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Kleiner Staat ganz groß

Ute Schaeffer6. Dezember 2002

In Estland ist Europa längst angekommen. An einigen Marktständen in Tallinn können westeuropäische Besucher schon jetzt mit Euro bezahlen. Eine "europäische Insel" war der baltische Staat schon zu sowjetischer Zeit.

Blick auf die Hauptstadt TallinnBild: AP

Nie haben sich die Esten als Teil des sowjetischen Riesenreiches gesehen. Bis heute sprechen sie von der "sowjetischen Besatzungszeit". Eine solche Vereinnahmung des kleinen Landes durch eine politische Supermacht soll nie wieder möglich sein.

Eu-Beitritt hat Priorität

Der Beitritt zur EU ist deshalb ein strategischer Schritt, den alle estnischen Regierungen seit der Unabhängigkeit mitgetragen haben. Die Integration in die europäischen Strukturen und die Vorbereitung für den NATO-Beitritt gehörten zu den obersten Prioritäten in der estnischen Außenpolitik, erklärt die Außenministerin Kristina Ojuland.

Die Esten selbst sehen den EU-Beitritt zurzeit aber noch mit gemischten Gefühlen. Viele fragen sich, ob das kleine Estland im Konzert der großen europäischen Mächte tatsächlich etwas zu sagen haben wird. Die 32-jährige Eva, die als Assistenzärztin in einem Tallinner Krankenhaus arbeitet, fürchtet, ein Stück ihrer eigenen Identität als Estin zu verlieren. "Schließlich konnten wir Esten erst 1991 unsere eigene Flagge wieder zeigen – das ist eine sehr, sehr kurze Zeit", sagt Eva.

Skepsis und Hoffnung

Estland-Flagge

Es ist also noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten, denn auch wenn laut aktueller Meinungsumfragen die Zustimmung inzwischen etwas zugenommen hat, so gibt es doch auch nach wie vor Vorbehalte gegen einen Beitritt zur EU. Andra Veideman, Beraterin des estnischen Präsidenten und lange Zeit Ministerin für Fragen der EU-Integration, glaubt, dass sich die Skepsis darauf zurückführen lässt, dass Estland lange Zeit Teil der Sowjetunion gewesen sei.

"Dennoch ist eine positive Einstellung weitverbreitet, denn es gibt ganz einfach eine Reihe von praktischen Gründen, die für einen EU-Beitritt sprechen. Als kleine Nation haben wir in diesem Punkt keine wirkliche Alternative", sagt Veideman.

Besseres Verhältnis zu Russland

Mit gutem Grund verspricht sich Estland von einem Beitritt zur Europäischen Union auch eine Verbesserung des Verhältnisses zu Russland. Bisher kann Russland das kleine Estland wirtschaftlich – zum Beispiel durch hohe Zölle für estnische Waren - und politisch abstrafen. Mit dem Beitritt zur EU wird sich Russland das nicht mehr leisten können, so hoffen die Esten.

Für die größer werdende Zahl junger, gut ausgebildeter Esten ist der EU-Beitritt in erster Linie eine Herausforderung. Die Onlinebrokerin Karin sieht für sich bessere berufliche Perspektiven in einer erweiterten EU. Es gebe dann einfach mehr Möglichkeiten, estnische Produkte zu verkaufen. "Auch die Konkurrenz wird dann größer sein, das ist klar, aber nur so kommt man weiter", sagt die Wirtschaftswissenschaftlerin.

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