Kinoerlebnis: 14. Festival des deutschen Films Ludwigshafen
Jochen Kürten
24. August 2018
Das Filmfestival in Ludwigshafen hat sich innerhalb weniger Jahre zu einem der zugkräftigsten in Deutschland entwickelt. Dabei setzt das Festival nicht nur auf deutsche Filme. Wir stellen Ihnen 10 Kino-Highlights vor.
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Blick über die Grenzen: 14. Festival des Deutschen Films in Ludwigshafen
Filmfestivals sind "wichtige kultische Feiertage der Kunst des Kinos", sagt Festivaldirektor Michael Kötz. Und so präsentiert das Festival, das Jahr für Jahr mehr Zuschauer anzieht, inzwischen auch Filme aus dem Ausland.
Eine Ärztin allein auf einem Segeltörn, konfrontiert mit der Natur und einer schicksalhaften Entscheidung. Der Kinofilm "Styx" feierte auf der Berlinale Premiere. Im September kommt der Film über Verantwortung und Hilfsbereitschaft in die Kinos - in Ludwigshafen ist er vorab auf großer Leinwand zu sehen. Solche Filme kommen auf Festivals groß raus, im Kinoalltag gehen sie trotzdem manchmal unter.
Bild: Benedict Neuenfels
Deutsche Geschichte: "Der Hauptmann"
Auch ein Film wie "Der Hauptmann" des deutschen Regisseurs Robert Schwentke feierte 2017 internationale Premiere im kanadischen Toronto, lief dann aber nur vor kleinem Publikum in Deutschland. Schwentkes Film ist einer der herausragenden Beiträge des deutschen Kinos zum Thema Nationalsozialismus - aufwühlend und mutig in seinen Aussagen. Und in Ludwigshafen nominiert für den Filmkunstpreis.
Bild: picture alliance/dpa/Weltkino Filmverleih/Julia M. Müller
Blick in die Zukunft: "In my Room"
Ebenfalls zum Filmfestival in Toronto 2018 (6.9. - 16.9.) wurde "In my Room" von Ulrich Köhler eingeladen. Zuvor kommen die Besucher des Festivals in Ludwigshafen in den Genuss, Köhlers filmische Dystopie - dem Gegenteil von Utopie - zu sehen. Hans Löw spielt einen Mann, der urplötzlich allein auf der Welt ist. Deutscher Kinostart für diese überaus originelle Filmparabel ist November 2018.
Bild: U. Köhler
Formal eigenwillig: "Teheran Tabu"
Traditionelle Filmfestivals haben in Zeiten der Dominanz amerikanischer Blockbustern eine wichtige Funktion im Kulturleben. Sie zeigen Produktionen unbekannter Kino-Nationen und Filme über Themen, die in manchen Ländern Tabu sind. "Teheran Tabu" (2016) ist so ein Film: Ein Animationsfilm von Regisseur Ali Soozandeh, der formal eigenwillig von den Sehnsüchten und Träumen junger Iraner erzählt.
Bild: Coop99 Filmproduktion
Preis I: Hans Weingartner
Festivals haben auch die Funktion, Filmschaffende mit Preisen auszuzeichnen. Regisseur Hans Weingartner bekommt den erstmals verliehenen "Regiepreis Ludwigshafen". Bekannt wurde Weingartner 2001 mit "Das weiße Rauschen". Ludwigshafen zeigt auch seinen neuen Film "303", sowie sein Gesamtwerk. So können die Zuschauer Zugang zu seinem vielseitigen Filmschaffen bekommen.
Bild: Central Film Verleih GmbH
Preis II: Iris Berben
Eine politisch engagierte Schauspielerin wird in Ludwigshafen geehrt: Iris Berben (68) bekommt den Schauspielerpreis. Im deutschen Kino ist sie eine Institution - weil sie auf unzählige Rollen in TV und Film zurückblicken kann, und auch weil sie seit 2010 als Präsidentin der Deutschen Filmakademie Akzente setzt. Ihr neuer Film "Hanne", Regie Dominik Graf, ist für den Medienkunstpreis nominiert.
Bild: picture alliance /dpa/J. Kalaene
Blick über die Landesgrenzen: "Ava"
"In der aktuellen Debatte um 'Fremdenfeindlichkeit' spielt die Unkenntnis um das Fremde eine große Rolle", heißt es vom Festival. Erstmals wurde deshalb eine internationale Reihe ins Programm gehievt. Filme, die sich mit dem "Fremden" auseinandersetzen und in einigen Wochen in den Kinos starten, werden in Ludwigshafen vorab aufgeführt. Die herausragende Produktion "Ava" aus Frankreich gehört dazu.
Bild: eksystent distribution filmverleih
Ferne Welten: "Nanouk"
Auch dieser Film gehört zur Auswahl internationaler Filme. Wo hat man schon einmal die Möglichkeit, den Film eines bulgarischen Regisseurs, der in der Eiswüste Jakutiens spielt - im Nordosten des asiatischen Teils Russlands - auf großer Leinwand zu sehen? "Nanouk" erzählt vom kargen Leben eines Eisfischers und seiner Frau. Beim sommerlichen Festival in Ludwigshafen eine kühle Filmüberraschung.
Bild: Neue Visionen Filmverleih
Blick zurück auf deutsche Filmexperimente
"Vielleicht wird man irgendwann in Zukunft, Filme einfach daheim haben und sie so oft man mag abspielen von einer Scheibe", sagte Werner Herzog vor 25 Jahren. Die Dokumentation "Der Film verlässt das Kino: Vom Kübelkind-Experiment und anderen Utopien" thematisiert Zukunftsvisionen deutscher Regisseure. Der Titel bezieht sich auf 25 Kurzfilme von Edgar Reitz (Bild) und Ulla Stöckl von 1969/70.
Bild: Imago/teutopress
Unter freiem Himmel: "Das Leben ist ein Fest"
Festivals können auch und vor allem mit einem prunken: einer großen Leinwand und dem Gemeinschaftsgefühl. Eine Aufgabe, die sich Festivalmacher in Zeiten, in denen viele Filme nur noch auf ihrem Smartphone gucken, sehr zu Herzen nehmen. Die Open-Air-Reihe in Ludwigshafen zeigt Perlen des aktuellen Filmschaffens, wie die wunderbare französische Komödie "Das Leben ist ein Fest".
Die Kulturlandschaft ist im Wandel. Das betrifft vor allem auch das Kino. Seit ein paar Jahren lässt sich ein Trend beobachten, dessen Ende noch nicht abzusehen ist: Filmfestivals erobern neue Bedeutungsräume.
Früher waren sie eine Leistungsschau der künstlerischen Kinoproduktionen. Das schlug sich in Einladungen zu Internationalen Wettbewerben und Preisen nieder.
Prüfstand für ökonomischen Wert von Filmen
Festivals sorgten auch für eine "fachlich-kritische Diskussion über neue Filmwerke", wie Michael Kötz, Leiter des Festivals des deutschen Films in Ludwigshafen, erläutert. Außerdem, so Kötz, "hatten sie dabei stets eine weitere Aufgabe, die in den letzten zwei, drei Jahrzehnten immer wichtiger wurde: nämlich den ökonomischen Wert der neuen Filmware festzulegen."
Dies gelte inzwischen aber nur noch "für etwa 20 der rund 2.000 Filmfestivals weltweit", so Kötz: "Die anderen haben längst eine ganz andere Funktion. Auch wenn das nicht jeder zugeben will."
Heute sind Festivals dafür da, Filme zu zeigen, die anderswo gar nicht mehr oder nur noch selten im Kino zu sehen sind. Entweder, weil sie keine Verleiher mehr finden - oder auch, weil sie im alltäglichen Kino-Alltag durch die enorme Präsenz von Hollywood-Blockbustern an den Rand gedrängt werden.
Gemeinschaftserlebnis Kino
Deshalb beweisen Festivals, so der langjährige Direktor des Festivals in Ludwigshafen, eine "Attraktivität des Ortes Kino und die überragende Qualität einer intensiven Filmerfahrung, die nur dort möglich ist."
Bei Festivals kämen "Menschen zusammen, um in großer Zahl zugleich aus einem einzigen Fenster hinaus in die Welt zu sehen, tief begeistert und betroffen von dem, was sie gemeinsam erleben."
So seien "Publikumsfestivals (…) auch keine ökonomische Konkurrenz zum gewöhnlichen Kinobesuch, sondern eine temporäre und nachhaltige festliche Werbung für den Erlebnisort Kino."
Ludwigshafen hat sich diese Erkenntnis, wie andere Festivals auch, in den letzten Jahren zunutze gemacht. Auf einer Insel im Rhein ist ein attraktives Filmfestival entstanden, dass zwar noch den Titel "Festival des deutschen Films" trägt, aber seit 2018 auch internationale Filmproduktionen zeigt.
Mit diesem Konzept haben Kötz und sein Team mittlerweile großen Erfolg. Mit rund 100.000 Besuchern ist das Festival - eigenen Angaben zufolge - nach der Berlinale die inzwischen die meistbesuchte Veranstaltung dieser Art in Deutschland.