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Kiew vor schwieriger Wahl

Roman Goncharenko10. Mai 2016

Während die Minsker Vereinbarungen unerfüllt bleiben, gerät vor allem die Ukraine in Zugzwang. Im Vordergrund diplomatischer Bemühungen stehen Wahlen in den Separatistengebieten.

Niemendsland Shyrokyne in der Ostukraine (Foto: DW/F. Warwick)
Bild: DW/F. Warwick

Treffen im sogenannten "Normandie-Format" sind eine der wenigen Konstanten bei den internationalen Bemühungen, den Friedenprozess in der Ostukraine aus der Sackgasse zu führen. Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine kommen am Mittwoch in Berlin zusammen, um erneut über die Lage zu beraten. Es gebe zwei zentrale Themen, teilte das Auswärtige Amt auf DW-Anfrage mit: die Sicherheitslage, sprich die Einhaltung der Waffenruhe, und die "Modalitäten für Lokalwahlen" in der Ostukraine.

Nach ihrem jüngsten Treffen Anfang März in Paris konnte Frank-Walter Steinmeier seine Enttäuschung nicht verbergen. "Ich bin nicht zufrieden mit der Art und Weise, wie Kiew und Moskau die Verhandlungen betreiben", sagte der Bundesaußenminister. Vor allem bei den Beratungen über den politischen Prozess gebe es "keine Fortschritte", so der SPD-Politiker vor zwei Monaten.

OSZE: Lage verschlechtert sich

Mehr als ein Jahr ist vergangen, seit am 12. Februar 2015 in der weißrussischen Hauptstadt Minsk sich die Ukraine und die prorussischen Separatisten aus Donezk und Luhansk auf einen Maßnahmenkatalog aus 13 Punkten geeinigt hatten. Die Erklärung wird Minsk II genannt, denn der erste Waffenstillstand hielt nur wenige Monate.

Die Bilanz heute: keine massiven Kampfhandlungen aber auch keine vollständige Waffenruhe. In den Tagen vor dem Berliner Treffen wurde weniger geschossen und doch beklagte Kiew neue Todesopfer unter seinen Soldaten. An einigen Orten - wie am ehemaligen Donezker Flughafen - wird gekämpft, als wäre Minsk II nur ein wertloses Stück Papier. Die Lage habe sich verschlechtert, konstatierte im April Alexander Hug von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Beide Seiten verstießen gegen Minsk II, so der stellvertretende Leiter der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine.

Die erste Abstimmung über die Verfassungsreform endete mit Tumulten vor dem ParlamentBild: Getty Images/AFP/S. Supinsky

Die meisten Punkte der Vereinbarung bleiben unerfüllt: ein Abzug schwerer Waffen ist nicht abgeschlossen, der Gefangenenaustausch stockt, eine Amnestie für Separatisten lässt auf sich warten. Die OSZE-Beobachter haben keinen vollständigen Zugang zu den Separatistengebieten und die Wiedeherstellung der ukrainischen Kontrolle über die Grenze zu Russland scheint derzeit unmöglich. Unmittelbare Verhandlungen zwischen Kiew und Donezk in der sogenannten Minsker Kontaktgruppe treten auf der Stelle.

Verfassungsreform als Kiews größtes Problem

Als Kernpunkt für eine politische Lösung gelten laut Minsk II die Verfassungsreform in der Ukraine und anschließende Kommunalwahlen in den Separatistengebieten. Die Reform soll eine faktische Autonomie dieser Gebiete garantieren. Das bedeutet unter anderem, dass die lokale Verwaltung Einfluss auf die Ernennung von Richtern und Staatanwälten hat und die sogenannten "Volksmilizen" legalisiert werden. Außerdem verpflichtet sich die Ukraine, die Separatistengebiete zu finanzieren. Sie tut es bis heute nicht.

Die Verfassungsreform ist wohl das größte Problem für Kiew. Die Abstimmung in der ersten Lesung Ende August 2015 wurde von gewalttätigen Protesten überschattet. Die zweite Abstimmung hätte längst stattfinden sollen, damit die Reform - wie in Minsk vereinbart - bis Ende 2015 in Kraft getreten wäre. Doch sie wurde auf unbestimmte Zeit vertagt. Beobachter in Kiew erklären das damit, dass es im Parlament dafür offenbar keine notwendige Mehrheit von 300 Stimmen gibt.

Vor diesem Hintergrund erhöht der Westen nun wohl den Druck auf beide Seiten, vor allem jedoch auf Kiew. Im Mittelpunkt diverser Gespräche stehen Kommunalwahlen in Separatistengebieten. Ende April besuchte die für Europa-Angelegenheiten zuständige US-Diplomatin Victoria Nuland Kiew. Sie soll der Ukraine konkrete Termine vorgeschlagen haben, berichtete die renommierte Wochenzeitung "Dserkalo Tyschnja". So solle die Ukraine bis Ende Mai ein Sonderwahlgesetz für Separatistengebiete verabschieden, damit dort bis spätestens Ende August gewählt wird. Doch Kiew dementierte. Man habe über "keine konkreten Termine" gesprochen, hieß es aus der Präsidialverwaltung.

Poroschenkos Dilemma

Die USA machten bereits in den vergangenen Monaten klar, dass die Ukraine auch dann ihren Teil der Minsker Vereinbarungen erfüllen solle, wenn Russland es nicht tue. Wenn der US-Außenminister John Kerry in den kommenden Wochen nach Kiew reist, dürfte er diese Botschaft wiederholen.

Zurzeit bekommt Poroschenko keine Mehrheit für die umstrittene ReformBild: picture-alliance/dpa/TASS/M. Palinchak

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko gerät dadurch unter Zugzwang und steht dabei vor einem Dilemma: Wenn der Präsident weiter die Verabschiedung des Wahlgesetzes für Separatistengebiete hinauszögert, riskiert er seine Partner im Westen zu enttäuschen. Dabei ist die Ukraine auf finanzielle Hilfe aus dem Westen angewiesen. Manche ukrainischen Beobachter warnen außerdem, dass eine weitere Verzögerung auf der Seite Kiews zu einer schrittweisen Lockerung der westlichen Wirtschaftssanktionen gegen Russland führen könnte. Kiew will das verhindern. Gibt Poroschenko dem Druck nach, dürfte sein ohnehin ramponiertes Image zu Hause leiden. Schließlich ist eine Mehrheit im Parlament für das Sonderwahlgesetz alles andere als sicher.

Bisher stellte die Ukraine Bedingungen für Wahlen in den Separatistengebieten, darunter eine vollständige Waffenruhe und völlige Bewegungsfreiheit für die OSZE-Beobachter. Die OSZE soll bei diesen Wahlen eine zentrale Rolle spielen - nicht nur als Wahlbeobachter, sondern auch als Garant für Sicherheit. Wie diese Mission aussehen soll, ist bisher unklar und dürfte beim Außenministertreffen in Berlin ein Thema sein. Die Separatisten haben vor kurzem ihre Kommunalwahlen auf den 24. Juli verschoben. Dieses Datum sei jedoch nicht endgültig, sagte der Anführer der selbsternannten "Donezker Volksrepublik", Alexander Sachartschenko.

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