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Freiburger Kulturbörse

Sebastian Bargon29. Januar 2014

Die Internationale Kulturbörse in Freiburg hat sich in 25 Jahren zum Mekka für Künstler und Veranstalter aus dem deutschsprachigen Raum entwickelt. Dieses Jahr aber stand die Messe ganz im Zeichen der Spanier.

Internationale Kulturbörse Freiburg - Brincadeira
Tanzkollektiv BrincadeiraBild: Roy Doberitz

In den Messehallen tummeln sich seltsam verkleidete Gestalten, darunter Stelzenläufer, Zauberwesen und Verwandlungskünstler. Mit allen Mitteln versuchen sie die Blicke auf sich zu ziehen. Kein Wunder, denn nirgendwo sonst ist es für Künstler leichter, mit Veranstaltern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ins Geschäft zu kommen.

Konkurrenzloser Überblick über neue Trends

Holger Thiemann, der Organisator und Erfinder der Freiburger Kultur-Börse, bietet der Eventbranche seit 1989 einen im deutschsprachigen Raum konkurrenzlosen Überblick über die Trends und Tendenzen in der Szene. Zum "Klassentreffen der Kleinkünstler" kommen Artisten, Clowns, Stepptänzer, Wortakrobaten, Kabarettisten, Musiker und Entertainer. Es gibt nur eine Einschränkung: Wer auf der Kulturbörse künstlerische Selbstvermarktung betreiben will, muss nachweisen, dass er schon öffentlich aufgetreten ist, denn Laienspielgruppen sind bei der Börse nicht erwünscht.

Außen Messehalle, innen Kultur purBild: Roy Doberitz

Spanische Künstler fliehen vor der Krise

In diesem Jahr wird auf der Kulturbörse auffallend viel Spanisch gesprochen. Gleich zur Eröffnung präsentiert das aus Barcelona stammende Percussion- und Tanz-Kollektiv Brincadeira eine spektakuläre Show voller Dynamik und intensiver Rhythmen. Dessen Leiter Edison Aguilar sieht in Freiburg eine gute Möglichkeit, ein neues Publikum zu erobern und hofft jetzt, mehr Auftritte in Deutschland zu bekommen. Brincadeira feiert bereits in Russland, Italien und Frankreich Erfolge. In Deutschland sind dieses Ensemble und viele weitere spanische Künstler weitgehend unbekannt.

Die Eurokrise macht den Künstlern in Spanien schwer zu schaffen - zu Hause werden die Kulturbudgets gestrichen, Auftrittsmöglichkeiten gibt es kaum noch. Also müssen sie es im Ausland probieren. Die Freiburger Börse bietet eine ideale Plattform.

So haben sich rund 40 Gruppen - die meisten stammen aus Katalonien - nach Freiburg aufgemacht, um ihre Kunst zu präsentieren. Alle Genres sind dabei vertreten: Straßentheater, Musiker, Zirkusartisten, Clowns und Trampolinkünstler. 17 von ihnen haben einen der begehrten Kurz-Auftritte ergattert.

Masken und Totengräber

In dem Stück "Mr. X" bringt El Loco Brusca eine moderne Interpretation der Dr. Jekyll & Mr. Hyde-Geschichte auf die Bühne. Bei seinem äußerst körperbetonten Auftritt kommt er den Zuschauern mitunter bedrohlich nah. In "Humortal", einer absurden Show des Clown-Theaters EFS verwirren melancholische Totengräber, die mit einem Sarg durch die Menge gehen, das Publikum.

Drei unheimlich wirkende Gestalten huschen durch das Zentral-Foyer der Messe. Die vier Meter großen mysteriösen Maskenträger scheinen in Gefahr zu sein. Die Zuschauer dieser nonverbalen Straßenshow erfahren nicht, wovor die Charaktere fliehen.

In dem Straßentheater "Capitan Maravilla Productions" mischen zwei affenähnliche Wesen Zirkustechniken mit Sketchen, Humor und Akrobatik.

Die Percussiongruppe Brothers & Cuba hatte einen der begehrten AuftritteBild: Roy Doberitz

Faire Chance oder brotlose Kunst?

Zwar sieht vieles auf der Kulturbörse leicht und spielerisch aus. Aber letztlich handelt es sich um ein knallhartes Geschäft. Wer als Künstler einen der begehrten 200 Kurzauftritte bekommt, kann sich viel Marketingarbeit ersparen, muss dafür allerdings auch zahlen. 410 Euro kostet die Künstler so ein Kurzauftritt.

Messe-Organisator Holger Thiemann findet es einerseits zwar grausam, andererseits aber nur gerecht: "Wir bieten ein Forum für Begegnungen und Austausch, von dem alle profitieren." Deshalb sollen sich auch alle an der Finanzierung beteiligen: Die Zuschauer und Besucher durch den Eintritt, die Agenturen durch die Standmiete, die sie zu bezahlen haben. Und die Künstler mit ihrem "Startgeld". Dafür haben sie die Chance, vor bis zu 700 Veranstaltern zu spielen, die sie dann möglicherweise engagieren. Dies sei, so Thiemann, auf einem anderen Weg nie und nimmer mit 410 Euro hinzukriegen. "Es ist eine Messe hier. Die Infrastruktur mit ihren vier Bühnen muss erst mal aufgebaut werden. Wir müssen ein sehr hohes technisches Niveau anbieten, um überhaupt auf diese große Zahl von Auftritten zu kommen. Da muss alles stimmen, das kostet immens viel Geld."

20 Minuten für die Zukunft

Um ihr neues Tango-Tanz-Spektakel realisieren zu können, setzt die aus Barcelona stammende Theaterdirektorin Manuela Lorente bei der Kulturbörse alles auf eine Karte. "Da die Situation in Spanien sehr schwierig ist, haben wir für die Kulturbörse einen 20-minütigen Kurzauftritt kreiert", erzählt sie. Für die Show sind alle Beteiligten - eine Sängerin, zwei Musiker und zwei Tänzer - ein hohes finanzielles Risiko eingegangen. "Wir müssen unbedingt mindestens vier Auftritte verkaufen, ansonsten ist das Projekt gestorben."

Manuela Lorente hofft, die Besucher mit ihrem Ensemble zu überzeugenBild: Roy Doberitz

Für die Veranstalter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ist die Kulturbörse dagegen ein Segen. Sie profitieren natürlich auch von der Not der Künstler, die Auftrittsmöglichkeiten suchen. Nirgendwo sonst wird es ihnen so leicht gemacht, ihr Jahresprogramm für Theater oder Stadtfeste zu organisieren. Christian Parr veranstaltet in Hannover jedes Jahr im Herbst das "Mimuse"-Festival. Die Kulturbörse ist für ihn ein absoluter Pflicht-Termin: "Ich kann hier Künstler aus aller Welt sehen und neue Trends entdecken", schwärmt er. Gleich zu Beginn der Börse ist er fündig geworden. Und er ist guter Hoffnung, noch viele Entdeckungen machen zu können. "Es geht nicht anders: Man muss als Veranstalter einfach hier sein."

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