1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Entsetzen nach Erdogan-Auftritt

Melis Yüksel | Ceyda Nurtsch
26. Februar 2018

"Willst du Märtyrerin werden?", fragt der türkische Präsident Erdogan ein weinendes Mädchen vor der Kamera. Nun wird ihm vorgeworfen, Kinder als Propagandamittel einzusetzen.

Recep Tayyip Erdogan mit einem weinenden Kind (AUSSCHNITT)
Bild: picture-alliance/AA/Turkish Presidency/M. Cetinmuhurdar

Öffentlichkeitsarbeit mit Kindern: Bei einer Versammlung seiner Partei, der AKP, in Kahramanmaras in Südost-Anatolien holte Recep Tayyip Erdogan ein Mädchen in Soldatenuniform auf die Bühne. "Willst du Märtyrerin werden?", fragte er die Sechsjährige. Als das Kind - wohl vor Aufregung - in Tränen ausbrach, ermahnte er es mit den Worten: "Soldaten weinen nicht". Und fügte hinzu: "Wenn du fällst, werden wir dich mit einer Fahne zudecken".

Erdogans Auftritt rief heftige Reaktionen in den sozialen Netzwerken hervor. Nutzer @emilezolam weist auf die Aufgaben eines Staates hin:"Der Staatspräsident sagt über ein kleines Mädchen, das er auf die Bühne holt: "Wenn sie fällt, dann wird man sie mit einer Fahne zudecken. Sie ist für alles bereit". Dabei sollte ein Staat nicht existieren, um Kinder umzubringen, sondern um ihnen ein gutes Leben zu gewährleisten".

@tuyocu kritisiert die Missstände, mit denen Kinder in der Türkei konfrontiert sind: "Kinderbräute, Kinderleichen, Kindesmissbrauch, Kindermärtyrer. Das ist kein Land, sondern eine Fallgrube für Kinder." 

Und @GaziCaglar ist empört darüber, dass Kinder zu politischen Zwecken missbraucht werden: "Es gibt tausend Arten von Kindesmissbrauch. Eine der widerlichsten ist, wenn Autokraten Kinder für ihre politische Show einsetzen und die Eltern das erlauben. Es gibt eine Gruppe von Wählern, die in die Geschichte eingehen wird als die Beschützer vom Kindermisshandeln."

Aber auch Erdogan-Fans können twittern - und sie tun es. Nutzer @mrtdrs_79 schreibt: "Schaut nur hin, ihr Idioten. Diese Liebe für Recep Tayyip Erdogan lässt sich nicht durch Nudeln oder Holzkohle erkaufen. Und von Kindern lässt sich durch Geld schon mal gar nichts erkaufen".

Und Nutzer @enesiovic meint: "Lasst uns den Abend mit einem Bild des großen Mannes Recep Tayyip Erdogan beenden."

Kinder als Mittel für Propaganda in der Türkei

Doch das ist nicht das erste Beispiel dafür, wie Kinder in der Türkei als Propagandamittel eingesetzt werden. Schon am Tag vor Erdogans Auftritt veröffentlichte der staatliche TV-Sender TRT auf seiner Internetseite die Videobotschaft eines ebenfalls ungefähr sechsjährigen Jungen. In dem Video sagt der kleine Isa: "Mein Vater kämpft mit seinen Freunden in den Reihen der Freien Syrischen Armee gegen die separatistische Terrororganisation PKK Schulter an Schulter mit den türkischen Soldaten. Möge Gott alle unsere Kämpfer beschützen und ihnen den Sieg schenken. Ich danke dem Staatspräsidenten, der für mich wie ein Großvater ist. Denn dass ich zur Schule gehen und in Sicherheit leben kann, habe ich Gott, und dann ihm zu verdanken. Möge Gott es ihm und der türkischen Nation vergelten".

Das mit Musik untermalte Video endet damit, dass der Junge sich gemeinsam mit einem anderen Kind auf einem Laptop Bilder seines uniformierten Vaters anschaut.

Anwältin Seda Akço Bilen, die sich auf Kinderrechte spezialisiert, verweist auf mehrere internationale Abkommen, die die Türkei unterschrieben hat. "Sie sehen vor, dass Kinder vor jeglichen bewaffneten Konflikten ferngehalten und nicht rekrutiert werden sollen. Da aber diese Abkommen leider nicht eingehalten werden, sind die Kinder die größten Opfer von Kriegen. Für sie gibt es nichts Gefährlicheres als Krieg. Daher ist es die Aufgabe von jedem Erwachsenen, die Kinder - selbst wenn es keine diesbezüglichen Abkommen gibt - von Krieg und von seinen Auswirkungen fernzuhalten", so Akço Bilen gegenüber der DW.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen