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Kirchenaustritte in Limburg gestiegen

Annabelle Steffes18. Juli 2014

Seit Jahren treten immer mehr Menschen aus der Kirche aus. An diesem Freitag wurden die Zahlen für 2013 bekanntgegeben. Allein in Limburg sind es 80 Prozent mehr als 2012. Auswirkungen des sogenannten"Tebartz-Effekts"?

Der Zankapfel Limburger Dom
Bild: DW/A. Steffes

Die Passantin auf dem Limburger Domplatz erzählt: "Aus der Kirche bin ich schon kurz vor dem Fall Tebartz ausgetreten. Die Gründe für den Austritt waren die Unvereinbarkeit der Dogmen mit der Lebenswirklichkeit." Ute Hallaschka lebt im Limburger Umland und hat die Ereignisse rund um die finanziellen Verstrickungen des ehemaligen Bischofs aufmerksam verfolgt. Sie sieht einen Zusammenhang zu den gestiegenen Austrittszahlen.

Seit Anfang der 1990er Jahre wenden sich immer mehr Menschen von den beiden großen Kirchen ab. Die Gründe für die Austritte sind vielfältig. Manche wollen einfach die Kirchensteuer sparen, andere empfinden die Kirche als nicht mehr zeitgemäß, wieder andere haben längst den Kontakt verloren. Aus der katholischen Kirche traten im Jahr 2010 besonders viele Gläubige aus.Es war das Jahr, in dem ein sexueller Missbrauchsfall nach dem anderen ans Licht kam und seitens der Kirchenverantwortlichen zunächst eher betretenes Schweigen zu den Skandalen vorherrschte. Seitdem wurden von der katholischen Deutschen Bischofskonferenz jedoch Maßnahmen ergriffen - der Runde Tisch einberufen, der Missbrauchsbeauftragte eingesetzt, Aufklärung vorangetrieben. Doch viele Katholiken hatten genug von ihrer Kirche.

Sexueller Missbrauch - Vertrauen verspieltBild: Fotolia/Gerhard Seybert

Die Causa Tebartz- van Elst

2013 dann der Fall des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elts: Als Lügen- und Luxus-Bischof lieferte er Schlagzeilen. Kirchengelder für Erste-Klasse-Flüge nach Indien und deutlich mehr als 30 Millionen Euro für den Bau seines Amts- und Wohnsitzes der ursprünglich mit fünf Millionen Euro veranschlagt war – das bleibt im Gedächtnis des Kirchenvolks hängen. Papst Franziskus zog daraus die Konsequenz: Am 23. Oktober 2013 entband der Heilige Stuhl Bischof Tebartz-van Elst von der Leitung seines Bistums. Ist die neue Austrittswelle, eine Reaktion der Gläubigen auf das Verhalten des ehemaligen Limburger Bischofs?

Bischof Tebartz-van ElstBild: picture-alliance/dpa

Am Freitag (18.07.) gab die katholische Deutsche Bischofskonferenz die Kirchenaustrittszahlen für das Jahr 2013 bekannt. Demnach haben fast 180.000 Katholiken ihre Kirche verlassen. Im Durchschnitt aller Diözesen ist das ein Plus von 50 Prozent gegenüber dem Jahr 2012. Im Bistum Limburg stiegen die Austritte sogar um 80 Prozent. In Zahlen sind das 7980 ausgetretene Christen, 3527 Personen mehr als 2012.

Negativ-Effekte

"Wir kennen letztendlich die Gründe nicht, warum jemand aus der Kirche austritt", sagt Stephan Schnelle, Pressesprecher des Bistums Limburg. Den Kirchenaustritt nimmt man in Deutschland nicht etwa bei der Kirche sondern beim jeweiligen Amtsgericht vor. Begründen muss man ihn zwar nicht, im vergangenen Jahr haben es dennoch viele Menschen gemacht: "Gerade hier in Limburg und Umgebung waren die Schlagzeilen um Bischof Tebartz-van Elst, um den Bau, die Badewanne und den BMW schon ein Thema", so Stephan Schnelle.

Exodus - Fast 180.000 Katholiken haben 2013 die deutschen Bistümer verlassenBild: picture-alliance/dpa

Albert Dexelmann ist Pfarrer in Runkel an der Lahn und in Arfurt im Limburger Umland. Nach seiner Erfahrung sei der Kirchenaustritt die einzige Möglichkeit gewesen, ein Feedback zu den Ereignissen in Limburg zu geben. "Die richtige Reaktion der Kirchenvertreter hätte sein müssen, zu sagen: 'Es ist bei uns angekommen und wir bemühen uns jetzt darum, dass wir aufarbeiten.' Und das ist leider nicht geschehen."

Bereits 2010, bei der ersten großen Austrittswelle, hatte der engagierte Pfarrer mehrere Anläufe unternommen, um gemeinsam als Kirche gezielt auf die Ausgetretenen zuzugehen. Er wollte erfahren, was sie bewegt und wie man das zerstörte Vertrauen wieder herstellen kann. Doch seitens vieler seiner Kollegen wurde er ausgebremst: "Ich habe nur Vertröstungen gehört. Das heißt die Kirche kümmert sich um die 99 Prozent der Schafe, die da sind und das eine Prozent verlorener Schafe ist ihr scheißegal."

Mehr Transparenz gefordert

Drei Jahre nach der ersten Austrittswelle lässt sich heute schwerlich von nur einem Prozent verlorener Schafe sprechen. Das hat man auch in der Diözese Limburg verstanden. Dort möchten die Verantwortlichen nun konkrete Schritte einleiten, um Transparenz und Vertrauen wieder herzustellen. An diesem Freitag legte das Bistum daher sein Vermögen und seine finanziellen Verpflichtungen offen. Allerdings ließ es die angekündigten Zahlen des bischöflichen Stuhls kurzentschlossen erst mal in der Schublade.

Auch die evangelische Kirche betroffen

Doch auch die evangelische Kirche hatte in den vergangenen Monaten unter den katholischen Limburger Verhältnissen zu leiden. Im Oktober 2013 etwa, dem Monat, als Tebartz-van Elst zurücktrat, waren die Austritte evangelischer Mitglieder vielerorts doppelt so hoch wie noch einen Monat zuvor. Hans Altenhofen ist seit über 30 Jahren Sozialarbeiter und Leiter der Jugend-Freizeitstätte der evangelischen Kirche in der Lahn-Statdt. Seiner Erfahrung nach sind Limburgs Katholiken und Evangelische gleichermaßen verunsichert und erschüttert: "Die letzte Erschütterung gab es, als klar wurde, dass das Vermögen einer für Wohnungsbau vorgesehenen Stiftung aufgelöst wurde und auch noch in den Bau des diözesanen Zentrums gesteckt wurde."

Schluss mit Limburger Beschaulichkeit?Bild: DW/A. Steffes

So vielfältig die Gründe für einen Kirchenaustritt insgesamt auch sein mögen – in Limburg liegen sie für jeden ersichtlich auf der Straße.

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