Kindersoldaten im Einsatz
11. Februar 20161. Afghanistan – Kriegsheld mit zwölf
Wasil Ahmad starb durch zwei Schüsse in den Kopf. Taliban-Kämpfer überfielen den zwölfjährigen Jungen Anfang Februar auf seinem Schulweg. Ein geplanter Mord an einem Kind. Ein verstörendes Detail kommt hinzu: Wasil Ahmad war ein gefeierter Kriegsheld im Kampf gegen die Taliban und hatte auch in Polizeiuniform posiert. Denn nicht nur die Taliban und andere radikale Gruppen drücken in Afghanistan Kindern Waffen in die Hand. Auch die afghanische Polizei hatte schon Kinder in ihren Reihen. Die Regierung in Kabul habe zwar den Willen erkennen lassen, das zu stoppen, sagt Kinderrechts-Aktivist Ralf Willinger von der Hilfsorganisation "Terre des Hommes". "Doch das wird in der Praxis nicht umgesetzt."
2. Syrien – Kinder in Uniform werden alltäglich
Nicht nur der so genannte Islamische Staat, auch die Freie Syrische Armee und Milizen auf Regierungsseite wie etwa die Hisbollah setzen nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) in Syrien Kindersoldaten ein. Die Rekrutierung von Kindersoldaten in Syrien sei mittlerweile "alltäglich" geworden, stellte die UN in ihrem letztem Bericht zum Thema fest. "Auch die kurdischen Gruppen setzen Minderjährige ein", sagt Kinderrechts-Aktivist Ralf Willinger. "Es werden in den meisten Konfliktgebieten Kinder von allen Parteien eingesetzt. Manche machen das ganz offen, andere machen es versteckter und setzen Kinder als Spione oder Arzthelfer ein. Aber das ist natürlich genauso gefährlich."
3. Irak - letzte Chance Flucht
Im Irak ist die Lage für Kinder besonders dramatisch, weil der Krieg schon seit 2003 andauert. "Je länger ein Konflikt geht, umso schwieriger kann man sich den bewaffneten Gruppen entziehen als Junge in einem bestimmten Alter und zum Teil auch als Mädchen", so Ralf Willinger. Die einzige Möglichkeit sei dann, das Land zu verlassen. Zuletzt hat sich die Zahl der Kindersoldaten stark erhöht, weil der sogenannte Islamische Staat massiv Kinder rekrutiert.
4. Jemen – Der Nachbar mischt mit
Etwa ein Drittel der Kämpfer im Jemen sollen Kinder sein. Auch deutsche G3-Gewehre könnten dort aus Kinderhand abgefeuert werden. Denn die Kriegspartei Saudi-Arabien habe die Sturmgewehre dort kistenweise abgeworfen, sagt Willinger -obwohl das geltenden Rüstungsverträgen widerspreche. "Es ist unverständlich, dass man nicht die Konsequenzen zieht und ein Land, das Verträge bricht und Menschenrechte massiv missachtet, weiter mit Waffen aus Deutschland versorgt."
5. Somalia – "die Jugend" rekrutiert Kinder
Auch die somalische Armee rekrutiert weiterhin Kinder. Eine Armee, die vom Westen im Kampf gegen Rebellen unterstützt wird. "Da fehlt uns jedes Verständnis, dass man darüber hinweg sieht und mit den Verantwortlichen teilweise Manöver veranstaltet", so Willinger. Auf Seiten islamistischer Rebellen wie etwa der Al-Shabaab-Miliz, die nach ihrer Selbstbezeichnung "die Jugend" repräsentiert, kämpfen laut UN-Bericht rund 1000 Kinder.
6. Südsudan – 16.000 Kinder im Einsatz
"Ich hatte noch nie zuvor ein Gewehr in Händen gehalten. Noch am Tag unserer Gefangennahme zeigten sie uns, wie man die Waffe benutzt. Und dann fingen wir an, zu kämpfen. Beim ersten Einsatz wurden sieben Jungen getötet." Das erzählte ein 17-Jähriger ehemaliger Kindersoldat Vertretern der Hilfsorganisation Human Rights Watch. Mindestens 16.000 Heranwachsende sollen dort innerhalb von zwei Jahren von den Kriegsparteien zwangsrekrutiert worden sein.
7. Sudan – Worte, aber keine Taten
Immer wieder haben einzelne Rebellengruppen Abkommen unterzeichnet, die den Einsatz von Kindersoldaten ächten. Doch nach wie vor müssen Kinder kämpfen, vor allem in der westlichen Region Darfur, aus der zuletzt wieder vermehrt Gefechte vermeldet werden. Auch auf Seiten der Regierung sind laut UN Kindersoldaten im Einsatz.
8. Zentralafrikanische Republik – Soldat aus Todesangst
Oft würden Kinder einfach verschleppt und zum Leben als Kämpfer gezwungen. "Es wird aber natürlich auch mit Verlockungen und Versprechungen gearbeitet, mit Geld, mit Handys." Wenn die Kinder sich davon einmal locken lassen und mitgehen, dann kommen sie nicht mehr los. "Denn dann kennen sie die Kommandeure, die Standorte. Und bei fast allen Gruppen ist es dann bei Todesstrafe verboten, die Truppe zu verlassen."
9. Demokratische Republik Kongo – Kommandant in Haft
10 verschiedene Gruppierungen in der Demokratischen Republik Kongo listet die UN in ihrem aktuellen Bericht auf, die Kinder als Soldaten rekrutieren. Im Osten des Landes kämpfen Dutzende Rebellengruppen seit Jahrzehnten um kostbare Rohstoffe. Immerhin: was die Strafverfolgung der Verantwortlichen angeht, sehen Experten mittlerweile eine Verbesserung. "Das Bewusstsein, dass es ein Kriegsverbrechen ist, Kinder zu rekrutieren, ist weltweit gestiegen", sagt Willinger. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat bereits Urteile gefällt, etwa gegen den ehemaligen Milizenführer Thomas Lubanga, der auch Kindersoldaten befehligte. Er sitzt seit Dezember 2015 im Kongo in Haft.
10. Nigeria – Sexsklaven und Selbstmordattentäter
Spätestens seit der Entführung der "Mädchen von Chibok" ist die die dafür verantwortlich zeichnende islamistische Terrorsekte Boko Haram auch international bekannt. Schon seit einigen Jahren wirft die UN der Miliz vor, Kinder als Sexsklaven zu missbrauchen. Seit 2014 soll Boko Haram Kinder auch als Soldaten rekrutieren sowie als menschliche Schutzschilde einsetzen. Immer wieder müssen die Behörden nach Selbstmordanschlägen feststellen: es waren Kinder, die sich in die Luft gesprengt haben.
11. Mali – Vormarsch zunächst gestoppt
Auch in Mali missbrauchen insbesondere islamistische Rebellengruppen Kinder für ihre Zwecke. Sie sind jedoch seit Eintreffen internationaler Truppen im Jahr 2013 in ihrem Vormarsch gestoppt, so dass die Lage weniger dramatisch ist als noch vor einigen Jahren.
12. Kolumbien – FARC kündigt Verzicht an
Keine Kindersoldaten mehr in ihren Reihen – das hat die größte kolumbianische Guerillagruppe FARC in dieser Woche angekündigt. Damit wolle man den Friedensprozess mit der Regierung beschleunigen, so die Rebellen. Kinderrechts-Aktivist Willinger begrüßt diese Ankündigung in dem mehr als 50 Jahre dauernden Konflikt. "Allerdings ist es so, dass die FARC behauptet, sie hätte nur noch eine Handvoll 15-Jähriger in ihren Reihen. Das ist definitiv falsch."
13. Philippinen – Frieden brächte Freiheit
Die New People's Army, eine kommunistische Rebellengruppe, setzt auf den Philippinen im Kampf gegen die Regierung Kindersoldaten ein. "Dieser Konflikt ist noch nicht beigelegt", sagt Willinger. Besser sind die Aussichten für Kinder, die in Diensten der MILF stehen, der Moro Islamic Liberation Front. Sie steht kurz vor einem Friedensabkommen mit der Regierung.
14. Myanmar – entlassen und neu rekrutiert
Die UN stellt der Regierung ein gutes Zeugnis aus. Sie habe positive Schritte unternommen, Kindersoldaten aus den Reihen ihrer Armee zu entlassen und setze einen entsprechenden Aktionsplan um. "Tatsächlich wurden mehrere Hundert Kinder entlassen seit Juni 2012", sagt Ralf Willinger von Terre des Hommes. "Aber in der gleichen Zeit wurden auch mehrere Hundert rekrutiert, oft über dubiose Kanäle und nicht auf dem offiziellen Weg. Es fehlt der Wille, das zu unterbinden."
Deutschland – Nummer 15 auf der Liste?
Laut UN setzen bewaffnete Gruppen in vielen weiteren Konfliktregionen vermutlich Kinder ein, wie etwa in Libyen oder den Palästinensergebieten. Selbst in westlichen Demokratien schießen 17-Jährige mit scharfen Waffen und in Uniform. So auch in Deutschland als Rekruten in der Ausbildung der Bundeswehr, wie die Antwort des Bundesverteidigungsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linkenfraktion im Bundestag ergab. Kinderrechts-Aktivist Ralf Willinger dazu: "Es ist wichtig, dass Deutschland hier die Vorbildrolle einnimmt, die es selbst für sich beansprucht". Denn Deutschland setze sich zwar einerseits etwa in Myanmar oder Kolumbien dafür ein, dass niemand unter 18 Jahren in Soldatendiensten steht. "Gleichzeitig ist die Zahl der 17-Jährigen bei der Bundeswehr im Jahr 2015 auf 1515 gestiegen." Allerdings dürfen die Minderjährigen nicht im Wachdienst oder im Ausland eingesetzt werden, wo sie die Waffe einsetzen müssten.