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KulturGlobal

Kleine Geschichte der weiblichen Intimfrisur

7. August 2024

Buschig, glattrasiert oder gestylt? Wie und ob der Intimbereich gestaltet wird, hat eine lange Geschichte. Von Intimhaarperücken bis hin zur "Landebahn" hat man sich rund um den Globus einiges einfallen lassen.

Eine Statue, die ihre Scham mit der Hand verdeckt
Der Intimbereich genießt längst keine Privatsphäre mehrBild: Schoening/picture alliance

Wer schön sein will, muss leiden, und so geht auch die Intimrasur nicht immer schmerzlos vonstatten. Sie war schon in der Antike in Mode, ob in Ägypten oder im alten Rom. Mit geschliffenen Muscheln oder Steinen, mit Fledermausblut, Kalbsurin und Eselfett rückten die Frauen dem genitalen Wildwuchs auf den Pelz. Auch Bronzemesser, Bimsstein und Bienenwachs kamen zum Einsatz, oder frau zwirbelte die Intimbehaarung mit dünnen Fäden ab. Selbst vor Orpiment, einem hochgiftigen arsenhaltigen Mineral, schreckte sie nicht zurück, um den unerwünschten Bewuchs wegzuätzen. Bis zum modernen Rasierer oder Epiliergerät sollte es noch einige Zeit dauern.  

Dabei muss sich die Natur doch etwas gedacht haben, als sie uns mit Körperhaaren ausstattete. "Also die wachsen da nicht einfach nur, weil sie vergessen worden sind im Laufe der Evolution, sondern Haare haben eine Schutzfunktion", sagt die Kulturwissenschaftlerin und Journalistin Mithu Sanyal. Sie sind eine natürliche Barriere für Krankheitserreger und verhindern, dass es zu Verletzungen kommt. Insofern hält sie die Begründung für vorgeschoben, Intimhaarschnitt gerade in Wüstenregionen mit Wasserknappheit aus hygienischen Gründen zu praktizieren. "Und außerdem", so Sanyal, "geben die Haare Duftstoffe, sogenannte Pheromone, ab, die unwiderstehlich machen."

Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal hat ihre Doktorarbeit der Vagina gewidmetBild: Carolin Windel

Sanyal hat sich intensiv mit der Geschichte des weiblichen Genitals beschäftigt und sogar ein Buch darüber geschrieben "Vulva. Die Enthüllung des unsichtbaren Geschlechts". 

Geschmäcker sind verschieden: Landebahn oder voller Wuchs?

Über die Jahrhunderte, sagte sie der DW, habe es immer wieder unterschiedliche Moden der Intimbehaarung gegeben. "Aber es geht nicht nur darum, diese Haare loszuwerden, sondern es wird kreativ damit umgegangen."

Ob "Landebahn" - der längliche Streifen ist weltweit als Brazilian Cut bekannt - , Symbole wie Herzen oder Blümchen, der Bikini-Cut, bei dem lediglich die Haare getrimmt werden, die sich aus dem Höschen stehlen könnten, oder - neuester Trend - die Briefmarke, ein kleines, längliches Rechteck: Der gestalterischen Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Trockenrasur, Waxing oder gleich lasern? Heute sind die Methoden humaner als in der Antike Bild: Imago Images

In manchen Ländern allerdings, vor allem im Orient, gilt Behaarung als unzivilisiert, man liebt es glatt. Der Islam erlegt Gläubigen sogar dieses Gebot auf: "Es ist verpönt, die Schamhaare länger als 40 Tage wachsen zu lassen."

In einigen Kulturen in Afrika oder der Südsee hingegen gilt die Intimbehaarung auch heute noch als Zeichen für Fruchtbarkeit. "Was man auch sagen kann", ergänzt Saynal, "dass in Ländern, in denen genetisch bedingt weniger Intimbehaarung sprießt, wie zum Beispiel in Thailand oder Japan, das volle Intimhaar als begehrenswert galt. Man möchte also haben, was man nicht hat."

Von kirchlichen Tabus, Intimhaarperücken und Parasiten

In Europa, wo die Römerinnen einst der Badekultur frönten und dabei auch die Intimrasur praktizierten, wurde der Eingriff ab dem Mittelalter tabuisiert. Zumindest offiziell, denn die katholische Kirche verbot den sündhaften Umgang mit dem eigenen Körper. Ob und wie die Damen jener Zeit darauf reagierten, ist nicht hinreichend überliefert.

Warum haben wir eigentlich Haare?

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Zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert galt üppiges Haar untenherum schließlich als Zeichen der Gesundheit, erzählt Sanyal: "Damals war die Syphilis stark verbreitet. Häufig sind dann auch die Intimhaare ausgefallen. Um nach außen hin Gesundheit zu signalisieren, trug man deshalb Intimhaarperücken."  Auch bei Damen des horizontalen Gewerbes waren sie beliebt. Denn die Freier brachten gerne auch mal Ungeziefer wie Läuse und Milben mit. Die setzten sich in der Perücke fest, die man nach dem Akt abstreifen konnte.

Keine Privatsphäre mehr für den Intimbereich 

Mittlerweile haben die Medien, aber vor allem das Internet dazu geführt, dass die Gestaltung des Intimbereichs sich weltweit immer mehr vereinheitlicht. "Als der Brazilian Cut das erste Mal in einer dieser großen beliebten Fernsehserien auftauchte in den 1990er-Jahren, in 'Sex and the City', ging daraufhin die Nachfrage nach Brazilians durch die Decke. Da wurden neue Standards, neue Normen gesetzt", weiß Sanyal.

Die Freundinnen in der Kultserie "Sex and the City" nahmen kein Blatt vor den Mund - und machten den "Brazilian Cut" zum internationalen RennerBild: Craig Blankenhorn/dpa/picture-alliance

Die Medien zeigten zunehmend mehr nackte Haut, und der bis dato primär zur Privatsphäre zählende Intimbereich unterlag erstmals einem - für weite Schichten der Bevölkerung - verbindlichen und globalisierten Schönheitsideal.

Auch in Deutschland, wo die Schamhaare in den 1980er-Jahren noch ungehindert wachsen durften. Die französische Frauenrechtlerin und Journalisten Florence Hervé kommentierte in einem ihrer Bücher, man könne die deutschen Frauen an ihrem "germanischen Urwald" erkennen. "Es gab gerade in der deutschen Frauenbewegung dieses große 'Zurück zur Natur', und wir wollen möglichst natürlich sein", erklärt Mithu Saynal, "während in Amerika zum Beispiel schon immer sofort ein Aufschrei kam: 'Da kann man ja ein Haar sehen'."

In den Großstädten dieser Welt schossen Waxing-Studios wie Pilze aus dem Boden, um ihre Kundschaft des unerwünschten Gestrüpps zu entledigen, Achselhaare inklusive. Mittlerweile rasieren sich auch immer mehr Männer, zumindest die der jungen Generation. Mit Elektrolyse, Heißwachs, Laser und Elektrorasierern sind der modischen Genitalfrisur quasi keine Grenzen mehr gesetzt. 

Die "Bush-is-back"-Bewegung 

Wer sich dem Mehrheitsgeschmack nicht beugt, muss mit einen Shitstorm rechnen. So auch Madonna, die 2014 auf Instagram ein Foto von sich postete - mit Achselhaaren. "Es ist ja fast eine politische Aussage, weil sie so eine große Vorbildfunktion hat, auch gerade für jüngere Frauen", sagt Sanyal. Sie findet es erstaunlich, dass Menschen Haare als ekelhaft empfinden, die ja eigentlich ganz natürlich sind. "Das heißt doch, der Zustand, den wir erst herstellen müssen, wird als normal empfunden."

Immer wieder, so die Kulturwissenschaftlerin, gebe es "Bush-is-back"-Bewegungen. US-Stars wie die Sängerin Lady Gaga, Rapperin Doja Cat oder Schauspielerin Cameron Diaz bekannten sich öffentlich zum Wildwuchs. In ihrem "Body Book" schrieb letztere schon 2013: "Seien wir mal ehrlich: Wie jedes andere Teil Ihres Körpers sind Ihre Schamlippen nicht immun gegen die Schwerkraft. Wollen Sie wirklich eine haarlose Vagina für den Rest Ihres Lebens?" 

Auch die mittlerweile verstorbene deutsche Schauspielerin Christine Kaufmann sprach sich 2014 in ihrem Buch "Lebenslust" vehement für Intimbehaarung aus: "Ich bin regelrecht bestürzt, wie erwachsene Frauen aus sich wieder präpubertäre Mädchen machen wollen. Zu meinem Schönheitsbild gehört Schambehaarung dazu", schrieb sie. Und weiter: "Sie soll… wie ein kleiner Garten gepflegt werden. Kein Gestrüpp, aber auch kein Kahlschlag wie mit dem Mähdrescher."

Vielfalt feiern

Damit äußerte sie sich ganz im Sinne von Body Positivity. So wie dort das Motto gilt: "Jeder Körper ist schön", lautet jetzt die Devise: "Jede Intimbehaarung ist schön." Shaming aufgrund von Haaren, die sich aus der Bikinihose stehlen, ist absolut tabu.

Oder sollte es zumindest sein. "Es ist ein bisschen erschütternd", sagt Sanyal, "Untersuchungen sind zu dem Ergebnis gekommen: Wenn wir normschöne Körper haben, also jung und schlank sind, dürfen wir mehr Intimbehaarung zeigen in den sozialen Medien, als wenn diese Körper aus einer Norm herausfallen. Diese Bildwelten wirken sich ja dominant auf uns und auf unser Selbstbild aus."

Die Kulturwissenschafterin plädiert dafür, dass jeder Mensch selbstbestimmt entscheiden können muss, wie er oder sie Körperhaare tragen oder nicht tragen will. Ohne dafür im Netz niedergemacht zu werden." Ich finde, wir sollten eigentlich in unserer Vielfalt auch gefeiert werden dürfen." 

Nur eins ist für Mithu Sanyal tabu: von SCHAMbehaarung zu sprechen: "Denn das impliziert ja, man müsse sich dafür schämen."

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