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Kita-Streik: Eltern im Stress

Sabrina Pabst 8. Mai 2015

Erzieher in Deutschland gehen in den Arbeitskampf, Kindertagesstätten bleiben geschlossen. Die Eltern müssen es ausbaden, doch viele haben Verständnis für den Streik. Zum Beispiel im Kindergarten "Rasselbande" in Bonn.

Kindertagesstätte
Bild: picture-alliance/dpa

Samirs Mutter musste Urlaub nehmen. "Das ist ärgerlich, weil ich sowieso nicht viel Urlaub habe", sagt sie und winkt ihrem Kind auf der Wippe zu. Mit der kleinen Kindergartentasche biegen beide um die Ecke. "Wir haben das Glück, dass die Großeltern in der Nähe wohnen. Jonas wird die Tage zu ihnen gehen", erzählt ein anderer Vater, der seinen Sohn aus dem Kindergarten abholt. "Ich bin in Elternzeit und werde auch einen Freund meines Kindes betreuen. Seine Mutter hat keine Alternativen und damit ist ihr sehr geholfen", zeigt sich die Mutter von Emma optimistisch.

In den kommenden Tagen ist das Organisationstalent der Eltern, die gerade ihre Kinder aus dem Kindergarten "Rasselbande" in Bonn abholen, gefragt. Deutschlandweit müssen hunderttausende Eltern wegen der angekündigten unbefristeten Streiks der Erzieher und Erzieherinnen in kommunalen Einrichtungen derzeit nach alternativen Betreuungsmöglichkeiten suchen. "Das Verständnis für unseren Streik ist bei den Eltern sehr groß", berichtet die Bonner Kindergartenleiterin Hildegard Lützeler der DW. Sie und ihre Kolleginnen wollen in den kommenden zwei Wochen für drei Tage den Kindergarten schließen. Damit die Eltern der etwa 50 Kinder besser planen können, geben Hildegard Lützeler und ihr fünfköpfiges Team die Streiktage so früh wie möglich bekannt.

Lützeler: "Wir brauchen die Unterstützung der Eltern"Bild: DW/S. Pabst

Nachwuchssorgen im Kindergarten

Große Kindergartengruppen, Mehrbelastung wegen unbesetzter Arbeitsstellen, geringes Gehalt bei zunehmenden Aufgaben: "Der Beruf der Erzieherin hat sich komplett verändert", erzählt die Kindergartenleiterin, die sich seit 25 Jahren in ihrem Beruf engagiert. "Bei der hohen Verantwortung, die wir übernehmen, ist es mehr als gerechtfertigt, dass wir mehr Gehalt fordern." Viele Stellen seien wegen der schlechten Bezahlung nicht besetzt. "Es wird zwar in der Gesellschaft viel Wert auf frühkindliche Bildung gelegt, aber keiner will das Geld ausgeben. Jetzt ist es an der Zeit, dass sich etwas verändert."

Die Gewerkschaften hatten Ende April die Tarifverhandlungen für die rund 240.000 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst für gescheitert erklärt. Bei der letzten Urabstimmung einigten sich über 90 Prozent der Mitglieder auf eine Arbeitsniederlegung. Die Gewerkschaften fordern für die Beschäftigten neue Eingruppierungsregeln und Tätigkeitsmerkmale, was letztlich zu zehn Prozent mehr Gehalt führen soll. Kindergartenleiterin Lützeler hofft, dass sich durch den Streik der Druck auf ihren und auch andere kommunale Arbeitgeber erhöht.

Profit für Städte und Gemeinden?

Doch Städte und Gemeinden würden von den Streiks vorrangig profitieren, meint Rechtsanwältin und Mutter Nina Straßner. Auf ihrem Blog "Juramama" schreibt sie über juristische Themen, die für Eltern besonders interessant sind. Während der Streiktage entstünde kein finanzieller Druck auf die Städte und Gemeinden, die die Kindergärten betreiben, da es keine reinen Wirtschaftsunternehmen seien, meint Straßner. "Im Gegenteil: Es wird jeden Tag Geld gespart." An den Streiktagen könnten sie die Löhne der Erzieher und Pfleger einbehalten und gleichzeitig die Gebühren der Eltern für den Betreuungsplatz einziehen. Viele Eltern müssen pro Kind dafür mehrere hundert Euro im Monat zahlen. Schließt der Kindergarten, müssen sie sich um Alternativen kümmern und vielleicht einen Babysitter engagieren. Viel Geld für nicht erbrachte Leistungen, meint Straßner.

Schichten tauschen, Termine verschieben, Urlaub nehmen: Der Kita-Streik bedeutet für Eltern Stress im Beruf. Für sie gehe es um ihre Existenz - vor allem für die Frauen, betont Nina Straßner. Zwar würden sich viele Mütter und Väter während der Streiktage gleichermaßen um die Kinder kümmern, doch meist wären die Mütter in größerer Not. Nach Schwangerschaft und Elternzeit würden sich Frauen in den Arbeitsalltag zurückkämpfen müssen. Nur 13 Prozent von ihnen würden trotz Ganztagsbetreuung der Kinder in ihren alten Job einsteigen oder eine andere adäquate Beschäftigung finden können, sagt Straßner. Eltern müssen sich während der Ferientage, an denen Kindergärten geschlossen sind, ohnehin Urlaub nehmen. Hinzu kommen Arbeitsausfälle, weil der Nachwuchs krank ist. In diesen Momenten sind es oft die Mütter, die dann zu Hause blieben, meint Straßner. Sich dann auch noch wegen eines Kita-Streiks bei dem Arbeitgeber abmelden zu müssen, hätte für die betroffenen Frauen Folgen: Für ihren Arbeitgeber seien sie unzuverlässig.

Der Gruppenraum bleibt an den Streiktagen leerBild: DW/S. Pabst

Doch der Druck des Streiks auf die Arbeitgeber der Erzieher funktioniere nur politisch und über die öffentliche Meinung, meint Hildegard Lützeler: "Erzieherin oder Kinderpflegerin ist der typische Frauenberuf. Wir müssen auf die Straße gehen." Für sie ist es wichtig, dass die Eltern Verständnis für ihre Situation haben. Unterstützung finden Hildegard Lützeler und ihre Kolleginnen seitens der Eltern. Auch die Mutter der kleinen Rosa findet, dass das Team der Bonner "Rasselbande" mit Leib und Seele bei der Arbeit ist. "Wir merken, dass sie ihre Arbeit hier gerne machen. Nur wenn die Erzieherinnen den Frust auch mal ablassen können, können sie hier mit Herz und Verstand ihren Job weitermachen."

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