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Politikfähig?

22. Juli 2009

52 Parteien hatten sich zur Bundestagswahl 2009 angemeldet. Doch der Wahlausschuss erkannte die Ernsthaftigkeit von 31 Vereinigungen nicht an. Kleine Parteien stoßen auf viele Widerstände - feiern aber auch Erfolge.

Montage: DW-Grafik
Kleine Parteien überwinden selten die Wahl-HürdenBild: picture alliance/DW_Grafik

Sie heißen "Die Violetten", "Bibeltreue Christen" oder "Heimat Deutschland" - was sich hinter den Namen verbirgt, müssen Kleinparteien vor den Bundestagswahlen gegenüber dem Bundeswahlausschuss offenlegen. Das achtköpfige Gremium aus ehemaligen Politikern tagt unter Vorsitz des Bundeswahlleiters und überprüft die Ernsthaftigkeit der jeweiligen Bewerber.

Eine solche Überprüfung bleibt nur jenen politischen Vereinigungen erspart, die bereits mindestens fünf Abgeordnete in den Bundestag oder in die Landesparlamente entsenden. Dazu gehören natürlich die so genannten "Großen", also CDU und CSU, SPD, Linke, FDP und Grüne.

Beweise für Politikfähigkeit gesucht

Was sich bei der jüngsten Partei-Prüfung vor einigen Tagen abspielte, konnte von Journalisten verfolgt werden. Es entspann sich ein mehrstündiges Kreuzverhör, berichten Beobachter. Einmal fragte Bundeswahlleiter Roderich Egeler: "Wie viele Mitglieder hat ihre Partei?" Die Antwort des Vertreters der Bürgerpartei (BPD) konnte den Eindruck nicht entkräften, dass ihn nur wenige Familienangehörige unterstützen.

Eine weitere Frage des Wahlleiters ging an den Vertreter der Allgemeinen Pogo Partei Deutschlands (APPD): Wie viele Landesverbände haben Sie? Der Vertreter der APPD räumte ein, dass zwei Landesverbände "im Untergrund" arbeiteten.

Parteiorganisation notwendig

BPD und APPD wurden zur Wahl nicht zugelassen. So erging es insgesamt 31 Parteien. Sie alle konnten die Ernsthaftigkeit, bundesweit wirklich politisch etwas bewegen zu wollen oder bewegen zu können, nicht belegen. Ein gewisser personeller Organisationsunterbau sollte vorhanden sein. So haben die meisten erfolgreichen kleinen Parteien mindestens zwischen 300 und 5000 Mitgliedern.

Eine Diskriminierung wegen Geldmangels oder aufgrund vermeintlich abstruser Ziele gebe es nicht, berichtet Dagmar Feldmann von der Familienpartei. "Wir fühlten uns durchaus ernst genommen", bestätigt sie. Dagmar Feldmann und ihre Parteifreunde in 14 Bundesländern wollen mehr Geld für Familien mit Kindern. Das ist gleichzeitig ein Kampf gegen die weit verbreitete Meinung, als kleine Partei könne man gegen die etablierten, die "Großen", sowieso nichts ausrichten. Das sei falsch, ist Dagmar Feldmann überzeugt: "Kleine Stacheln bringen den Elefanten auf Trab und überall dort, wo wir agieren, wird schon mehr für unsere Ziele getan. Das ist es schon wert, mitzumachen!"

Politischer Druck bewegt viel

Schon die Androhung von politischen Alternativen erhöht den Druck auf die etablierten Parteien, wissen Vertreter der 29 zur Wahl zugelassenen Parteien. Sie meinen auch: Auf reine Größe kommt es nicht an, sondern auf das Engagement Einzelner.

Die "Kleinen" wollen übrigens für die unterschiedlichsten Ziele antreten: Dazu zählen bessere Renten, umfangreichere Naturkost, der Wegfall von Geschwindigkeitsbegrenzungen auf den Straßen, das Verbot von Tierversuchen, ein radikal einfacheres Steuersystem oder eine finanzielle Grundversorgung. Die Entschlossenheit der politischen Kämpfer überzeugt die Wähler seit längerem schon auf Landesebene. Martin Florack, Politikwissenschaftler aus Düsseldorf, erklärt dies vor allem mit der vom Bürger empfundenen Lethargie der derzeitigen Regierungskoalition von CDU und SPD.

Wenig wirkliche Chancen auf Sitze

Bundesweit gilt es, rund 62 Millionen Wähler zu überzeugen. Zu den Chancen gibt sich Hans Meyer, Professor an der juristischen Fakultät der Berliner Humboldt-Universität nüchtern. "Ich habe einmal ausgerechnet, was die Fünf-Prozent-Klausel konkret bedeutet: Eine kleine Partei müsste rund 2,4 Millionen Wählerstimmen holen. Das ist illusorisch."

Das Bundesverfassungsgericht hat bestätigt, dass Teile des Wahlrechts in Deutschland nicht verfassungskonform sind. Auch wenn dies vor allem das Verfahren zu Überhangmandaten betrifft, so streiten Rechtswissenschaftler schon zur Frage, ob kleine Parteien auch künftig unbedingt fünf Prozent der Wählerstimmen erreichen müssen, um in den Bundestag zu kommen.

Bei der Parteienfinanzierung gibt es niedrigere Hürden. So gilt eine Vereinigung auf Länderebene dann als Partei, wenn sie 0,5 Prozent der Wählerstimmen erreicht hat. Dann erhält diese Partei vom Staat Gelder für ihre Arbeit.

Kleine Parteien leiden unter Bürokratie

Kleinen Parteien macht eine ganze Reihe von Auflagen Probleme. So müssen in möglichst vielen Bundesländern jeweils mindestens 2000 Menschen persönlich zu einer Partei "ja" sagen.

Professor Martin Morlok vom Institut für deutsches und europäisches Parteienrecht findet das problematisch, denn die potenziellen Wähler müssen sich mit Adresse und Unterschrift erklären und werden vom jeweiligen Einwohnermeldeamt überprüft. Das lässt die Hemmschwelle bei vielen Interessierten sinken. Zudem müssen alle Parteien Rechenschaftsberichte vorlegen. Für kleine Parteien ist das schwierig, weil dazu ein teurer Wirtschaftsprüfer notwendig ist. Kostenlose Werbezeit im Fernsehen gibt es auch nur im Verhältnis zu den bisher bei Wahlen erreichten Stimmanteilen. Für die kleinen Parteien bleibt da meist wenig.

Aber die Kleinparteien sollen künftig bessere Chancen erhalten. Die politische Diskussion läuft. Spätestens die Überarbeitung des bisherigen Wahlrechts, die das Bundesverfassungsgericht gefordert hat, wird bis 2011 Veränderungen bringen.

Autor: Wolfgang Dick

Redaktion: Dеnnis Stutе