorskulpturen und -fragmente, die Lord Elgin Anfang des 19. Jahrhunderts von Bauten der Akropolis von Athen entnehmen ließ und später an das British Museum in London verkaufte. Sie umfassen Teile des Frieses sowie Stücke des Ost- und Westgiebels des Parthenon. Wiederholt forderte Griechenland Großbritannien zu deren Rückgabe auf, doch London besteht darauf, im rechtmäßigen Besitz der Elgin Marbles zu sein. "Solche Streitigkeiten werden meist nicht vor Gericht geklärt. Meist wird eine Rückgabe durch Verhandlungen zwischen Museen oder durch Konsens erreicht", sagte der britische Museums-Experte und Dozent der Universität Manchester, Kostas Arvanitis, der Deutschen Welle. Ihm zufolge werden im Streit um Kunstschätze verschiedene Argumente angeführt, darunter juristische, historische und ethische. Oft würden Museen dabei nur als politisches Instrument in den Händen der Regierungen fungieren. Eine Rückgabe von Kunstschätzen werde oft mit anderen innen- und außenpolitischen Zielen verknüpft, so Arvanitis.
Keine rechtliche Regelung vorgesehen
Der Streit um das skythische Gold wird jedoch durch eine juristische Kollision erschwert. Das internationale Recht bietet keine konkreten Rezepte für einen solchen Fall an. So beschreiben die 1970 und 1995 verabschiedeten Konventionen zum Schutz von Kulturschätzen lediglich das Verfahren, wie geraubte oder während eines Krieges mitgenommene Museumexponate zurückgegeben werden sollen. Arvanitis zufolge gibt es auch keine gängige Praxis, wonach einem Museum oder einem Staat als Besitzer Vorrang eingeräumt wird. Es werde immer von Fall zu Fall entschieden.
Formal sind aus Kiews Sicht die Museen auf der Krim und deren Exponate nach wie vor Eigentum der Ukraine. Da die Niederlande die Annexion der Krim durch Russland nicht anerkennen, müssten sie eigentlich diese Ansicht teilen. Doch seitens des Allard-Pierson-Museums in Amsterdam heißt es in diesem Zusammenhang: "Die Rückgabe der Exponate an eine der streitenden Parteien wird sofort zu einer Beschwerde der anderen führen." Dies bestätigte der ukrainische Kulturminister Jewhen Nyschtschuk, der erklärte, im Falle einer Entscheidung zugunsten der Krim werde Kiew sofort dagegen klagen. Sein russischer Amtskollege Wladimir Medinskiy hatte zuvor erklärt, Moskau mische sich in den Streit nicht ein, da dies "ein Prozess zwischen den Museen auf der Krim und der anderen Seite" sei. Doch ein Urteil zu Gunsten der Ukraine wäre, so Medinskij, ein "schrecklicher Präzedenzfall".