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Politik

Klare Kante gegen Diskriminierung

30. August 2018

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lobt die herausragende Arbeit der Initiative "Coach e.V." bei der Integration von Migranten. Und richtet gleichzeitig deutliche Worte Richtung Chemnitz.

Deutschland | Bundespräsident Steinmeier zu Besuch bei Coach e.V.
Bild: DW/O. Pieper

Chemnitz. Natürlich Chemnitz. Als Frank-Walter Steinmeier im Kölner Stadtteil Ehrenfeld aus der schwarzen Präsidentenlimousine aussteigt, richten sich die Fragen der zahlreich erschienenen Reporter nicht nach seinem Besuchsziel in Köln. Sondern nach dem Ort, der nach dem Tod eines Deutschen und den folgenden Ausschreitungen durch rechte Gruppen deutschlandweit im Brennpunkt steht.

Steinmeier, der gerade eine Kölner Schule besucht hat, fordert härtere Anstrengungen in der Bildung. Vor allem junge Menschen müssten darauf vorbereitet werden, dass "wir in Deutschland mit Vielfalt umgehen müssen, dass in unserem Leben Vielfalt bereichernd sein kann". Je eher Schüler den Respekt vor anderen Kulturen und anderen Religionen lernten, desto besser.

Doch auch die Gesellschaft insgesamt sei gefordert, so "dass aus Unterschieden keine Konflikte entstehen, vor allem keine Konflikte mit Gewalt und auf der Straße". Bereits vor Wochen hatte sich der Bundespräsident die Kölner Initiative "Coach e.V." für einen Besuch ausgesucht. Durch die Ereignisse in Chemnitz fühlt sich Steinmeier in seiner Wahl bestätigt: "Es ist ein Projekt, das gegen Diskriminierung und Rassismus arbeitet und noch einen Schritt weiter geht, indem es nicht nur Schüler einbezieht, sondern auch die Eltern."

Eltern werden mit ins Boot genommen

Mustafa Bayram hört solche Worte gern. Dabei erinnert sich der umtriebige Gründer der Initiative noch gut an den holprigen Start von "Coach e.V." "Als wir kurz nach der Gründung 2004 nach Räumlichkeiten gesucht haben, haben wir nur Absagen kassiert. Beim Wort Jugendarbeit schüttelten alle nur den Kopf." Erst Januar 2006 fand "Coach e.V." ein Zuhause auf einem Industriegelände im Kölner Norden, seitdem arbeitet die Organisation mit nunmehr zwölf Hauptamtlichen an der Bildung und Integration von jungen Migranten. Mit einem ganz besonderen Ansatz: "Wir nehmen die Eltern bei der Integration mit!", erklärt der türkischstämmige Diplom-Sozialpädagoge.

Mustafa Bayram hat "Coach e.V." aufgebaut, Anfang des Jahres hat er den Vorstand abgegebenBild: DW/O. Pieper

Kinder und Jugendlichen im Alter von elf bis 19 Jahren werden bei den Hausaufgaben und der Persönlichkeitsentwicklung unterstützt. Die Eltern verpflichten sich zum Beispiel bei der Anmeldung, an acht Elternabenden im Jahr teilzunehmen: zu Themen wie Schulkarriere, Pubertät oder auch Drogen. "Beim ersten Gespräch mit der Familie dürfen die Eltern auch nichts sagen, nur die Kinder kommen zu Wort", erläutert der 66-Jährige. Gerade für muslimische Familien sei dies erst einmal ein Schock. Doch das Prinzip Augenhöhe funktioniere, schmunzelt Bayram: "Am Anfang wurden wir von vielen Eltern kritisch beäugt. Jetzt ist es so, dass die Kinder ihren Eltern sagen: 'Ihr müsst aber zu den Elternabenden gehen.'"

"Coach e.V." als zweite Familie

Auch Senay Korkmaz kann sich noch gut daran erinnern, wie skeptisch ihre Eltern anfangs der Initiative gegenüberstanden. "Sie haben mich immer gefragt, wo ich mich den ganzen Tag herumtreibe", sagt sie und lacht. Die Skepsis hielt an, bis die Eltern merkten, dass ihre Tochter mit Hilfe von "Coach e.V." plötzlich ihre Hausaufgaben erledigte, disziplinierter wurde und auch bessere Schulnoten nach Hause brachte. "Und da haben sie gesagt, okay, das ist wirklich eine tolle Einrichtung. Vor allem aber haben meine Eltern gelernt, mir zu vertrauen!"

Senay Korkmaz mit Sozialarbeiter Jonas Lang, Mustafa Bayram und dem neuen Vorstandsvorsitzenden Christian GollmerBild: DW/O. Pieper

Korkmaz ist heute die Vorzeigefrau von "Coach e.V.", weil sie die Seiten gewechselt hat: Mittlerweile arbeitet die 20-Jährige selbst als Honorarkraft für die Initiative. Vor zehn Jahren, als Fünftklässlerin, kam sie das erste Mal als Schülerin hierher, erinnert sich Korkmaz, jetzt ist sie diejenige, die Kinder und Jugendliche motiviert, mehr für die Schule zu büffeln. ""Coach e.V." ist so etwas wie meine zweite Familie geworden."

Am Ende ist Chemnitz doch noch mal Thema

In Köln hat sich der Erfolg der Einrichtung schnell herumgesprochen. Die Warteliste wird immer länger, schon jetzt sind 450 Schülerinnen und Schüler angemeldet. Drei bis vier Jahre werden diese durchschnittlich von der Initiative begleitet, die sich über Mitgliedsbeiträge, Spenden und die Unterstützung durch die Stadt Köln und den Landschaftsverband Rheinland finanziert. Dabei setzt "Coach e.V." nicht nur auf eine enge Kooperation mit den Eltern, sondern steht auch immer im regen Austausch mit den jeweiligen Schulen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte sich beeindruckt von der Arbeit der Kölner InitiativeBild: DW/O. Pieper

Mustafa Bayram, der 2013 für sein Engagement im Kampf gegen soziale Ausgrenzung mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, sieht die Initiative weiterhin auf einem guten Weg, mahnt aber, dass Integration auch etwas koste: ""Coach e.V." kann nur Erfolg haben, wenn kontinuierlich gearbeitet wird und die finanzielle Unterstützung von Stadt und Land gesichert ist." Man könne zum Beispiel auch nicht einfach so eine Initiative nach Chemnitz verpflanzen und erwarten, dass dort dann direkt Veränderungen spürbar seien: "Jugendarbeit braucht Zeit. Die jungen Frauen und Männer hier in Köln sind jetzt auch so, weil wir uns über zehn Jahre Tag für Tag um sie gekümmert haben!"

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