Kirchner nun doch überzeugt: "Es war kein Selbstmord"
22. Januar 2015"Der Selbstmord war kein Selbstmord", erklärte Argentiniens Staatspräsidentin in einer längeren Nachricht, die sie am Donnerstagmorgen per Twitter veröffentlichte. Das ist die jüngste Entwicklung in einem Politthriller, der der argentinischen Regierung mehr und mehr zusetzt.
Er begann vergangene Woche: Der argentinische Staatsanwalt Alberto Nisman hatte Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner und Außenminister Héctor Timerman zu einer Anhörung vorgeladen. Sie stünden im Verdacht, die Aufklärung eines Attentats auf die jüdische Gemeinde Amia in Buenos Aires im Jahre 1994 vorsätzlich zu behindern. Nisman ermittelte seit 2004 als Sonderstaatsanwalt zu dem bis heute nicht aufgeklärten Anschlag, bei dem seinerzeit 85 Menschenleben getötet wurden.
Wenige Tage später, am Montag, war Nisman tot in seinem Apartment in der argentinischen Hauptstadt aufgefunden worden: Getötet durch einen Schuss in die Schläfe, eine Pistole in der Hand.
Zweifel an Selbstmord
Drei Tage lang ging die Regierung offiziell von einem Selbstmord aus. In einem ersten öffentlichen Brief bedauerte Kirchner den Suizid und spekulierte, was den Staatsanwalt und Vater dazu wohl getrieben haben könnte.
Doch die Ermittlungen schürten immer mehr Zweifel an dieser Version: Es gab keine Schmauchspuren an Nismans Hand, seine Wohnungstür war unverschlossen und Kollegen sagten aus, sie hätten ihn in den Tagen vor seinem Tod ängstlich erlebt. Ein kleiner Angestellter der Staatsanwaltschaft mit einem riesigen Gehalt wollte Nisman die Waffe, durch deren Kugel er gestorben war, ausgehändigt haben.
Komplette Kehrtwende
Am Morgen des vierten Tages dann die 180-Grad-Wende der Präsidentin: Sie sei nun überzeugt, dass Nismans Tod kein Selbstmord war, schreibt sie in ihrem zweiten Brief zum Fall des Staatswanwalts an die Argentinier.
Darin führt sie einen Bericht der englischsprachigen Tageszeitung "Buenos Aires Herald" an. Die schreibt, Nismans Vorwürfe gegen die Regierung enthielten keineswegs neue Enthüllungen und seien darum ungeeignet, etwaige Verschwörungen zu beweisen.
Diese Argumentation übernimmt Kirchner jetzt selbst und setzt hinzu, aus Nismans am Dienstag veröffentlichter Anklageschrift gehe außerdem hervor, dass er viele Fehlschlüsse gezogen habe. Um die Regierung aus der Schusslinie zu bringen, behauptet sie, der Sonderermittler sei Opfer eines Komplotts: Erst sei er gegen die Regierung benutzt worden, indem er die Präsidentin, ihren Außenminister und den Generalsekretär der Regierungspartei angeklagt habe - nun sei er aus dem Weg geräumt worden.
Trotz vieler offener Fragen kommt Kirchner zu dem Schluss: "Die wahre Operation gegen die Regierung war der Tod des Staatsanwalts."
Schleppende Staatskrise
Diese Erklärung kommt nun, "nachdem die Justiz den Selbstmord nicht beweisen konnte und die Regierung bemerkt hat, dass diese Theorie nur das Unbehagen in der Bevölkerung vergrößert", schreibt die argentinische Tageszeitung "El Clarín".
Als Reaktion auf Nismans Tod hatten Tausende Argentinier gegen die Regierung protestiert. Mit dem Hashtag "#Je suis Nisman" erklärten sie ihre Solidarität mit dem mutmaßlich ermordeten Ermittler.
Viele Argentinier fühlen sich von ihrer Regierung hintergangen und betrogen. Sie werfen den Machthabern Korruption, Vetternwirtschaft und Misswirtschaft vor. Die anhaltende Wirtschaftskrise schreiben sie unter anderem der jahrelangen Klientelpolitik des Kirchner-Clans zu, der - zunächst unter Cristinas verstorbenem Ehemann Nestor Kirchner - seit 2003 in Buenos Aires regiert.