Ganz Großes Kino
3. Februar 2009DW-WORLD.DE: Herr Rother, die Berlinale richtet eine Retrospektive über einen ganz besonders ´breiten Film´ aus. Was ist das eigentlich, ein 70mm Film?
Rainer Rother: Ein 70mm Film ist ein Film, der auf einem sehr viel breiteren Ausgangsformat gedreht wird, nämlich statt 35mm auf 70mm. Das heißt, die Auflösung des Bildes ist im Negativ schon sehr viel größer und besser und diese Filme wurden auch als 70mm-Kopien gezeigt. Das Ergebnis ist ein sehr viel brillanteres Bild, als es damals mit dem 35mm-Film, dem Normalfilm, möglich war und vor allem auch noch eine sehr viel bessere Ton Qualität, weil das immer mit 6 Kanal-Stereo-Ton versehen war.
Was war das für eine Zeit, als diese 70mm-Filme gezeigt wurden in vielen Ländern der Erde?
Rainer Rother: Das war vor allem Mitte der 50er Jahre bis etwa in die 70er Jahre. Damals wurde wirklich die 70mm-Filmkopie gezogen vom Ausgangsmaterial. Es gibt dann eine spätere Entwicklung, als sich das 35mm-Format verbessert hat von der Auflösung her. So dass dann für bestimmte Kinos, die sogenannten Roadshows, von 35mm-Filmen 70mm-Kopien gezeigt wurden. Das berücksichtigen wir aber nicht innerhalb der Retrospektive. Wir berücksichtigen nur die reinen 70mm-Filme.
...das sind dann die echten und die falschen 70mm-Filme. In vielen verschiedenen Ländern wurden 70mm-Filme gedreht, auch in verschiedenen Formen oder mit verschiedenen Verfahrensweisen. Was sind denn die bekanntesten, kommen die aus Hollywood?
Rainer Rother: Nun es gibt berühmte Filme, die nicht nur aus Hollywood kommen. Natürlich kommen die ganz Großen, wenn man so will, die Initialzündungen aus Hollywood. 'Oklahoma' war ein Musical, das alle Rekorde gebrochen hat und erst von 'Sound of Music', wiederum ein Musical, übertroffen wurde. Die großen Antikfilme wie 'Ben Hur' oder 'Spartacus' oder 'Cleopatra' wurden in diesem Format gedreht. Die 'Meuterei auf der Bounty', 'Lord Jim', solche Filme, 'Lawrence of Arabia'. Aber es gibt in anderen Ländern auch sehr berühmt gewordene Filme. Die Sowjetunion hatte ein Konkurrenzverfahren entwickelt, auch aus ideologischen Gründen! Sie wollten zeigen: ´Dass können wir auch!´ Zum Beispiel 'Krieg und Frieden' von Sergej Bondarschuk, ist sehr bekannt geworden. Auch die Defa hat 70mm- Filme produziert, weltweit hatte sie die drittgrößte 70mm-Produktion und vor allem hatten sie relativ viele 70mm-Kinos. Die haben damals also die sowjetischen Filme gespielt, die amerikanischen und eigene, und von denen ist sicher 'Goya' von Konrad Wolf der bekannteste.
Was haben die Regisseure, auch die großen in Hollywood oder auch die russischen daraus gemacht. Waren das nur Schauwerte?
Rainer Rother: Sicherlich ist das ein Format, das zunächst natürlich auf Schauwerte aus ist. Wenn man dieses große Format hat, dann müssen die Bilder auch entsprechend sein. Man kann das ein bisschen vergleichen mit einer Weiterentwicklung des 70mm-Formats, nämlich mit dem Imax-Format, das noch mal deutlich mehr Bildinhalt hat, weil es nicht vertikal sondern horizontal den Bildstreifen führt, also noch mal die Fläche verdoppelt. Wie bei Imax sind die eigentlichen Eindrücke, die man aus den 70mm-Filmen in Erinnerung behält, diese ganz spektakulären Kompositionen, diese unglaubliche Brillanz der Bilder. Trotzdem kann man nicht sagen, dass die Filme ausschließlich auf diese Schauwerte gesetzt haben. Es ist ja ein Erzählkino, es ist ein Kino, das einem großen Publikum mehr bieten musste als nur große Bilder, nur spektakuläre Bilder. Das heißt, es ist auch oft ein Genrefilm. Es gab Western, die auf 70mm gedreht wurden. Es gab gelegentlich Dokumentarfilme, die auf 70mm gedreht wurden. Was man feststellen kann, es gibt bestimmte Genres, die sich besonders oft für 70mm angeboten haben. Namentlich der Antikfilm und das Musical, und sonst gibt es aus vielen anderen Genres auch 70mm-Filmbeispiele.
Das Interview führte Jochen Kürten. Das Gespräch in voller Länge können Sie auch hören. Einfach unten anklicken.