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Kita im Container

Karin Jäger1. August 2013

Seit 1. August haben Kleinkinder in Deutschland einen gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz. Viele Kommunen standen bis zuletzt unter Druck, Kitas ausbauen und Erzieher einstellen zu müssen.

Außenaufnahme von einer Kita, die in einem Container untergebracht ist (Foto: Franziska Kraufmann/dpa)
Deutschland Kita im ContainerBild: picture-alliance/dpa

Martin Reichwaldt ist nicht zum Lachen zumute. Er hat Urlaubssperre. Der Verwaltungsfachmann der Gemeinde Weilerswist muss sich um 29 Container kümmern, in denen Kinder betreut werden sollen. Denn ab 1. August 2013 haben schon Einjährige einen gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz und nicht wie bisher Kinder, die drei Jahre und älter sind. Nicht einmal zwei Wochen vor dem Stichtag rollten die Einzel-Module an für den provisorischen Kindergarten auf der fußballfeldgroßen Fläche im Neubaugebiet.

In aller Eile mussten Wasseranschlüsse, Toiletten, Küchen installiert, Wickeltische, Schlafplätze, Tische und Stühle aufgebaut werden. Zuletzt wird Spielzeug verteilt, Rasen gesät und ein Zaun aufgestellt. Denn Eltern, die für ihren Nachwuchs keinen Kita-Platz bekommen, können ihre Stadt, ihr Dorf künftig verklagen.

Der Platz ist da, die Container fehlen nochBild: DW/K.Jäger

Umstrittene Zahlen

Und so wird deutschlandweit bis auf den letzten Drücker gehämmert und gewerkelt, um den Rechtsanspruch annähernd zu erfüllen. Bund, Bundesländer und Kommunen hatten sich bereits 2007 bei einem "Krippengipfel" auf den Ausbau der Betreuungsplätze geeinigt. Doch bis Baugrundstücke genehmigt, Firmen beauftragt und Personal angeworben wurden, vergingen Jahre.

Wie groß der Bedarf ist, wie viele Eltern ihre Kinder wirklich ab 1. August anmelden, weiß bis heute kein einziger Experte. Damit vier von zehn Kleinkindern betreut werden können, hätten laut Statistischem Bundesamt 780.000 neue Plätze geschaffen werden müssen. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) gab zwei Wochen vor dem Stichtag 813.000 Plätze an. Damit wäre das Soll übererfüllt. Doch Kritiker zweifeln an der Zahl.

Erziehung in mehreren Sprachen?

Peter Schlösser, Bürgermeister von Weilerswist, rechnet damit, dass 50 bis 70 Prozent aller Eltern in seiner Gemeinde ihre Kinder betreuen lassen wollen. Der 7500-Einwohner zählende Ort im Rheinland hat eine der größten Zuwachszahlen bei Familien deutschlandweit - und damit einen unkalkulierbaren Bedarf an Betreuungsplätzen zu verzeichnen. Die Gemeinde liegt am Autobahnkreuz Bliesheim, das zwischen Köln und Euskirchen die Autobahnen A1 und A61 verbindet. Im Gewerbegebiet an dem Knotenpunkt entstehen täglich neue Arbeitsplätze. Allein im Logistikzentrum einer Drogeriemarktkette arbeiten 1600 Menschen aus 62 Nationen. Für Peter Schlösser eine positive Entwicklung. Das Gemeindeoberhaupt kann sich sogar vorstellen, die Kindererziehung in mehreren Sprachen anzubieten.

Voll motiviert: Peter Schlösser (li.), Martin Reichwaldt, Heike IvenBild: DW/K. Jäger

Die gebürtige Kubanerin Suset Masson, die mit ihrer Familie ins Neubaugebiet gezogen ist, spricht ausgezeichnet Deutsch. Sobald ihr Sohn Luis die Zusage für die beantragte Ganztagsbetreuung im Kindergarten erhält, möchte sie wieder arbeiten gehen. Zurzeit besucht der Junge nur vormittags die Kita, weil er einen auf drei Stunden täglich befristeten Platz erhalten hat: "Er muss unter Kinder kommen und die deutsche Sprache lernen", findet seine Mutter. In Kuba sei die Kinderbetreuung viel unkomplizierter geregelt: "Da kann man die Kinder schon mit drei Monaten in den Kindergarten schicken, ohne Problem." Suset Masson befürchtet, dass aufgrund des Zuzugs das Kita-Angebot nicht ausreichen wird.

Freuen sich auf die Kita: Suset und Luis MassonBild: DW/K. Jäger

Und Mutter Susanne Möller, die ebenfalls in dem Neubaugebiet lebt, weiß noch nicht, ob Lisa und Lars überhaupt in der der neuen Kita dort einen Platz erhalten. Ihre Kinder besuchen bereits einen Hort, der allerdings weiter weg liegt. Ein rechtlicher Anspruch auf einen Platz bedeutet nicht einen Platz in der bevorzugten Einrichtung. Besonders in Städten müssen Eltern größere Strecken zurücklegen, um ihren Nachwuchs unterzubringen.

Besondere Anforderungen an Erzieherinnen

Immer mehr Kitas, auch in Containern - und wie ist es um das Personal bestellt? Generell fehlen Fachkräfte in Deutschland. Der Kinderschutzbund schätzt den Bedarf bundesweit auf 60.000 Erzieher. Die Organisation befürchtet, dass die Kinderbetreuung darunter leiden könnte. "Die Ausbildung ist gut", findet Heike Iven, Leiterin der Krippe vor Ort. In ihrer Kita hat sie aktuell kein Personalproblem.

Mit ihrem Team sei sie außerdem gut auf die Betreuung der Jüngsten eingestellt. "Wir haben seit fünf Jahren eine Kleinkindgruppe und gute Erfahrungen gemacht", sagt Iven. Die Erzieherinnen hätten zudem eine spezielle Ausbildung für den Umgang mit den Kleinsten absolviert. In den neuen U3-Gruppen werden bis zu zehn Kinder von drei Erzieherinnen oder Kinderkrankenschwestern beaufsichtigt. Insgesamt werden in dem neuen Hort acht Gruppen angeboten.

Bevorzugt kurze Wege zur Kita: Susanne Möller mit Lisa und LarsBild: DW/K. Jäger

Container als Provisorium

Für Bürgermeister Peter Schlösser ist die Betreuungsfrage schon länger Chefsache. Die Container seien natürlich nur eine vorübergehende Lösung, sagt er - und dazu eine kostspielige: Ihre Miete koste die Gemeinde 150.000 Euro. "Wahrscheinlich wäre es uns billiger gekommen, wir hätten die Eltern, die uns möglicherweise verklagen würden, entschädigt, aber wir wollten unserer Verantwortung als Kommune Rechnung tragen", erklärt der Verwaltungschef, warum das Provisorium dennoch angeschafft wurde.

Bis Anfang kommenden Jahres soll der Neubau des Kindergartens abgeschlossen sein. Für seinen Bauamtsleiter Martin Reichwaldt heißt es dann wohl wieder: Urlaubssperre.

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