Kinshasa versinkt im Müll
28. November 2018Reges Treiben vor dem Hauptbahnhof von Kinshasa: Wer hier vorbeikommt muss sich seinen Weg durch Berge von Unrat bahnen. Vorbeifahrende Fahrzeuge wirbeln Plastik und Papiertüten auf. Hier, wie an anderen zentralen Plätzen, scheint die Stadt buchstäblich im Müll zu versinken. Eine alltägliche Qual, der die "Kinois" - die Einwohner Kinshasas - permanent ausgesetzt sind.
Eine erste Straßenumfrage am Bahnhofsvorplatz ergibt ein eindeutiges Bild: Viele Menschen sind von dem Müllproblem regelrecht angewidert: "Der Müll ekelt mich an. Es wird von Jahr zu Jahr schlimmer. Unser einstmals so schönes Kinshasa ist zu einem großen Drecksloch verkommen", sagt eine Frau zur DW. Und eine andere fügt hinzu: "Wir Kongolesen verachten offensichtlich unser Land, sonst würden wir es nicht zulassen, dass unsere Städte derart im Unrat versinken."
Gesundheitsrisiken in den Armenvierteln
Auch Jules Mulimbi, bei der Stadtverwaltung von Kinshasa für Umwelt und nachhaltige Entwicklung zuständig, macht sich Sorgen um die Lebensqualität in der Hauptstadt: "Für mich ist eine gesunde Umwelt ein ganz elementares Menschenrecht", sagt er der DW. Leider werde dieses Recht im Kongo kaum respektiert. Das Problem sei nicht nur die völlig ineffiziente Müllentsorgung. Auch das Verhalten der Einwohner trage zum Problem bei: "Die Lösung beginnt bei jedem einzelnen Bürger, bei jeder einzelnen Familie. Wenn jeder den Müll vor seiner eigenen Haustür entsorgen würde, hätten wir einen Teil des Problems bereits gelöst", so Mulimbi.
Früher galt Kinshasa als schöne Stadt: "Kinshasa, die Kokette", hieß es. Heute steht Kinshasa vor allem für eins: Müll. "Das Müllproblem birgt auch großes Gesundheitsrisiko", meint Jeanne, eine junge Kinoise. Sie beschreibt die Lage in ihrem Wohnviertel so: "Die meisten Dachrinnen sind mit Plastikbeuteln und Plastikflaschen verstopft. Das Wasser fließt nicht ab, wenn es regnet. Während der Regenzeit sind die meisten Armenviertel überflutet."
Im Pakajuma-Viertel, etwa drei Kilometer vom Hauptbahnhof entfernt, sieht man überall Müllberge. Mittendrin Babys, Kinder und auch viele Tiere - darunter Schweine auf der Suche nach Nahrung. Abwasser fließt die Hügel herunter. Es ist heiß und der übelriechende Geruch ist an der Grenze des Erträglichen. Latrinen gelten hier als Luxus.
Megacity ohne Müllmanagement
"Sehen Sie nur, wie die Menschen hier leben! Kein Wunder, dass es so viele Cholera-Fälle in dieser Gegend gibt", sagt Mimi Mututu, stellvertretende Koordinatorin der Nichtregierungsorganisation "Logos Premier", die an der Sanierung des Viertels mitarbeitet. "Die Leute benutzen schmutziges Wasser, um sich zu waschen, es zu trinken, oder um zu kochen."
Abfälle entsorgen die Menschen hier auf ihre eigene Weise: Auf der Straße - was eine echte Gefahr für ihre Gesundheit darstelle, sagt Mimi Mututu: "Die Leute leben hier in einer Umgebung, die nicht sauber und nicht gesund ist. Entsprechend gibt es hier viele Malariafälle, Thyphus, Cholera und andere Krankheiten."
Kinshasa wächst rasant und ist bereits heute - nach Kairo und Lagos - die drittgrößte Stadt Afrikas. Die schätzungsweise über 17 Millionen Einwohner produzieren täglich an die 9.000 Tonnen Müll. Gigantische Dimensionen für eine Stadt, in der professionelles Müllmanagement noch immer ein Fremdwort ist. Bis 2015 unterstützte die EU das Abfallbewirtschaftungsprogramm von Kinshasa, doch die Hilfen wurden eingestellt. Konsequenz. Das Müllproblem verschärfte sich spürbar.
Die Lösung liegt auf der Hand: Die überall in den Armenvierteln fließenden Abwässer sollten kanalisiert, der Müll gesammelt und in richtigen Deponien kompostiert, verbrannt oder für eine Wiederverwertung aufbereitet werden. Dabei könnte sich die Verwertung von wertvollen Rohstoffen sogar zu einem lohnenden Geschäftsmodell entwickeln, sagt Jules Mulimbi, Experte für nachhaltige Entwicklung in Kinshasa. "Tatsächlich ist die Verarbeitung und Wiederverwertung des Mülls eine große Herausforderung für unsere Behörde. Das Problem kann man jedoch nicht nur lokal lösen, es muss dabei auch eine Zusammenarbeit mit den Provinzen geben."
Ähnlich sieht es Mimi Mututu von der Nichtregierungsorganisation "Logos Premier": "Der Müll ist nicht wertlos. Im Gegenteil: er enthält wertvolle Rohstoffe, die wiederverwertet werden könnten. Unsere Regierung sollte alles tun, um den Wert des Mülls zu erkennen und ihn zu nutzen. Früher wurde fast ausschließlich Eisen getrennt und wiederverwertet. Aber wir arbeiten jetzt zunehmend daran, auch Hartplastik zu trennen. Ich denke, dass wir diesen Kampf gewinnen werden. Wir müssen die Bevölkerung sensibilisieren. Und zuallererst müssen wir die Menschen über die Gefahren des Müllproblems aufklären."
Die Behörden schätzen, dass 12 Millionen US-Dollar pro Monat nötig wären, um mit der Situation fertig zu werden. Ein kolossaler Betrag, den sie durch neue Steuern finanzieren wollen. Doch bis dahin werden viele Kinois weiterhin den Gesundheitsgefahren ausgesetzt sein.
Dieser Artikel ist der dritte Teil unserer Reportagereihe zum Kongo vor den Wahlen. Weitere Beiträge finden Sie unter unten stehendem Link.