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"Argentinien hat deutsches Recht vereinbart"

Pablo Kummetz15. Januar 2015

Nicht nur US-Fonds, auch deutsche Anleger haben ihre Forderungen aus argentinischen Staatsanleihen eingeklagt. Ein Fall geht nun vor den BGH. Der Anwalt eines Klägers sieht gute Erfolgsaussichten.

Argentinien - Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner
Bild: picture-alliance/dpa

In zwei Instanzen waren deutsche Investoren mit ihrer Klage gegen den argentinischen Staat bereits erfolgreich. Das Landgericht Frankfurt hatte Argentinien dazu verurteilt hat, trotz eines weitreichenden Schuldenschnitts, den vollen Wert an die klagenden Inhaber zu zahlen. Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte das Urteil bestätigt, nun landet einer der Fälle vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Der Prozess dürfte sich auch auf alle anderen Anleihen Argentiniens auswirken, deren Inhaber sich auf keinen Schuldenschnitt eingelassen haben. Es geht unter anderem um zwei Anleihen mit einem Nominalwert von zusammen 1,5 Milliarden DM zuzüglich den seit 1996 angefallene Zinsen von jährlich mehr als elf Prozent. Anleger scheinen einen Erfolg in letzter Instanz zu erwarten: Seit 2013 ist der Börsenwert der Anleihen von rund zehn auf rund 80 Prozent des Nominalwertes geklettert.

DW: Herr Lenné, die argentinischen Anleihen, von denen die Hedgefonds Aurelius und NML Capital den größten Teil halten, wurden in New York ausgegeben. Deswegen ist im Streitfall ein US-Richter zuständig. Warum ist in diesem Fall deutsches Recht anwendbar?

Guido Lenné: Bei unseren Mandanten liegen ausnahmslos Anleihebedingungen vor, in denen die Geltung deutschen Rechts vereinbart wurde. Daher berufen wir uns auf diese vertragliche Vereinbarung und können in Deutschland mit deutschem Recht klagen. Das ist zunächst einmal eine gute Situation für die deutschen Anleger.

Der anstehende Fall weckt großes Interesse. Handelt es sich um ein Musterverfahren?

Im Februar geht es vor dem BGH um die Klage eines Einzelklägers. Das Besondere an seinem Fall ist, dass Argentinien zwei neue Rechtsgutachten von deutschen Professoren vorgelegt hat. Damit versucht die Verteidigung - vereinfacht gesagt - zu belegen, dass es durch den Umgang mit den vielfältigen Staats- und Finanzkrisen mittlerweile "allgemeine Praxis" ist, dass eine Mehrheit von Gläubigern eine Minderheit gegen deren Willen zur Umschuldung zwingen kann. Diese Praxis soll nun auch hier gelten.

Der Rechtsanwalt Guido Lenné vertritt deutsche Anleger in Prozessen gegen ArgentinienBild: privat

Von einem Musterfall kann man durchaus sprechen, denn es gibt aktuell mehrere Parallelfälle, deren Verfahren gegen Argentinien derzeit ruhen und auf unser Verfahren warten.

Wie bewerten Sie das Gutachten?

Ich führe seit 2007 Verhandlungen in Argentinien-Fällen. Dieses Argument hat früher nie eine Rolle gespielt, aber wegen dieser neuen Verteidigungslinie geht der Fall nun zum BGH.

Richtig ist, dass es heute vielfältigere Erfahrungen mit Staatshaushaltskrisen gibt, als noch vor zehn Jahren. Eine Staatspleite ist für uns Europäer nicht mehr etwas, das nur gelegentlich in "fernen Ländern" vorkommt.

Aber Argentinien hat nun einmal deutsches Recht vereinbart. Und das sieht keine Zwangsumschuldung vor. Es gilt der Grundsatz: Verträge sind zu halten. Außerdem gibt es eine international gängige Klausel, die diese nun reklamierte "allgemeine Praxis" explizit in Anleihebedingungen einschließt. In den argentinischen Anleihebedingungen ist sie jedoch nicht enthalten. Daher halte ich die Rechtsgutachten nicht für überzeugend und erwarte einen Prozesserfolg.

Um welche Beträge geht es insgesamt in Deutschland?

Zur Forderungssumme insgesamt kann ich wenig sagen. Es sind hunderte Verfahren, da wird es um etliche Millionen gehen. Zahlreiche davon haben wir selbst geführt.

Sind die deutschen Anleger, die argentinische Anleihen gekauft haben, organisiert und haben sie Kontakt zu US-amerikanischen Fonds oder einzelnen Anlegern?

Die von uns vertretenen Anleger sind über einige wenige Kanzleien organisiert. Kontakt zu ausländischen Gläubigern haben wir bislang nicht.

Welche Stellung haben die Banken bezogen, die die argentinischen Anleihen vermittelt haben? Wurden Banken wegen falscher Beratung verklagt?

Es gab Klagen wegen Falschberatung. Wir haben solche Fälle wegen Argentinien-Anleihen aber selbst nicht geführt, weil eine Falschberatung bei unseren Mandanten entweder nicht stattgefunden hat oder aber nicht beweisbar gewesen wäre.

Welche Chancen sehen Sie, dass Argentinien tatsächlich die Anleihen zum Nominalwert plus Zinsen zahlt?

Es wird noch dauern, aber letztlich sehe ich gute Chancen. Ein Staat kann es sich nach meiner Einschätzung letztlich nicht leisten, seinen Ruf auf den internationalen Finanzmärkten dauerhaft zu ruinieren.

Sollte der Bundesgerichtshof zugunsten der deutschen Anleger urteilen, welche wären dann die nächsten Schritte?

Zunächst weiter beobachten, in Einzelfällen Zwangsvollstreckungsversuche unternehmen und weiter auf eine Lösung auf dem Verhandlungswege hoffen. Es gab für deutsche Gläubiger, die nicht umschulden wollten, keine Alternative zur Klage, weil ihre Ansprüche sonst nach deutschem Recht verjährt wären. Die Urteile aber sind 30 Jahre lang vollstreckbar.

Rechtsanwalt Guido Lenné, ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht mit Kanzleien in Leverkusen und München.

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