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Kinder leiden im Ukraine-Krieg besonders

24. Februar 2024

Deutschland unterstützt die Ukraine nicht nur mit Waffen, sondern leistet auch humanitäre Hilfe. Wichtig für Kinder sind vor allem psychosoziale Betreuung und Lernangebote. Gerade in den Frontregionen.

Ein kleines Mädchen sitzt auf einem Bett in einem improvisierten Bombenschutzraum in Mariupol, auf ihrem Knien liegt ein Heft (Archivbild von 2022)
Ein kleines Mädchen in einem improvisierten Bombenschutzraum in Mariupol (Archivbild)Bild: Evgeniy Maloletka/AP Photo/picture alliance

Maria ist 16 Jahre alt und lebt in der Großstadt Krywyj Rih in der ukrainischen Region Dnipro. Ein vom Krieg schwer betroffenes Gebiet, in dem heulende Sirenen und Luftangriffe seit zwei Jahren zum Alltag gehören. "Luftalarm haben wir zwischen zwei und zehn Mal am Tag. Jeder kann zwischen 30 Minuten und vier Stunden dauern. Man weiß nie, wie oft und wie lange man im Luftschutzkeller sein wird."

Anstatt in die Schule zu gehen, haben Kinder in den ukrainischen Frontgebieten seit Kriegsbeginn bis zu 5000 Stunden, das sind umgerechnet etwa sieben Monate, in Schutzkellern verbracht. Das geht aus einer Analyse des UN-Kinderhilfswerks UNICEF hervor. In den Frontgebieten findet Schulunterricht fast ausschließlich Online statt. Ein Problem ist das, wenn der Strom ausfällt und damit auch das Internet. Viele jüngere Kinder, so erzählt Maria, hätten eine Schule noch nie von innen gesehen und ihre Lehrer nie kennengelernt.

Ukraine: eine Jugend im Krieg

Die 16-jährige ukrainische Schülerin ist mit UNICEF nach Berlin gekommen, um anlässlich des zweiten Jahrestages des russischen Angriffs auf die Ukraine von ihrem Alltag zu berichten. Sie erzählt von Raketenangriffen und Granatenbeschuss, von Explosionen, Feuer und Zerstörungen, von Panzern vor den Fenstern.

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Von einem Tag auf den anderen sei ihr Leben auf den Kopf gestellt worden. "Ich meine, an einem Tag habe ich mit meinen Freunden geraucht und wir haben uns über den Mathe-Test beschwert. Am nächsten Tag sind wir mit Explosionen und Luftalarm aufgewacht."

Zukunft einer Generation bedroht

Marias Freund verließ die Ukraine, so wie die meisten ihrer Klassenkameraden, Freunde und Verwandten. Wer blieb, muss mit dem Krieg leben. Gerade für Kinder und Jugendliche sei das besonders schwer, sagt Mustapha Ben Messaoud, Leiter der UNICEF-Nothilfeprogramme in der Ukraine. "Dieser Krieg besteht nicht aus Zahlen oder Statistiken, es ist eine Krise, die den Kern der Kindheit trifft und die Zukunft einer ganzen Generation bedroht."

Nach Angaben von UNICEF sind schätzungsweise 1,5 Millionen Kinder in der Ukraine von Depressionen, Angstzuständen, posttraumatischen Belastungsstörungen und anderen psychischen Erkrankungen bedroht. "Viele Kinder haben traumatische Ereignisse wie Gewalt und den Verlust von Familienmitgliedern oder des Zuhauses miterlebt", so Mustapha Ben Messaoud.

Mustapha Ben Messaoud, Leiter der UNICEF-Nothilfeprogramme in der UkraineBild: Ute Grabowsky/photothek/IMAGO

Der Krieg erschwert ukrainischen Kindern das Lernen 

Mehr als 3800 Schulen wurden beschädigt oder zerstört. "Für viele war das Klassenzimmer einst ein Ort der Hoffnung und der Möglichkeiten. Doch jetzt erinnert es an die Zerstörungen, die der Krieg angerichtet hat," so Messaoud. Davon abgesehen, dass viele Kinder wegen der ständigen Sicherheitsbedenken nicht regelmäßig zur Schule gehen könnten. Andere hätten angesichts des Chaos und der Ungewissheit, die sie umgibt, Mühe, sich zu konzentrieren und zu lernen. 

UNICEF ist in der Ukraine mit vielen Projekten aktiv und wird dabei vom deutschen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) unterstützt. 28 Milliarden Euro hat Deutschland seit Kriegsbeginn für die Ukraine bereitgestellt. Das meiste Geld fließt in die Verteidigung - über das BMZ sind 1,3 Milliarden Euro für humanitäre Hilfe bereitgestellt worden. "Damit die Ukraine stark bleiben kann, braucht sie mehr als nur Waffen", betont Ministerin Svenja Schulze (SPD). 

Nachholklassen gegen die Lernverluste

Auch die Unterstützung der Kinder und Jugendlichen sei wichtig für die Widerstandskraft der Ukraine, so die Ministerin. Laut UNICEF hat das Kinderhilfswerk 2023 dazu beigetragen, 1,3 Millionen Kinder mit Lernangeboten und 2,5 Millionen Kinder und Betreuende mit psychosozialer Hilfe zu erreichen. Im Rahmen der humanitären Hilfe hätten 5,5 Millionen Menschen Zugang zu sauberem Wasser und rund fünf Millionen Menschen zur Gesundheitsversorgung erhalten. 

Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und EntwicklungBild: Ute Grabowsky/photothek/IMAGO

Wie Wiederaufbau aussehen kann, hat UNICEF in einem der Gebiete gezeigt, durch das 2022 sechs Monate lang die Front verlief und das teilweise russisch besetzt war. In zwei Projekten wurden Nachholklassen eingerichtet, um Lernverluste auszugleichen. Infrastruktur sei repariert worden, von der Wiederherstellung der Wasserinfrastruktur nach EU-Standards bis hin zur Einrichtung eines Zentrums für soziale Dienste und eines Jugendzentrums. 

Es sei wichtig, schon jetzt über den Wiederaufbau des gesamten Landes nachzudenken, so Svenja Schulze. Dafür brauche man die junge Generation, die nach Schule und Ausbildung die Ukraine wiederaufbauen werde "als freies, europäisches Land". 

Die belasteten Seelen der ukrainischen Jugend

Doch es wird eine Generation sein, die tiefe Narben mit sich herumtragen wird. "Ich glaube, dass viele Kinder sich seit dem Februar 2022 einfach geistig zurückgezogen haben. Sie haben ihre Emotionen auf Eis gelegt und erlauben ihnen seitdem nicht mehr weiterzumachen", beschreibt Maria ein Gefühl, das auch sie kennt.

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Die 16-Jährige hat sich entschlossen, aktiv dagegen anzugehen. Sie engagiert sich im Rahmen eines UNICEF-Programms für Gleichaltrige in ihrer Gemeinde. Manchmal frage sie sich, wie ihr Leben wohl ohne den Kriegsausbruch verlaufen wäre, sagt Maria. "Aber man gewöhnt sich mit der Zeit an alles. Und wenn so viele abnormale Dinge um einen herum passieren, vergisst man manchmal sogar, dass das nicht richtig ist."

Kämpfen mit der Unsicherheit

Wie andere Kinder und Jugendliche auch schwankt Maria zwischen Hoffnung und Furcht, wenn sie an die Zukunft denkt. "Wir müssen lernen, unsere Zukunft planen, an die Universität denken, versuchen, Zeit für Hobbys zu finden und natürlich weiterhin lächeln", sagt sie. Aber sie sagt auch das: "Gleichzeitig können wir nicht mit dem Gedanken an eine Zukunft spielen, weil wir einfach nicht wissen, ob es überhaupt eine Zukunft gibt."

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