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PolitikAsien

Kim zeigt Biden kalte Schulter

Frank Smith
30. März 2021

Pjöngjang wartet nicht ab, bis Bidens Team eine neue Nordkorea-Politik vorlegt. Raketentests sollen signalisieren: Unsere Position ist unverrückbar.

Kombibild Kim Jong Un und Joe Biden

Nachdem der Start zweier Cruise-Missiles Mitte März im Ausland keine größere Resonanz gefunden hatte, legte Nordkorea vier Tage später mit dem Abfeuern zweier ballistischer Kurzstreckenraketen nach, unter Verletzung einschlägiger UN-Sanktionen. Diesmal wurde international eine gewisse Aufmerksamkeit erzielt, man fragte sich: Warum hat der Norden das nach rund einem Jahr erstmals wieder gemacht? 

Hinweise gibt der 8. Parteikongress der Koreanischen Partei der Arbeit Anfang des Jahres. Dort legte Nordkoreas Führer Kim Jong Un in seiner Rede Waffenentwicklungspläne in bisher nicht gewohnter Ausführlichkeit vor, vor allem bei der Verbesserung taktischer und strategischer Nuklearwaffen – "die Liste ist so umfangreich und präzise wie nie", heißt es in einer aktuellen Studie der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS) in Seoul.

Dass Interkontinentalraketen auf der Militärparade zum Abschluss des Parteikongresses nicht gezeigt wurden, könnte man wohlwollend als "Zeichen der Zurückhaltung" gegenüber der Regierung Biden interpretieren, heißt es in der FNS-Studie. Auf jeden Fall aber laute die Botschaft: "Abrüstung steht vorerst nicht auf dem Programm."

Militärparade während des Parteikongresses in Pjöngjang im Januar 2021Bild: KCNA/Reuters

Schulterschluss USA – Südkorea

Auf dem Parteikongress wurde auch die Forderung an die USA und Südkorea wiederholt, ihre gemeinsamen Manöver nicht wieder aufzunehmen. "Eine Forderung, die vom Süden und den USA kaum auf Dauer akzeptiert werden wird, zumal sich die Korea-Politik der USA unter Präsident Biden im Vergleich zu der seines Vorgängers Trump offensichtlich stark verändert hat und eine Wiederannäherung an Südkorea vorsieht", schreiben die Autoren der FNS-Studie.

So führten die USA und Südkorea März dieses Jahres wieder zehntägige computersimulierte gemeinsame Manöver auf Kommandoebene durch. Kims Schwester Kim Yo Jong ließ daraufhin verlauten: "Kriegsspiele und Feindseligkeit passen niemals zu Dialog und Kooperation. Wenn (die neue Regierung von Joe Biden) die kommenden vier Jahre ruhig schlafen will, sollte sie besser nicht als erstes Stunk machen." 

Allianz Südkorea - USA als immerwährende Provokation des NordensBild: Lee Jin-man/AP Photo/picture alliance

Pjöngjangs Timing

Bekräftigt wurde die verbale Botschaft durch die Raketentests. Go Myong Hyun vom Asan Institute for Policy Studies in Seoul sieht es so: "Als die USA zum Start der Cruise Missiles mit den Schultern zuckten, wurde Pjöngjang klar, dass man die Dosis erhöhen musste. Das entspricht Pjöngjangs Vorgehen: Mit kleinen Aktionen beginnen und die Provokationen steigern."

Christian Taaks, Leiter des Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul, sagt, dass Pjöngjang bewusst die Raketentests vor die offizielle Vorstellung der Nordkorea-Politik der Regierung Biden gelegt hat. "Es wollte mit den Tests Fakten schaffen und ganz klar zum Ausdruck bringen, dass es auf seinem jetzt eingeschlagenen Weg der Aufrüstung nicht von den USA beeinflusst werden möchte. Man hat den Faktor USA demonstrativ ignoriert. Wäre man in irgendeiner Weise schon wieder im Gespräch, würden die Tests viel leichter als Wortbruch oder etwas ähnliches ausgelegt werden können. Wo es aber keine Worte gibt, gibt es auch keinen Wortbruch."

Muss mit unberechenbarem Nordkorea planen: US-Präsident Joe Biden Bild: Chip Somodevilla/Getty Images/AFP

Was heißt Denuklearisierung?

Kurz vor den Raketentests waren die neuen Verteidigungs- bzw. Außenminister der USA, Lloyd  Austin und Antony Blinken, zu Gesprächen mit den Verbündeten in Tokio und Seoul. Unter anderem zur Abstimmung über die mit Spannung erwartete Neuformulierung der amerikanischen Nordkorea-Politik der Regierung Biden. Unmittelbar nach den nordkoreanischen Raketentests wurde Biden auf seiner ersten Pressekonferenz im Weißen Haus in Bezug auf Nordkorea nach seiner "roten Linie" gefragt. Darauf Biden: "Wenn (Nordkorea) auf Eskalation setzt, werden wir entsprechend reagieren. Aber ich bin auch auf ein diplomatisches Vorgehen vorbereitet, wobei allerdings die Denuklearisierung als Endergebnis vorausgesetzt sein muss." 

Aber was genau soll "Denuklearisierung" heißen? Nordkorea versteht darunter nicht nur den - seit langem vollzogenen - Abzug der US-Atomwaffen aus Südkorea, sondern auch, dass die USA nicht länger ihre Verbündeten in Ostasien unter ihren "Atomschirm" nehmen. Washington versteht darunter die Beendigung des militärischen Atomprogramms Nordkoreas. Auch Bidens Team ist im Gebrauch des Begriffs schwankend, wie die FNS-Studie schreibt: "Die neue US-Regierung sprach sowohl von der 'Denuklearisierung Nordkoreas' als auch von der 'Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel'".

Umstrittene Stationierung des US-Raketenabwehrsystems THAAD in Südkorea Bild: picture-alliance/AP Photo/Yonhap/Kim Jun-beom

Drohende Rüstungsspirale

Unterdessen mehren sich geheimdienstliche Hinweise darauf, dass Nordkorea seinen Vorrat an Atomsprengköpfen ausbaut. Daraus ergeben sich weitere Komplikationen für Bidens Nordkorea-Politik, wie Go Myong Hyun vom Asan-Institut ausführt: "Was ist, wenn Nordkorea erst einmal nicht nur Dutzende, sondern Hunderte Atomsprengköpfe besitzt? Wenn man dann das Niveau der Abschreckung  erhöht, also mehr Raketenabwehrsysteme, mehr taktische oder sogar strategische Atomwaffen auf die koreanische Halbinsel schafft, dann wird nicht nur Nordkorea abgeschreckt, sondern dann sind auch Chinas strategische Interessen berührt. Ich erinnere nur an die extrem empfindliche Reaktion Chinas auf die Stationierung des THAAD-Raketenabwehrsystems in Südkorea."

Um ein außer Kontrolle geratendes Wettrüsten in Ostasien zu verhindern, gibt es nach Ansicht von Beobachtern nur den Weg über Verhandlungen. "Die USA und Nordkorea benötigen Zeit, um an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Washington muss Nordkorea zuhören, und der Norden muss seine Absichten in Bezug auf die Denuklearisierung klarmachen", sagt Hong Suk Hoon vom Koreanischen Institut für Wiedervereinigung. Viele Beobachter gehen allerdings davon aus, dass der Norden niemals sein Atomwaffenarsenal aufgeben wird, jedenfalls nicht in einem Maße, das die USA zufriedenstellen würde.

Gibt Rätsel auf wie eh und je: Nordkoreas Führer Kim Jong UnBild: SeongJoon Cho/Pool/Reuters

Abschottung wie gehabt

Go Myong Hyun vom Asan-Institut hält mittelfristig einen Vertrag über Waffenreduzierung für das maximal Erreichbare. "Die Denuklearisierung Nordkoreas wird sicher nicht in naher Zukunft geschehen, und bestimmt nicht innerhalb der einzelnen Amtszeit eines US-Präsidenten. Das wird erheblich länger dauern."

Immerhin hätte auch der Norden durch ein Abkommen Vorteile, nicht zuletzt durch die damit verbundene Aussicht auf die Aufhebung oder Suspendierung der UN-Sanktionen, durch die es vom Welthandel weitgehend abgeschnitten ist. Pjöngjang hat jedoch von Anfang an alle Kontaktversuche von Seiten der neuen Biden-Regierung ins Leere laufen lassen, sagt Christian Taaks, "aus welchen Gründen auch immer." 

 

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