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Kinderfilm in Deutschland

14. September 2009

Iran, China und Spanien zu Gast in Frankfurt. "Lucas", das älteste Kinderfilmfestival Deutschlands, präsentierte zehn Filme im Wettbewerb. Zur Situation des Kinderfilms hierzulande - zwischen Boom und Nischendasein.

Chinesischer Junge mit Dorf im Hintergrund (Szene aus Film Sonnenblumenkerne) (Lucas Filmfest Frankfurt)
"Sonnenblumenkerne"Bild: Shanghai Clap Films

Eigentlich könnte die Branche ja zufrieden sein. In Deutschland boomt der Kinderfilm. In den vergangenen Jahren haben es Produktionen wie "Das Sams" oder Neuauflagen von Erich Kästner-Verfilmungen in die Top Ten der erfolgreichsten Filme des Jahres geschafft. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille.

Nach wie vor nimmt der Kinderfilm eine Nische innerhalb des Kinomarktes ein. Das hat ganz reelle Gründe. Die Produktion eines Kinderfilms galt lange als wirtschaftliches Risiko - das Publikum ist mit knapp 7 Millionen Kindern bis 12 Jahren in Deutschland überschaubar. Da ein fünfjähriges Kind etwas anderes sehen will als ein Zwölfjähriger, reduziert sich der Zuschauerkreis noch einmal. Eine Refinanzierung der Produktionen über Ticketverkäufe ist also schwierig bis unmöglich.

Fußball im Waisenhaus: die Kinder im Frankfurter Siegerfilm "Carlitos große Chance"Bild: Imagina International

Oft nur auf Festivals zu sehen

Es hapert an Finanzierungs- und Vertriebsmöglichkeiten beim Kinderfilm. Was in Frankfurt beim "Lucas" oder bei ähnlichen Veranstaltungen in Gera, Chemnitz oder Berlin bei einem Festival zu sehen ist, kann noch lange nicht auf einen Kinoeinsatz im Anschluss hoffen. Da ist die Situation beim Kinderfilm mit der des Erwachsenenfilms vergleichbar.

Trotz dieser Defizite hat sich der Kinderfilm hierzulande relativ gut entwickelt. Eine Ursache: die Definitionen, was denn nun ein Kinderfilm ist, haben sich zum Teil aufgelöst. So werden Zeichentrickfilme heutzutage von allen Altersgruppen gesehen. Auch die neuen Erich Kästner-Verfilmungen oder die Komödien des Komikers Bully Herbig richten sich sowohl an ein jüngeres als auch an ein älteres Publikum.

Was ist ein guter Kinderfilm?

Eine Definition, was einen gelungenen Kinderfilm ausmacht, gibt es sowieso nicht. Petra Kappler, Festivalchefin in Frankfurt beim "Lucas" (Veranstalter: Deutsches Filminstitut und Deutsche Filmmuseum Frankfurt), setzt auf eine möglichst verständliche Filmsprache: "Ein guter Kinderfilm muss funktionieren für Kinder, das heißt: Kinder müssen sich in dem Film wiederentdecken können. Der Film muss auf Augenhöhe mit Kindern sein, ihre Perspektive widerspiegeln. Kinder dürfen von dem Film nicht verwirrt werden. Die Filme dürfen die Kinder nicht ratlos zurücklassen. Sie müssen schlüssig sein und eine Geschichte erzählen, die klar verständlich und nachvollziehbar ist, die auch ruhig Spaß machen darf."

"Babak" aus dem IranBild: Farabi Cinema Foundation

Breites Angebot beim "Lucas"

Das kann natürlich auf ganz unterschiedliche Arten funktionieren – wie die aktuellen Festivalfilme in Franfurt zeigen: Der französische Eröffnungsfilm "Die Kinder von Timpelbach" setzte auf eine populäre Romanvorlage, die ein Leben ohne Erwachsene zeigt, ein Märchenfilm. Aus China kam eine Weltpremiere: "Sonnenblumenkerne" verschafft Einblicke in dörfliche Strukturen des Riesenreichs. Im Mittelpunkt ein Junge, der sich liebevoll um ein verletztes Huhn kümmert.

"Babak" aus dem Iran zeigt einen körperlich behinderten Jungen und seine schwierigen Erfahrungen in der Schule. Aus Spanien kam der Siegerfilm des Wettbewerbs: "Carlitos großer Traum" erzählt die Geschichte eines Waisenhauses und seiner Kinder. "Ein Kinderfilm, der nicht kindisch ist", wie es in der Jurybegründung heißt, der "Verantwortung, Mut und den Glauben an einen Traum thematisiert". Vier höchst unterschiedliche Filme, die aber die Vielfalt des Angebots auch im Kinderfilmbereich widerspiegeln.

"Das Chamäleon schlägt zurück" aus Schweden: Klassische Kinder-Detektiv-GeschichteBild: Swedish Film Institute

Defizitäre Lage des Kinderfilms

Veranstaltungen wie der "Lucas" in Frankfurt sind ungemein wichtig für eine Branche, die natürlich nicht die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit genießt wie das Kino der Großen. Trotz der vielen Verbesserungen bleibt noch viel zu tun – darüber sind sich die Experten einig. Vor kurzem mahnten Fachleute in der so genannten "Erfurter Erklärung" fünf Punkte in Sachen Kinderfilm an.

Auf europäischer Ebene sollen Erfahrungen zusammengetragen und eine gemeinsame Internet-Plattform gegründet werden, die Finanzierung und der Vertrieb von Kinderfilmen sollen verbessert werden, ebenso die Filmerziehung an den Schulen – ein ganz wichtiger Baustein beim Film für den Kinonachwuchs. Eine sechste Forderung könnte so lauten: auch die Kinderfilmfestivals in Deutschland wie der "Lucas" bräuchten noch mehr Unterstützung.

Autor: Jochen Kürten

Redaktion: Elena Singer

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