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Klausur im Schloss

Bettina Marx21. Januar 2014

Anderthalb Tage lang nimmt sich die Bundesregierung Zeit, um zum Auftakt des Jahres ihr Programm zu besprechen. Auf Schloss Meseberg sollen auch die ersten Streitereien der großen Koalition überwunden werden.

Das Gästehaus der Bundesregierung, Schloss Meseberg, schneebedeckt - Foto: Karlheinz Schindler (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Das als Gästehaus der Regierung genutzte Barockschloss liegt etwa eine Autostunde von Berlin entfernt am Ufer des Huwenowsees. Hier wollen die Koalitionäre von CDU, CSU und SPD in trauter Runde und unbeobachtet von der Öffentlichkeit miteinander beraten.

Auf der Tagesordnung der Regierungsklausur stehen zahlreiche Themen, die schon kurz nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages für ersten Streit zwischen den neuen Partnern sorgten: Energiewende, Rentenpläne, Familienpolitik und Einwanderungspolitik. Über all diese Punkte stritten die frischgebackenen Koalitionäre in den zurückliegenden Wochen so heftig, dass Beobachter und Medien von einem Fehlstart der großen Koalition sprachen.

"Große Koalition für große Aufgaben"

Den Auftakt machte die CSU, die noch vor Weihnachten forderte, die gerade getroffene Einigung über die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns wieder aufzuweichen. Parteichef Horst Seehofer verlangte, Praktikanten, Saisonarbeiter und Rentner von dieser Regelung auszunehmen. Bei der SPD sorgte dieser Vorstoß für Empörung. Der flächendeckende Mindestlohn galt schließlich als das zentrale Anliegen, das die Sozialdemokraten bei den endlos erscheinenden Koalitionsverhandlungen durchsetzen konnten.

Kabinett nach der Ernennung durch Bundespräsident Gauck (r.): Zahlreiche StreitthemenBild: picture-alliance/dpa

Dreieinhalb Wochen lang hatten CDU, CSU und SPD eingehend und in zahlreichen Arbeitsgruppen verhandelt, bis sie sich Ende November auf den Koalitionsvertrag geeinigt hatten. Am 16. Dezember wurde das 185 Seiten umfassende Dokument in Berlin unterzeichnet. "Eine große Koalition ist eine Koalition für große Aufgaben", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) damals voller Stolz. Doch die Freude währte nicht lange. Sehr schnell stellte sich heraus, dass es vor allem großen Streit gab.

Vorratsdatenspeicherung

So erklärte der neue Bundesjustizminister Heiko Maas, SPD, dass er die im Koalitionsvertrag beschlossene Einführung der Vorratsdatenspeicherungverschieben wolle. Er wolle zunächst die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abwarten, der über die Rechtmäßigkeit der europäischen Richtlinie befinden muss. Sie legt seit 2006 fest, dass die EU-Staaten dafür sorgen müssen, dass Telekommunikationsfirmen Verbindungsdaten der Bürger ohne Anfangsverdacht oder konkrete Gefahr sammeln und speichern müssen. Sollten die EU-Richter nun diese Richtlinie vollständig kassieren, "müssen wir über die Vorratsdatenspeicherung ganz neu reden. Bis dahin liegt das Instrument für mich auf Eis", erklärte Maas.

Mit dieser Haltung verärgerte der Justizminister vor allem die CSU. Deren Innenexperte Hans-Peter Uhl betonte, die von der EU verlangte Einführung der Vorratsdatenspeicherung sei im Koalitionsvertrag vereinbart und müsse umgesetzt werden. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) forderte Maas auf, sich an die Absprachen zu halten und die Vorratsdatenspeicherung einzuführen. Am Schluss einigten sich die beiden Minister auf ein Verfahren, das nun bei der Klausur abschließend beraten werden soll.

Drei Ministerinnen ecken an

Familienministerin Schwesig: Vorstoß im Keim ersticktBild: picture-alliance/dpa

Auch die neue Familienministerin, Manuela Schwesig, stieß mit ihrem Versuch, eigene Akzente zu setzen, schnell auf Widerstand. Die SPD-Politikerin schlug vor, jungen Eltern die Teilzeitarbeit zu ermöglichen. Statt 40 Stunden sollten sie in Zukunft nur noch 32 Stunden in der Woche arbeiten, um so mehr Zeit für ihre Kinder zu haben. Die entstehenden Einkommenseinbußen sollten aus Steuermitteln ausgeglichen werden. Doch Schwesigs Vorstoß wurde im Keim erstickt. Merkel ließ die Ministerin wissen, dass es dafür kein zusätzliches Steuergeld geben werde.

In München sorgte unterdessen die bayerische Landeswirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) für Unmut, als sie sich bundespolitisch zu Wort meldete und vorschlug, die Energiewende auf Pump zu finanzieren. Schnell wurde sie von Ministerpräsident Seehofer zurückgepfiffen.

Und in Berlin erntete auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles(SPD) nicht nur Lob, als sie vergangene Woche ihr Rentenpaket vorlegte. Die Gesetzesänderungen, die schon Anfang Juli in Kraft treten sollen, sehen unter anderem vor, die Renten der Mütter zu erhöhen, die vor 1992 Kinder geboren haben. Außerdem sollen Arbeitgeber demnächst schon mit 63 in Rente gehen können, wenn sie 45 Jahre lang Beiträge in die Rentenkasse eingezahlt haben. Politiker der Unionsparteien kritisierten die Pläne der Arbeitsministerin. Sie habe sich bei ihrem Entwurf über klare Anweisungen von Bundeskanzlerin Merkel hinweg gesetzt.

Zustimmung in der Bevölkerung

Auch die von der CSU angestoßene Debatte über die Zuwanderungaus den EU-Staaten Rumänien und Bulgarien und der Wechsel des ehemaligen Kanzleramtsministers Roland Pofalla (CDU) in den Vorstand der Deutschen Bahn sorgten für Verärgerung innerhalb der Koalition und in der Öffentlichkeit. Trotzdem ist der Vertrauensvorschuss der Bürger gegenüber Schwarz-Rot noch nicht aufgebraucht. Dies ergibt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest-Dimap im Auftrag des RundfunkTV- und Radiosenders ARD. Demnach halten zwar 39 Prozent der Befragten die "Gro-Ko" für noch zerstrittener als die schwarz-gelbe Koalition. Die Mehrheit sieht das jedoch anders: 34 Prozent sehen nämlich keinen Unterschied und 18 Prozent halten die neue Regierung sogar für harmonischer.

Finanzminister Schäuble: An der Spitze der BeliebstheitsskalaBild: DW/B. Riegert

Auch die Besetzung des Kabinetts stößt überwiegend auf Zustimmung in der Bevölkerung. Vor allem Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) genießt das Vertrauen der Deutschen. 76 Prozent beurteilen seine Arbeit positiv. Die Mehrheit der Befragten traut der schwarz-roten Regierung überdies zu, die Wirtschaftsprobleme in den Griff zu bekommen. 79 Prozent der Bürger bewerten die wirtschaftliche Lage in Deutschland positiv.

Das Stimmungsbild zeigt: Obwohl viele Medien den Beginn der großen Koalition kritisch bewerteten, sind die Bürger mehrheitlich noch zufrieden. Profitieren konnte davon vor allem die SPD. Sie hat in der Umfrage zwei Prozentpunkte hinzugewonnen und kommt nun auf 27 Prozent. Die Union dagegen gibt zwei Prozentpunkte ab. Sie liegt in der Wählergunst jetzt bei 41 Prozent.

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