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Klima: Ist die 1,5-Grad-Grenze noch zu schaffen?

Anja Kueppers-McKinnon
24. November 2023

Laut Pariser Klimaabkommen soll sich die Welt um nicht mehr als 1,5 Grad Celsius erwärmen. Warum ist diese Temperaturgrenze so wichtig - und was passiert, wenn wir sie überschreiten?

Auf dem Aletschgletscher in der Nähe des Jungfraujochs in der Schweiz ist ein rund 2500 Quadratmeter großes Plakat mit der Zahl 1,5 Grad und der Aufschrift "Stopp Global Warming" zu sehen (Foto von 2018)
Eine Erderwärmung von 1,5 Grad gilt als rote Linie für mögliche Anpassungen an den KlimawandelBild: Valentin Flauraud/AP/picture alliance

Wenn sich die Staats- und Regierungschefs der Welt im November dieses Jahres in Dubai zur 28. Weltklimakonferenz (COP28) treffen, sind acht Jahre seit der Einigung zum Pariser Klimaabkommen vergangen. 

Damals warnte die Wissenschaft: Millionen von Menschen sind von katastrophalen Hitzewellen, Waldbränden und immer heftigeren Stürmen bedroht, wenn sich der Erde um mehr als 1,5 Grad Celsius (im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter) erwärmt. Die Warnungen brachten die meisten Staaten der Welt zum Handeln.

Sie einigten sich darauf, die globale Erwärmung auf unter 2°C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen - und  "ihre Bemühungen darum fortzusetzen", die Grenze von 1,5 °C nicht zu überschreiten. 

Doch warum grade diese Temperaturgrenze - und was passiert, wenn es noch wärmer wird?

1,5 Grad Celsius als rote Linie für die Menschheit

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler empfehlen den Grenzwert von 1,5° C Temperaturanstieg als eine Art rote Linie. Wenn die Erderwärmung nicht über diesen Wert steigt, habt man die Chance, extreme und irreversible Klimaauswirkungen zu vermeiden. Bei einer stärkeren Erwärmung sind laut Studien weitaus schlimmere Auswirkungen sehr wahrscheinlich.

Bei einem Stopp der Erderwärmung bei 1,5 Grad Celsius (gegenüber 1900) lassen sich extreme und irreversible Klimaauswirkungen noch vermeidenBild: CHROMORANGE/picture alliance

"Dies ist keine willkürlich ausgehandelte Zahl - das ist etwas, das nicht verhandelbar ist und wir müssen wirklich versuchen, diese Grenze so gut wie möglich einzuhalten", sagt Johan Rockström in einem Video für das Stockholm Resilience Centre (SRC). Rockström ist Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und Mitautor einer Studie, die die Auswirkungen eines globalen Temperaturanstiegs über 1,5 °C hinaus untersucht.

Doch um diesen Grenzwert einzuhalten, müssen nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) die weltweiten Emissionen bis 2030, also in den nächten sechs Jahren, halbiert werden.

Wie nah sind wir an der 1,5 °C Grenze?

Seit 1880 sind die globalen Durchschnittstemperaturen um 0,08 °C pro Jahrzehnt gestiegen. Seit 1981 hat sich der Anstieg deutlich beschleunigt und seither mehr als verdoppelt.

Die zehn wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen waren alle nach dem Jahr 2010. Und die Klimaforschung rechnet damit, dass das Jahr 2023 das wärmste je gemessene Jahr werden wird - mit 1,43 Grad Celsius über dem vorindustriellen Durchschnitt.

Für die Ermittlung des globalen Grenzwerts ist es jedoch nicht ausreichend, wenn nur ein einzelnes Jahr um mehr als 1,5 Grad Celsius wärmer ist, erklärt der Direktor des EU-Klimawandeldienstes Copernicus, Carlo Buontempo, im Gespräch mit der DW. "Laut Definition des Pariser Klimaabkommens muss die globale Durchschnittstemperatur über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren so hoch sein", so Buontempo.

Was passiert, wenn wir die Schwelle von 1,5 Grad Celsius überschreiten?

Ein Bericht der World Meteorological Organization (WMO) sagt voraus, dass die globalen Temperaturen in den kommenden fünf Jahren neue Höchstwerte erreichen werden. Und die Vereinten Nationen (UNO) prognostizieren, dass die Erde die kritische Schwelle von 1,5 °C innerhalb des nächsten Jahrzehnts überschreiten wird.

"Die Diskussion dreht sich mittlerweile vor allem darum, wie wir es in der Zeit danach schaffen, wieder unter diesen Wert zu kommen", sagt dazu Copernicus-Direktor Buontempo.

Eine Überschreitung der Grenze bedeute daher noch keine unmittelbare Katastrophe für alle, erklärt Sergey Paltsev. Er ist Vizedirektor des Instituts für Wissenschaft und Politik globaler Veränderungen am rennommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA. "Die Wissenschaft sagt nicht, dass ein Temperaturanstieg von beispielsweise 1,51 Grad Celsius definitiv das Ende der Welt bedeutet", so Paltsev.

Das Überschreiten der 1,5-Grad-Marke bedeutet jedoch laut Wissenschaft, dass Stürme, Hitzewellen und Dürren extremer werden - mit Auswirkungen, die wir alle spüren werden.

Stürme und Überschwemmungen bedrohen die Wohnorte von Menschen und die öffentliche Infrastruktur, während Dürren beispielsweise die Trinkwasserversorgung und Lebensmittelproduktion gefährden und die Preise in die Höhe treiben. Hitzewellen sind eine Gefahr für die menschliche Gesundheit, insbesondere für ältere und kranke Menschen und für Kinder.

Wären die Auswirkungen beim Überschreiten der 1,5-Grad-Grenze überall gleich?

Nein. Obwohl die Entwicklungsländer am wenigsten zu den weltweiten Treibhausgasmissionen beitragen, leiden sie am meisten unter den negativen Auswirkungen des Klimawandels. Pakistan zum Beispiel ist für weniger als ein Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich, gehört aber zu den Ländern, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind.

Laut Muhammad Mumtaz, Assistenzprofessor an der Fatima Jinnah Women University in Pakistan, und Experte für Anpassung an den Klimawandel, leidet das Drittel der pakistanischen Bevölkerung, das in städtischen Gebieten lebt, besonders unter Hitze. "In mehreren Städten in Pakistan wurden Temperaturen von über 40 Grad gemessen, in einer sogar bis zu 51 Grad. Das ist sehr gefährlich", berichtet Mumtaz.

Die Menschen in Pakistan, hier am Rand von Jacobabad, leiden schon jetzt unter besonders extremen Hitzewellen - 2022 zählte Jacobabad zu den heißesten Städten der WeltBild: Akhtar Soomro/REUTERS

Archibong Akpan ist Experte für Klimapolitik bei der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCC). Dort wo es in Afrika ein hohes Maß an Armut gäbe, beeinträchtigten schon jetzt Hitzewellen und Wirbelstürme die Nahrungsmittelproduktion, berichtet der nigerianische Wissenschaftler.

"Der Klimawandel hat bereits Auswirkungen auf die Nahrungsmittelversorgung und auf die Ernten." Verschärften sich diese Auswirkungen, werde das "viele Lebensgrundlagen zerstören", so Akpan.

Was können wir gegen die Auswirkungen des Klimawandels tun?

Die Wissenschaft ist sich einig, dass wir die Erderwärmung verlangsamen können, wenn wir keine fossilen Brennstoffe, also Kohle, Öl und Gas, mehr verbrennen. Aber selbst wenn ab sofort keine menschengemachten Treibhausgase mehr ausgestoßen würden, würde die Durchschnittstemperatur der Erde noch mehrere Jahrzehnte weiter ansteigen. Und das heißt: Der Klimawandel wird auch künftige Generationen betreffen.

Darum ist es von entscheidender Bedeutung, sich an die Klimaveränderungen so anzupassen, dass menschliche Grundbedürfnisse weiterhin erfüllen werden können.

Wie können wir uns an höhere Temperaturen anpassen?

Viele Länder, Regionen und Städte arbeiten an Anpassungsmaßnahmen. In den Niederlanden zum Beispiel, wo mehr als die Hälfte des Landes unter dem Meeresspiegel liegt, werden mehrere Städte umgestaltet, um mit möglichen Überschwemmungen fertig zu werden. Das Anpassungsmodell umfasst nachhaltigen Wohnraum, flexible Flächen und ein öffentliches Verkehrssystem, mit dem die Menschen im Bedarfsfall evakuieret werden können.

Wenn der Meeresspiegel steigt

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Die Bewohner von Mukuru, der größten informellen Siedlung in der kenianischen Hauptstadt Nairobi, haben einen Anpassungsplan erstellt, der zu einer Verbesserung der Wasserbewirtschaftung, der Straßen und der Abwasserentsorgung führte. Der Plan wird auch als Modell für andere Siedlungen in Afrika und in Entwicklungsländern auf der ganzen Welt angeboten.

Laut Archibong Akpan nehmen viele afrikanische Länder die Anpassung an den Klimawandel inzwischen zwar ernst. Dennoch finde sie aber weiterhin nur in sehr geringem Umfang statt. Denn: "Es ist schwierig, über Anpassung zu sprechen, wenn es kein Geld dafür gibt".

Da die reichen Industrienationen in unverhältnismäßig hohem Maße für die Klimakrise verantwortlich sind, fordern die Entwicklungsländer seit langem, von ihnen für die Auswirkungen des Klimawandels durch einen speziellen Fonds für Verluste und Schäden entschädigt zu werden. Auf dem vergangenen UN-Klimagipfel, der COP27, hatten sich die Staaten im Prinzip auf einen solchen Fonds geeinigt. Wie er funktionieren soll, ist allerdings noch nicht geklärt.

Doch es braucht mehr als Geld, wenn es um Anpassung an die Klimakrise geht. So berichtet Assistenzprofessor Mumtaz von einer erfolgreichen Initiative der pakistanischen Regierung. Diese hatte die Städte dazu aufgefordert, praktische Schritte zur Emissionsreduzierung und Anpassung zu unternehmen. Damit konnten Menschen für das Thema Klimaanpassung sensibilisiert werden, was zeige, dass es nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch Aufklärung brauche, so Mumtaz.

"Sie haben Überschwemmungen, Hitzewellen und Dürre gesehen und glauben daher, dass der Klimawandel real ist", erzählt der Wissenschaftler. Gezielte Aufklärung in ihrer eigenen Sprache sei für alle wichtig, denn "Menschen, die über Wissen verfügen, sind bereit, sich anzupassen und dafür zu werben, sich anders zu verhalten als bisher", so Mumtaz.

Reaktion: Tamsin Walker

Adaption aus dem Englischen: Jeannette Cwienk

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