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Literatur

Klaus Mann: "Mephisto"

Aygül Cizmecioglu spe
6. Oktober 2018

Er verkaufte seine Seele an die Nationalsozialisten und wurde zu einem gefeierten Theaterstar im Dritten Reich. Das literarische Psychogramm eines Mitläufers durfte in der Bundesrepublik lange nicht erscheinen. 

Gustaf Gründgens
Bild: Imago/United Archives

"'Ich bin überhaupt unentbehrlich!' schrie der Intendant in den dunklen Garten. 'Das Theater braucht mich, und jedes Regime braucht das Theater! Kein Regime kann ohne mich auskommen.'"

Was für ein Ego, was für eine Selbstüberschätzung! Kaum zu glauben, dass dieser Hendrik Höfgen noch einige Jahre zuvor ein kleiner Provinzschauspieler ist – von Ehrgeiz zerfressen, getrieben vom Wunsch, als Künstler ganz nach oben zu kommen. Er arbeitet 16 Stunden am Tag und hat jede Woche mindestens einen Nervenzusammenbruch. Insgeheim fühlt er sich seinen Kollegen überlegen. Wie wird aus diesem Nachwuchsmimen einer der einflussreichsten Theaterstars des Dritten Reiches? Genau davon handelt Klaus Manns Roman. 

Pakt mit dem Teufel

"Mephisto" von Klaus Mann

02:31

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Hendrik Höfgen verkauft seine Moral und seine Skrupel an die Nationalsozialisten. Protegiert vom System, legt er als Wendehals eine glänzende Karriere hin. Der titelgebende Mephisto wird zu seiner Paraderolle. Dabei zeichnet ihn Mann nicht nur als ehrgeizigen Fiesling, sondern als zutiefst ambivalente Persönlichkeit. Höfgen profitiert von seinen Kontakten zu den Machthabern, verachtet aber gleichzeitig das plumpe Kunstverständnis der Nationalsozialisten. 

"Das neue Berliner Publikum beurteilte die Schauspieler weniger nach der Reinheit und Intensität ihrer künstlerischen Leistung als nach ihren Beziehungen zur Macht."

1925 spielten Gustaf Gründgens (links) und Klaus Mann (rechts) gemeinsam Theater. Bild: ullstein bild

Hinter der weißgeschminkten Mephisto-Maske von Hendrik Höfgen lugt nur allzu deutlich die reale Person Gustaf Gründgens hervor. Der war einst mit Klaus Mann befreundet und für kurze Zeit mit dessen Schwester Erika verheiratet. Gründgens' kometenhafter Aufstieg zum wichtigsten Theaterstar im Dritten Reich brachte den Bruch. 

Eitel und ehrgeizig

Während Klaus Mann ins Exil floh, avancierte sein einstiger Freund Gustaf zum Generalintendanten der Preußischen Staatstheater zu Berlin. Reichsmarschall Hermann Göring bewunderte seine Kunst, und Propagandaminister Joseph Goebbels schmückte sich auf Premieren nur allzu gerne mit dem imposanten Schauspieler. Zugleich soll Gründgens Juden zur Flucht verholfen und Kommunisten aus den Todeskellern der Gestapo gerettet haben. Die Hauptrolle in dem Propagandastreifen "Jud Süß" lehnte er ab, weil sie angeblich "unter seiner Würde" war.  

Klaus Mann stand als Schriftsteller sein Leben lang im Schatten seines Vaters. Bild: picture-alliance/akg-images

Genau diese Widersprüchlichkeiten machen den Reiz der Figur aus – im Buch wie in der historischen Realität. Allein, es half nichts. "Mephisto" erschien 1936 in einem Amsterdamer Verlag und 1956 in einer Ostberliner Ausgabe. In der Bundesrepublik durfte das Buch bis 1981 nicht veröffentlicht werden.

Die Erben Gustaf Gründgens' sahen die Persönlichkeitsrechte ihres berühmten Ahnen verletzt. Dabei betonte Klaus Mann als Autor immer wieder, dass es ihm nie um einen Einzelfall gegangen war, sondern exemplarisch um den Typus des Mitläufers. Um das Psychogramm eines Opportunisten, der aus Ehrgeiz und Eitelkeit einen Pakt mit dem Teufel eingeht. 

 

Klaus Mann: "Mephisto" (1936), Rowohlt Verlag

Als er 1906 in München geboren wird, ist sein Vater Thomas Mann bereits ein bekannter Schriftsteller. Mit Achtzehn verlobt sich Klaus Mann mit Pamela Wedekind, der Tochter von Frank Wedekind, zieht mit ihr nach Berlin und beginnt, als Theaterkritiker zu arbeiten. Und er schreibt "Der fromme Tanz", den ersten Homosexuellen-Roman der deutschen Literatur. Gustaf Gründgens, dessen Züge die Hauptfigur in "Mephisto" trägt, kennt er als Verlobten seiner Schwester Erika gut. Gemeinsam spielen die Vier 1925 in Hamburg in einem Theaterstück mit, das vor allem durch den Auftritt der "Dichterkinder" bekannt wird.

Nach der Machtergreifung der Nazis wird Klaus Mann eine der aktivsten Figuren des Exils. 1943 erhält er die amerikanische Staatsbürgerschaft und wird in der US-Armee zur psychologischen Kriegsführung eingesetzt. Nach dem Krieg pendelt er zwischen Rom, Amsterdam, New York und Kalifornien, verzweifelt wegen seines schriftstellerischen Misserfolgs und von Geldnöten geplagt. 1949 stirbt er in Cannes an einer Überdosis Schlaftabletten.

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