Der Unbeirrbare
18. August 2009Selbst in den letzten Jahren, als er nur noch mühsam auf einen Stock gestützt ging und die Diplomatentrosse, die ihn als Expräsidenten begleiteten, zu Trippelschritten zwang, verlor Kim Dae Jung nichts von seiner Zuversicht. Als Kim 1997 zum Präsidenten Südkoreas gewählt wurde, bedeutete dies das Ende einer langen Ära. Mit seiner "Sonnenscheinpolitik" wollte er das Eis zwischen Süd- und Nordkorea zum Schmelzen bringen. Als erster südkoreanischer Präsident besuchte er Nordkorea. Noch während seiner Amtszeit bekam er dafür den Friedensnobelpreis verliehen. "Ich werde meine ganze Kraft für die Aussöhnung und Zusammenarbeit des koreanischen Volkes geben", bekräftigte er in seiner Dankesrede. Die Aussöhnung der beiden verfeindeten Koreas wollte der langjährige Oppositionelle zu seinem Vermächtnis machen.
"Made in Korea" statt Propaganda
Doch gegen Ende seiner Amtszeit zogen vor seinem Sonnenscheinhimmel dunkle Wolken auf. Das Regime um Diktator Kim Jong-Il provozierte die Welt mit Raketen- und Atomtests. Später kam dann noch heraus, dass sich Nordkorea das Gipfeltreffen der beiden Kims von südkoreanischen Firmen regelrecht hat bezahlen lassen. Die Gespräche zwischen den beiden Koreas gerieten nun endgültig ins Stocken und in Seoul kam wenige Jahre später mit Lee Myung-bak wieder ein Hardliner an die Macht. Kim aber trat weiterhin in der ganzen Welt auf, nahm Friedenpreise entgegen und blieb unbeirrt. "Die Nordkoreaner werden sich in Zukunft stark verändern", prophezeite er bei solchen Anlässen. Südkorea liefere einen Großteil der Hilfsgüter in den Norden. Und jedes "Made-in-Korea"-Schild auf den Lebensmittelrationen werde die nordkoreanische Propaganda ein Stück weit untergraben.
Den Deutschen sehr dankbar
Man musste vielleicht die Zähigkeit Kim Dae Jungs haben, um die Lage so optimistisch zu sehen. Zu Zeiten der südkoreanischen Militärdiktatur saß er mehr als zehn Jahre im Gefängnis oder stand unter Hausarrest. 1973 wurde er von südkoreanischen Geheimdienst entführt und entkam nur durch das schnelle Eingreifen der USA seiner geplanten Ermordung. Und 1981 wurde er sogar zum Tode verurteilt. Kim überlebte auch dank internationaler Proteste, wie er bei seinen Besuchen im Ausland immer wieder bemerkte. Auch in Berlin vergaß er nie, diejenigen zu erwähnen, die sich damals für ihn eingesetzt hatten: die beiden Alt-Bundeskanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt, den Ex-Präsidenten Richard von Weizsäcker, und den langjährigen Außenminister Hans Dietrich Genscher. "Ohne ihren Einsatz wäre ich heute nicht mehr am Leben", war er überzeugt. "Ich bin Deutschland sehr dankbar."
Warten auf neuen Sonnenschein
Auch in anderer Hinsicht fühlte sich Kim den Politikern der alten Bundesrepublik nahe. Immer wieder wurde seine Sonnenscheinpolitik mit der deutschen Ostpolitik der siebziger Jahre verglichen. Und auch Kim selbst betonte vor deutschem Publikum unermüdlich, dass Deutschland und Korea gemeinsam das "Joch der Teilung" - wie er sich ausdrückt - erfahren haben. Dem deutschen Beispiel der Wiedervereinigung werde Korea schrittweise folgen. Dass die Sonnenscheinpolitik seine Amtszeit nicht lange überstand, lastete er vor allem den USA unter George W. Bush an, der Nordkorea auf seiner Achse des Bösen verortet hatte. Seine Antwort auf diese Situation: Die EU müsse sich stärker in den koreanischen Friedensprozess einbringen. "Für uns ist Europa ein Vorbild für den Frieden", sagte er dann und sprach gar von einer "weltpolitischen Autorität" des alten Kontinents. Dass zum Schluss kaum noch jemand an Kims Visionen glaubte, schien den alten Mann nicht zu irritieren. Für ihn war immer klar: Irgendwann werden sich die Wolken wieder verziehen.
Autor: Mathias Bölinger
Redaktion: Thomas Latschan