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Philipp Jedicke27. Februar 2015

Die Suche nach NS-Raubkunst nimmt zu. Hessen hat als erstes Bundesland im Landesmuseum in Wiesbaden eine Zentralstelle für Provenienzforschung eingerichtet. Ein Interview mit Direktor Alexander Klar.

Alexander Klar Museums-Direktor Wiesbaden
Bild: picture-alliance/dpa/von Erichsen

DW: Ihrem Museum ist die erste Zentralstelle für Provenienzforschung angegliedert. Was genau passiert jetzt bei Ihnen?

Alexander Klar: Bei uns in Wiesbaden sitzen von nun an zwei fest angestellte Forscherinnen des Landes. Sie arbeiten für die drei Landesmuseen, also Kassel, Darmstadt und Wiesbaden. In Kassel gibt es bereits eine befristete Stelle. Die drei Forscherinnen verknüpfen sich jetzt.

In den einzelnen Häusern sitzt jeweils ein Provenienzbeauftragter, das ist der jeweilige Kustos der Sammlungen, wo Probleme infrage kommen. So entsteht ein Netz aus arbeitenden Leuten. Unsere beiden Forscherinnen sind dezidiert für die einzelnen Fälle da und sind gleichzeitig Anlaufstelle für interessierte kommunale Museen.

Ist die Schaffung der Landeszentrale direkt auf das große Aufsehen um den Fall Gurlitt zurückzuführen?

Unser Kunstminister Boris Rhein hat die Provenienzforschung zu seinem persönlichen Anliegen gemacht. Der Fall Gurlitt hat das Thema aber sicher befördert, natürlich auch bei Ministern. Schon während der Causa Gurlitt wurde es auf unser Bestreben hin in die schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen eingebracht, und der Minister hat es dann aufgegriffen.

Gibt es denn bundesweit einen regen Austausch zwischen Provenienzforschern oder kocht jeder sein eigenes Süppchen?

Der Austausch findet statt, vor allem über den Arbeitskreis Provenienzforschung. Dieser ist unabhängig von den Ländern oder dem Bund. Die Forscher selbst haben sich über diese Plattform zusammengefunden. In den anderen Bundesländern sind die Provenienzforscher meist an den einzelnen Häusern angesiedelt. Mit einer zentralen Stelle, die sämtliche Landesmuseen umfasst und auch noch kommunalen Museen einen Service anbietet, sind wir hier in Hessen Avantgarde.

Sollten andere Bundesländer nachziehen, würden wir das auch auf eine höhere Ebene setzen. Auf der anderen Seite ist der Austausch über den Arbeitskreis schon sehr eng. Er ist aber wie gesagt noch nicht offiziell auf eine bundesweite Arbeitsebene gehoben worden.

Wie sehen in der Regel die Arbeitsverhältnisse von Provenienzforschern aus?

In den Regelfällen sind sie, wenn überhaupt, befristet bei einzelnen Museen angestellt. Deshalb haben sie auch nur limitierte Möglichkeiten des Durchgreifens, im Zweifelsfall gewinnt immer noch der Kustos. Das ist natürlich sehr prekär.

Wenn wie bei uns Festangestellte mit unbefristeten Verträgen arbeiten, heißt das auch, sie erarbeiten sich eine Kenntnis des Themas. Das Wissen ist so am Land angesiedelt. Ich glaube, das ist schon einzigartig.

Ist bei so einem hochkomplexen Thema die föderale Struktur Deutschlands nicht manchmal hinderlich?

Ich bin ein Freund des föderalen Systems, auch in der Forschung. Man kann ja auch schlecht vom Bund aus anweisen: "Macht mal Provenienzforschung und restituiert!" Im Grunde ist es mehr als föderal. Die einzelnen Museen sind kleine Fürstentümer der Direktoren, die sich entscheiden müssen, ob sie ihrem Träger empfehlen, ein Kunstwerk zu restituieren.

Ich fühle mich aufgrund der Geschichte des Hauses Wiesbaden einer offeneren Restitutionspraxis zugehörig als manch anderer Kollege. Hermann Voss hat dieses Haus einmal geleitet (von 1935 bis 1945, Anm.d.Red.), und hier viel Raubkunst angehäuft. Daher versuche ich, mit einer hohen Frequenz zu restituieren. Ich versuche natürlich auch alles zurückzukaufen, was ich restituiere und da vorbildlich zu sein.

Also besser kein Gesetz wie die vom bayerischen Justizminister Bausback vorgeschlagene Lex Gurlitt?

Ich bin kein Freund eines Gesetzes. Dahinter kann man sich verschanzen. Es muss einem Haus ja auch weh tun, wenn es Sachen weggibt, und um wie viel kraftvoller ist die Geste, wenn wir sagen: Es tut uns weh, aber wir geben das Kunstwerk natürlich trotzdem weg. Ich glaube, wir machen nur deshalb Schlagzeilen, weil wir etwas tun, was wir nicht müssen, und von uns aus der Washingtoner Erklärung folgen. Diese Freiwilligkeit ist ein ganz wichtiges Element für den Erfolg dieser Geschichte.

Gleichzeitig bin ich mir der Verantwortung für meine Sammlung durchaus bewusst. Wenn ich etwas weggebe, geschieht es in meiner Ära. Das tue ich nicht gerne, aber es ist moralisch und ethisch richtig. Und wir konnten bisher jedes Werk im Einvernehmen mit den Nachfahren zurückkaufen.

Wurden viele Werke restituiert?

Bei 140 bearbeiteten Fällen haben wir bisher nur fünf Restitutionen. 135 Fälle liegen noch bei uns. Wir können sie nur bei lostart.de einstellen und hoffen, dass sich daraufhin jemand meldet. Bis dahin können wir nichts dazu sagen.

Wie empfinden Sie die Entwicklung in Sachen Provenienzforschung hierzulande? Deutschland hat ja recht spät damit angefangen, die Washingtoner Erklärung umzusetzen.

Als ich im November 2010 in Wiesbaden anfing, musste ich zunächst einmal alles über Provenienzforschung lernen, weil mir klar wurde, dass sie hier ein ganz großes Thema ist. Das hatte ich mir vorher nicht träumen lassen. Jetzt haben wir das Glück, dass wir einen Minister haben, der das Thema aufgegriffen hat. Allein hätte ich das niemals hinbekommen. Ich bin froh, dass wir so weit gekommen sind.

Auch bundesweit sind wir endlich auf einem sehr guten Weg. Die allermeisten von uns Direktoren tun jetzt das Richtige. Das hat auch viel mit Individuen zu tun. Ich bin ja qua Generation unverdächtig, ich bin 1968 geboren. Mein Minister ist meines Alters. Ich habe das Gefühl, wir machen jetzt einfach. Und wir treffen dabei auf die dritte Erbengernation. Das ist allein symbolisch so interessant: Ich bin in meinem beruflichen Alltag immer noch mit den Folgen des Zweiten Weltkriegs konfrontiert. So groß war dieser Schlag der Geschichte.

Man redet mit den Enkeln, hört Familiengeschichten. Ich bin ganz fasziniert davon und versuche, die Themen sachlich und gleichzeitig mit viel Einfühlungsvermögen zu behandeln. Im Grunde ist es ein sehr handfestes, praktisches Thema, mit dem ich es zu tun habe.

Alexander Klar ist seit 2010 Direktor des Museums Wiesbaden, das unter seiner Leitung mehrfach Kunst aus früher jüdischem Besitz zurückgegeben hat. Jetzt wurde in seinem Haus die erste Landeszentralstelle für Provenienzforschung eingerichtet.

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