Frau aus Afrika an der Spitze: IOC wählt Kirsty Coventry
20. März 2025
Kirsty Coventry schreibt Sportgeschichte. Bei der Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) wurde die frühere Topschwimmerin aus Simbabwe überraschend bereits im ersten Wahlgang mit der erforderlichen absoluten Mehrheit der Stimmen zur IOC-Präsidentin und damit Nachfolgerin von Thomas Bach gewählt.
Sie galt als Wunschkandidatin des Deutschen, der am 23. Juni nach knapp zwölf Jahren aus dem höchsten Amt im Weltsport ausscheidet und dann IOC-Ehrenpräsident auf Lebenszeit wird. Coventry erhielt 49 der 97 Stimmen und lag damit deutlich vor dem Spanier Juan Antonio Samaranch junior (28 Stimmen) und dem Briten Sebastian Coe (8) auf den Plätzen zwei und drei.
"Es fühlt sich an wie damals 2004, als ich meine erste olympische Goldmedaille gewann. Ein bisschen surreal", sagte Coventry, die zunächst bis 2033 gewählt ist. Anschließend sind im Falle einer Wiederwahl vier weitere Jahre möglich.
Coventry ist die erste Frau an der Spitze der olympischen Dach-Organisation. Erstmals steht mit ihr zudem jemand aus Afrika ganz oben in der Hierarchie des IOC. "Das ist ein starkes Signal", so Coventry, "ein globales Signal, dass wir uns zu einer Organisation entwickelt haben, die wirklich offen für Diversität ist."
Coventry ist die zweitjüngste unter den IOC-Chefs - nach dem Franzosen Pierre de Coubertin, dem Gründungsvater der Olympischen Spiele der Neuzeit.
Coubertin rief 1894 das IOC ins Leben und übernahm zwei Jahre später mit 33 Jahren den Präsidentenposten.
Für sie seien alle diese Aspekte zweitrangig, sagte Coventry im Januar, als sie sich mit sechs weiteren Kandidaten den IOC-Mitgliedern vorstellte. "Ich möchte, dass die Menschen an mich glauben. Und ich möchte, dass die Menschen darauf vertrauen, dass ich die Richtige bin, um unsere Organisation zu führen."
Erfolgreichste Medaillensammlerin Afrikas bei Olympia
Die 41 Jahre alte frühere Weltklasseschwimmerin aus Simbabwe hatte schon als Kind einen starken Willen - und Visionen. "Als ich neun Jahre alt war, sagte ich meinem Vater, dass ich zu den Olympischen Spielen fahren und Gold gewinnen will", erinnerte sich Coventry auf Facebook. "Er sagte mir, dass es ein harter Weg würde. Er erklärte mir, wie schwierig es sei, es in die Olympiamannschaft zu schaffen, geschweige denn eine Medaille zu gewinnen. Aber er glaubte an mich."
Mit 20 Jahren erfüllte sie sich ihren Traum. Bei den Spielen 2004 in Athen wurde Coventry Olympiasiegerin über 200 Meter Rücken. Vier Jahre später, 2008 in Peking, wiederholte sie ihren Erfolg. Neben zweimal Gold sammelte sie vier olympische Silbermedaillen und einmal Bronze.
Gemessen an der Medaillenzahl ist Coventry damit die erfolgreichste Olympionikin Afrikas aller Zeiten. Nimmt man die Zahl der Olympiasiege als Grundlage, liegt nur Langstreckenläuferin Tirunesh Dibaba aus Äthiopien mit dreimal Gold (und zweimal Bronze) vor ihr.
Simbabwe durch ihren sportlichen Erfolg geeint
"Ich habe an fünf Olympischen Spielen teilgenommen, sieben olympische Einzelmedaillen gewonnen, mehrere Weltrekorde aufgestellt und eine der besten Weltmeisterschaftskarrieren aller Zeiten hingelegt", schreibt Coventry über sich auf der Plattform LinkedIn. "Nichts davon ist jedoch so wichtig wie das, was dieser Erfolg für andere getan hat und tun kann: Er hat mein Land geeint, das durch wirtschaftliche und politische Unruhen gespalten war. Und er hat Menschen Hoffnung gegeben, die dachten, dass ihre Lebensumstände sie daran hindern, ihre Träume zu verwirklichen."
Noch während ihrer aktiven Zeit als Schwimmerin wurde Coventry 2013 in die IOC-Athletenkommission gewählt. Acht Jahre lang, davon drei Jahre als Vorsitzende, vertrat sie die Interessen der Aktiven. Zuletzt war sie Mitglied des Executive Board. Das höchste Gremiums des IOC entscheidet unter anderem darüber, welche Städte sich um Olympische Spiele bewerben dürfen.
Erste Olympische Spiele in Afrika?
Die Wahl der Funktionärin aus Simbabwe zur IOC-Präsidentin weckt in Afrika Hoffnungen darauf, dass der wichtigste Sportwettbewerb der Welt erstmals auf diesem Kontinent ausgetragen werden könnte. Coventry bremste jedoch zu hohe Erwartungen. Zwar hätten Staaten wie Südafrika und Ägypten ihr Interesse bekundet, doch sie müssten die "Größenordnung Olympischer Spiele in vollem Umfang verstehen".
Die Staaten Afrikas, so Coventry in einer Fragerunde des Weltverbands der Sportjournalisten (AIPS), sollten "strategisch überlegen, wie wir durch die All Africa Games [Afrikaspiele, die alle vier Jahre ausgetragen werden - Anm. d. Red.] unsere Infrastruktur entwickeln können, die dann für eine Olympiabewerbung genutzt werden kann."
Wie zäh solche politischen Prozesse sein können, weiß Coventry aus eigener Erfahrung. Seit 2018 ist sie Sportministerin Simbabwes und in dieser Rolle in ihrer Heimat nicht unumstritten. Sie habe gelernt, sich auch gegen Widerstände durchzusetzen, und habe jetzt "definitiv ein dickeres Fell als früher als Athletin", sagt Coventry. Das helfe ihr auch im IOC.
Man müsse sich stets von den eigenen Werten leiten lassen. "Die Entscheidungen, die du dann triffst, sind vielleicht nicht immer populär. Aber in der Regel sind es die richtigen Entscheidungen, wenn sie eben nicht populär sind."
Vorsichtige Äußerungen zu Reizthemen
Das könnte auch beim sportpolitischen Reizthema Transgender der Fall sein. Ob sie Transfrauen in Frauenwettbewerben starten lassen wolle, wurde Coventry gefragt. Sie reagierte ausweichend. Es sei "zu 100 Prozent nötig, eine Lösung zu finden", antwortete Coventry. Die internationalen Verbände hätten bereits eine Menge Arbeit geleistet, um die weibliche Kategorie in ihren Sportarten zu schützen. "Ich denke, dass wir dabei als IOC eine etwas stärkere Führungsrolle übernehmen müssen."
Auch bei einem weiteren heißen Eisen, dem Startrecht russischer und belarussischer Aktiver bei Olympia, vermied die Funktionärin aus Simbabwe, sich vor der IOC-Wahl zu weit aus dem Fenster zu lehnen. "Ich denke, es ist zuallererst unsere Pflicht als IOC, dafür zu sorgen, dass alle Sportler an den Spielen teilnehmen können", sagte Coventry. "Das wird bei einer Reihe von Athleten unterschiedlich aussehen. Aber letztendlich glaube ich, dass wir einen ganzheitlichen Weg finden müssen, traurigerweise auch mit Athleten aus Konfliktgebieten umzugehen."
Während ihrer aktiven Zeit als Schwimmerin habe es auch in Simbabwe Unruhen gegeben. "Es wäre für die internationale Gemeinschaft sehr einfach gewesen, uns die Teilnahme [an internationalen Wettbewerben - Anm. d. Red.] zu verweigern", so Coventry. "Ich frage mich: Wie würde mein Leben heute aussehen? Ich bin dankbar, dass ich nicht für das verantwortlich gemacht wurde, was die Anführer und Regierungen damals taten."
"Viel Arbeit bis zur Gleichstellung der Geschlechter im Sport"
Kirsty Coventry ist nicht nur Sportfunktionärin und Politikerin, sondern auch Mutter. Vor nicht einmal einem halben Jahr brachte sie ihre zweite Tochter zur Welt. Ihre Älteste ist sechs Jahre alt.
"Als sie ein Jahr alt wurde, war sie bereits in zehn verschiedenen Ländern überall in der Welt gewesen", erzählt Coventry. "Ich habe ein unglaubliches Netzwerk der Unterstützung durch meinen Mann und meine Familie. Für uns ist das eine ganz normale Lebensweise. Ich denke, es ist ein guter Weg, um zu zeigen, dass Frauen genauso leistungsfähig sind wie Männer, auch wenn von uns erwartet wird, dass wir Vollzeit-Mütter, Ehefrauen, Töchter etc. sind."
Auch im Sport sei es noch ein weiter Weg bis zur Gleichstellung der Geschlechter. "Wir haben noch viel Arbeit vor uns und ich freue mich darauf, diese Bewegung anzuführen", so Coventry. "Frauen sind bereit, die Führung zu übernehmen. Ich sehe es als Chance, Grenzen zu überwinden - damit meine beiden Töchter, wenn sie erwachsen sind, nicht mehr vor denselben Grenzen stehen."
Der Artikel wurde nach der Wahl Coventrys zur IOC-Chefin am 20. März 2025 aktualisiert.