"Momentan sind alle Augen auf die Ukraine gerichtet" - doch auch anderswo gibt es viel Leid, betont die Hilfsorganisation "Save the Children" am elften Jahrestag des Kriegsbeginns in Syrien.
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In ganz Syrien lebten Jungen und Mädchen unter katastrophalen Bedingungen in unsicheren, unhygienischen Lagern, erklärte die Hilfsorganisation "Save the Children" in Berlin. Sie würden beschossen und litten unter Hunger, Krankheiten sowie Unterernährung. Allein 2021 wurden nach Angaben der international tätigen Nichtregierungsorganisation 15 Schulen im Nordwesten Syriens angegriffen.
Mindestens 2,4 Millionen syrische Kinder gingen nach UN-Angaben im vergangenen Jahr nicht zur Schule. Insgesamt 6,5 Millionen Mädchen und Jungen im Land brauchen humanitäre Hilfe, wie die Vereinten Nationen ermittelten.
"Momentan sind alle Augen auf die Ukraine gerichtet", sagte die Leiterin der Nothilfeeinsätze von "Save the Children" in Syrien, Sonia Khush. "Aber wir sollten alles daransetzen, dass die Kinder in Syrien nicht vergessen werden." Die Gewalt müsse beendet werden, um ein sicheres Umfeld für Heranwachsende zu schaffen.
Elfter Jahrestag
Der 15. März 2011 gilt als Beginn des Krieges in Syrien. In den Metropolen Damaskus und Aleppo demonstrierten damals aufgebrachte Menschen gegen die Politik von Machthaber Baschar al-Assad. Das Regime schlug die Proteste brutal nieder.
Rebellen und Terrorgruppen eroberten anschließend weite Gebiete des Landes. Mit Hilfe Russlands und des Irans konnte Assad aber später die Kontrolle über die meisten Regionen zurückgewinnen. Hunderttausende Menschen wurden im Krieg getötet, Millionen sind nach wie vor auf der Flucht.
wa/rb (epd)
Idlib: Leben zwischen Ruinen
Seit elf Jahren herrscht in Syrien Krieg. In der Region Idlib leben 2,8 Millionen Binnenflüchtlinge. Einige der Familien dort haben sich auf archäologischen Stätten niedergelassen, um keine Miete zahlen zu müssen.
Bild: Khalil Ashawi/REUTERS
Ruinen als Zuhause
Mohamad Othman erinnert sich noch gut an seine Schulausflüge zu antiken archäologischen Stätten in Syrien - nie hätte er geahnt, dass eine davon später einmal sein Zuhause werden würde. Das Zelt der Familie ist mit Steinen verankert, die Wäsche trocknen sie auf einer Leine, die zwischen Zelt und einem alten Steinportikus gespannt ist.
Bild: Khalil Ashawi/REUTERS
Früher ein Haus, heute ein Zelt
Seit zweieinhalb Jahren lebt Othman mit Frau und vier Kindern inmitten alter Ruinen in Sarjableh nahe der türkischen Grenze, gemeinsam mit 50 weiteren Familien. Maarat al-Numan - der Heimatort der Othmans im Nordwesten Syriens - war zuvor von Regierungstruppen bombardiert worden. Das Gebiet zwischen Rebellen- und Regierungstruppen war mehrfach unter Beschuss geraten. Es blieb ihnen nur die Flucht.
Bild: Khalil Ashawi/REUTERS
Saisonarbeit zum Überleben
Othman ist auf Saisonarbeit angewiesen. Manchmal muss er sich aber auch Geld leihen. Er und die anderen Familien leben zwischen den Ruinen der frühchristlichen Siedlung aus dem 5. Jahrhundert, weil sie dort keine Miete für das Aufstellen der Zelte zahlen müssen. "Wir haben unser Land nicht freiwillig verlassen, um an einem Ort zu leben, der seit Tausenden von Jahren unbewohnt ist", sagt Othman.
Bild: Khalil Ashawi/REUTERS
Gefahren für Kinder und Erwachsene
Die Kinder gehen nicht zur Schule. Die Ruinen sind ihr Spielplatz - ein ungewöhnlicher, aber auch gefährlicher Ort. Dem Fotografen der Agentur Reuters erzählt Othman: "Im Sommer haben wir es mit Skorpionen, Schlangen und Staub zu tun. Im Winter trifft uns die Kälte." In diesem Winter war es besonders schlimm: In der Region Idlib sind auch Menschen in Flüchtlingslagern erfroren.
Bild: Khalil Ashawi/REUTERS
Matsch und Ruinen in Babisqa
Unweit von Sarjableh bietet auch die antike archäologische Stätte von Babisqa etwa 80 vertriebenen Familien Schutz. Babisqa ist Teil des Unesco-Weltkulturerbes. Mahmoud Abu Khalifa lebt mit seiner Familie in den Ruinen von Babisqa. Er erzählt, dass er früher einmal Land besessen habe. "Wir konnten davon gut leben. Wir hatten auch Tiere", sagt er. "Heute leben wir zwischen Ruinen auf Matsch."
Bild: Khalil Ashawi/REUTERS
Leben mit Schafen und Ziegen
Einige Menschen haben bei der Flucht ihre Tiere mitgenommen. So auch Mahmoud Abu Khalifa. Tagsüber laufen Schafe und Ziegen laufen inmitten der alten Steine herum, während Hühner auf dem Boden alles Essbare aufpicken, was sie finden können. Abu Khalifa lagert das Tierfutter, aber auch den Familienbesitz in einer alten Höhle.
Bild: Khalil Ashawi/REUTERS
Stützpunkt im Krieg
In den ersten Jahren es Krieges nutzten Rebellen den Ort Babisqa als Stützpunkt und operierten militärisch von alten Höhlen aus, die aus dem Felsen gehauen wurden. Bis heute sollen dort Kabel und ähnliche Überbleibsel aus dem Bestand der seinerzeitigen oppositionellen Kämpfer zu finden sein.
Bild: Khalil Ashawi/REUTERS
Wunsch nach Rückkehr
Mahmoud und Zahra Abu Khalifa haben sieben Kinder. Das Flüchtlingslager in Babisqa nennen sie alle "Kharrab Camp" - Ruinenlager. "Die Situation ist zum Verzweifeln", sagt Mahmoud Abu Khalifa. Denn die Region Idlib wird weiterhin von Regierungstruppen bombardiert. Er wünscht sich ein besseres Leben für seine Kinder.
"Unsere einzige Forderung ist, in unsere Dörfer zurückzukehren."