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Klamotten-Notstand

Bernd Riegert24. August 2005

3,4 Millionen BHs, 48 Millionen Pullover, 17 Millionen Hosen und einige Millionen T-Shirts und Blusen fristen derzeit ihr Dasein in Auffanglagern und dürfen nicht rein in die Läden der Europäischen Union. Was soll das?!

Die Europäische Union hat im Juni neue Importquoten für chinesische Textilien verhängt, weil die südeuropäische Textilindustrie unter der Konkurrenz aus Fernost ächzt. Anfang des Jahres waren nämlich die jahrzehntelang geltenden Quoten von der Welthandelsorganisation nach einer langen Übergangsfrist weltweit aufgehoben worden.

Im Juni zogen die EU-Handelsminister die Notbremse: Der Zoll läßt keine Ware mehr durch, auch wenn sie bereits bezahlt ist. Das wiederum hat jetzt die Textilhändler und Warenhausketten in Europa auf den Plan gerufen, die ihre Waren in China geordert hatten und sie nun nicht durch den Zoll bekommen.

Mit düsteren Untergangsszenarien versuchen Textilhandelsverbände nun die EU-Politiker davon zu überzeugen, die chinesischen Waren doch nach Europa zu lassen. Halt! Nein! Unmöglich! rufen dagegen die europäischen Textilfabrikanten. Verbraucherschützer orakeln gar schon über nackte und frierende Europäer, die sich ihre Winterpullover nicht mehr leisten können, weil durch die Quoten die Preise steigen werden. Das wiederum weisen viele Ladenketten zurück. Sie würden halt von chinesischer auf indische oder andere asisatische Ware umsteigen, erklärten sie.

Entstanden ist ein heilloses Durcheinander, obwohl Handelskommissar Peter Mandelson es doch eigentlich allen Recht machen wollte. Nördliche EU-Staaten, die den freien Handel ohne Quoten hochhalten, streiten mit Franzosen und Italienern, die ihre Textilfabriken schützen wollen. In den Häfen schimmeln die Büstenhalter vor sich hin. Und der durchschnittliche EU-Bürger fasst sich an den Kopf. Schließlich hätte sich die Kommission über die Konsequenzen ihrer Entscheidungen vorher Gedanken machen können.

Dabei zeigt das Ganze nur, wie machtlos Behörden inzwischen gegen die Globalisierung sind. Greift man an einer Ecke der Welt in die Märkte ein, gerät das ganze System aus den Fugen. Die Chinesen produzieren munter weiter und liefern, denn die Ware haben die europäischen Kunden schließlich schon bestellt und bezahlt, bevor die neue Quotenregelung galt.

Bis zum 5. September soll die Krise gelöst sein. Dann ist ein Gipfeltreffen zwischen EU und China in Peking vorgesehen. Da will sich Ratspräsident Tony Blair nicht mit Unterhosen und Büstenhaltern aufhalten, sondern mit der chinesischen Seite über das große Ganze plauschen.

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