Was haben Wälder und Böden mit Klimaschutz, Zukunftssicherung und Flüchtlingen zu tun? Auf dem Global Landscapes Forum in Bonn werden Zusammenhänge aufgezeigt und nachhaltige Lösungen diskutiert.
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Die derzeitige globale Wirtschaftsweise ist alles andere als nachhaltig. "Waldzerstörung und Landnutzungsänderungen tragen etwa zwölf Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen bei", sagt Karin Kemper von der Weltbank, Leiterin für Umwelt und natürliche Ressourcen auf dem Global Landscapes Forum GLF in Bonn.
Die Kosten, die durch Entwaldung, degradierte Böden und klimabedingte Trockenheit für die Menschen vor Ort, für die Länder und weltweit entstehen, seien enorm. "In extremen Fällen, wie in Indonesien, verursachten einige Monate Torfbrände im Jahr 2015 Schäden in Höhe von 16 Milliarden Dollar; in Burundi belaufen sich die Kosten der Landdegradierung auf vier Prozent des BIP und in Kolumbien liegen die Kosten für Landdegradierung einschließlich Entwaldung bei über 1,5 Prozent des BIP", sagt Kemper. "Die Degradierung von Wald und Land hat einen hohen Preis, und wir müssen uns dringend mit diesen Fragen befassen."
Aufklären und Umdenken bringt Wohlstandsgewinn
Erstmalig tagt die Weltkonferenz zur nachhaltigen Entwicklung von Landschaft in Bonn. Das Global Landscapes Forum (GLF) ist die weltweit größte, unabhängige, wissenschaftsbasierte, Aktionsplattform für Landnutzung und Wälder und tagte zuvor immer zeitgleich im Schatten der UN-Klimakonferenzen. Seit Dienstag (19.12.) treffen sich rund 1000 Teilnehmern aus Wirtschaft, Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft immer unabhängig von der Klimakonferenz und hoffen so auf mehr internationale Aufmerksamkeit.
Bei der Arbeit wird das GLF auch vom Umwelt- und das Entwicklungsministerium mit jeweils 5,5 Millionen Euro unterstützt und ein Sekretariat wurde jetzt am UN-Standort Bonn eingerichtet.
"Wenn im Kongo der Wald abgeholzt wird, bleibt in Äthiopien erst der Regen, dann die Ernte aus – mit dramatischen Folgen für die Menschen", sagt Bundesentwicklungsminister Gerd Müller. "Wir brauchen zukunftsfähige ländliche Räume, in denen eine intakte Natur langfristig Überlebensperspektiven bietet und die Menschen gleichzeitig Beschäftigung und Einkommen finden. Solche Lösungsansätze müssen wir stärker diskutieren – das Global Landscape Forum bringt die richtigen Experten dazu zusammen", so Müller.
Nach Angaben von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks haben die Böden, Wälder und landwirtschaftliche genutzte Flächen zugleich auch ein großes Potential für den Klimaschutz. "Sie können Treibhausgase binden und sind so die drei großen grünen natürlichen Senken. Sie stehen uns als natürliche Emissionspuffer zur Verfügung", betont Hendricks. Die praktische Umsetzung von einer nachhaltigen Wirtschaftsweise sei deshalb zugleich Klimaschutz, erhalt der Biodiversität und die Bekämfpung der Wüstenbildung. "Hier trifft sich alles wieder. Es ist das Momentum diese Senken auszubauen. Das ist wichtig, um das zwei-Grad-Ziel zu halten."
Das sieht auch der Direktor vom UN-Umweltprogramm Erik Solheim so. "Die Politik kann hier alles zugleich lösen. Klima, Biodiversität, Entwaldung und verändert Landnutzung gehören zusammen, sie sind die großen Verschmutzer des Planeten, nur viele wissen das nicht. Und die Degradation von Böden und der Klimawandel lassen sich zugleich lösen". Solheim zeigt sich im DW-Interview optimistisch, dass das viel schneller gelingen kann als viele denken und jeder durch sein Verhalten, durch Kaufentscheidungen und Wahlen viel verändern kann.
Stefan Schmitz, Direktor der Initiative "One World - no Hunger" betont auf der Konferenz den Zusammenhang mit der weltweiten Migrationsbewegung. "70 Prozent der armen und hungernden Menschen in der Welt leben im ländlichen Raum, in Afrika sind es sogar 75 Prozent. Arbeits- und Perspektivlosigkeit hat ein ländliches Gesicht, insbesondere unter jungen Menschen", so Schmitz.
Jedes Jahr gingen durch die bisherige Wirtschaftsweise zudem 10 Millionen Hektar fruchtbarer Boden verloren. "Produktives Land wird zu einem immer knapperen und umkämpften Gut. Der jährliche Verlust an Naturwald in den Tropen liegt etwa in der gleichen Größenordnung."Damit würde nicht nur der Klimawandel beschleunigt, sondern würden auch die lokalen Lebensbedingungen veschlechtert mahnt Schmitz. "Wenn Hunger, Ausbeutung der Natur und Klimawandel zusammenkommen, dann wachsen Krisen und Konflikte, wächst auch die Zahl der Kriegs, Wirtschaft und Umweltflüchtlinge. Das ist nicht Zukunftsmusik, das ist bereits heute so."
Die Präsidentin von Mauritius, Ameenah Gurib-Fakim stimmt Schmidt zu, der Klimawandel sei längst Realität und für die Menschen existenziell. "In Afrika sehen wir den Zerfall der Landschaften und Menschen müssen deswegen fliehen." Es brauche einen einheitlichen Ansatz, um Hunger, Armut, den Verlust an Artenvielfalt und weitere Folgen des Klimawandels erfolgreich zu bekämpfen.Zugleich gelte es, beim Kampf gegen den Klimawandel stärker auf das Wissen der indigenen Bevölkerung zurückzugreifen. "Harte Wissenschaft" alleine reiche nicht aus.
Auf der Konferenz werden Zusammenhänge, weltweite Lösungsansätze aufgezeigt und ein globales Netzwerk für Kooperationen geknüpft. Als wichtiger Schlüssel gelten eine nachhaltige Landwirtschaft, Bildung und Aufklärung. Böden können wieder so bewirtschaftet werden, dass wieder CO2 im Boden gebunden wird und Grundwasser sauber und erhalten bleibt. Die Politik, Banken und die Zivilgesellschaft können hier sehr viel tun, würden so nachhaltigen Wohlstand mit mehr neuen Jobs schaffen und eine zerstörerische Wirtschaftsweise beenden.
"Das Thema ist auch für Lateinamerika fundamental”, sagt auf der Konferenz der Ex-Präsident von Mexico Felipe Calderón im DW-Interview. "Die nachhaltige Nutzung von Böden und Wald kann zu hohen Wachstumsraten in der Wirtschaft mit neuen Jobs führen, paradoxerweise in den ärmsten Regionen der Welt, in ländlichen Regionen mit indigener Bevölkerung. Leider bekommen aber diese indigenen Gebiete nicht genug Aufmerksamkeit und politische Unterstützung, damit sie die Nachhaltigkeit weiter entwickeln."
Afrika fordert Klimagerechtigkeit
Bis zu vier Grad könnte sich die Erde bis Ende des Jahrhunderts erwärmen, warnen Wissenschaftler. Afrika leidet schon jetzt unter dem Klimawandel. Die Folgen könnten verheerend sein - wenn nicht gegengesteuert wird.
Bild: Getty Images/AFP/S. Maina
Afrika geht das Wasser aus
Bereits bei einer globalen Erwärmung von zwei Grad prognostiziert die Weltbank dem südlichen Afrika bis zu einem Drittel weniger Niederschläge. Die Folge: Das Risiko von Dürren steigt. Bei der extremen Trockenheit Mitte der 1990er Jahre verloren Hirten in Äthiopien etwa die Hälfte ihres Viehbestands.
Bild: Getty Images/AFP/S. Maina
Zu viel des Guten
In Ostafrika könnte es zukünftig mehr regnen - allerdings nicht gleichmäßig über das Jahr verteilt, sondern mehrere Tage am Stück lang und heftig. 2011 überraschten starke Regenfälle die tansanische Hafenstadt Dar Es Salaam, ganze Stadtviertel wurden überflutet. 10.000 Menschen mussten in Notunterkünften untergebracht werden, mindestens 23 Personen starben.
Bild: cc-by-sa-Muddyb Blast Producer
Ernten bleiben aus
In Afrika produzieren Kleinbauern rund 90 Prozent der landwirtschaftlichen Erträge. Wird ihre Widerstandsfähigkeit gegen die zunehmenden Dürren, Fluten und andere Wetterdesaster nicht deutlich verbessert, werden im Jahr 2050 bis zu 20 Prozent mehr Menschen hungern, schätzen die Vereinten Nationen.
Bild: Getty Images/AFP/A. Joe
Risiken für die Gesundheit
Mangelernährung aufgrund schlechter Ernten ist schon jetzt ein Problem in vielen Ländern. Viele Menschen zieht es in die Slums der Großstädte, in denen sich Krankheiten wie Cholera leicht ausbreiten. Mit höheren Temperaturen könnten sich zudem Krankheiten wie Malaria stärker verbreiten - zum Beispiel in das ostafrikanische Hochland, das im Moment noch Malaria-frei ist.
Bild: Getty Images/S. Maina
Arten verschwinden
Höhere Temperaturen beeinflussen ganze Ökosysteme. Viele Tiere und Pflanzen können sich nicht schnell genug anpassen. Einem Bericht des Weltklimarats zufolge sind 20 bis 30 Prozent aller Arten durch den Klimawandel vom Aussterben bedroht.
Bild: CC/by-sa-sentouno
Kein Schnee mehr auf dem Kilimandscharo
Knapp 12.000 Jahre ist die Eisdecke des Kilimandscharo alt. In den vergangenen 100 Jahren sind mehr als 80 Prozent der Eisfelder verschwunden. Wenn die gegenwärtigen Bedingungen andauern, wird das Eis zwischen 2022 und 2033 Geschichte sein, rechnet eine Forschergruppe aus Ohio vor. Trockenheit und weniger Neuschnee führen dazu, dass das Eis so schnell zurückgeht.
Bild: Jim Williams, NASA GSFC Scientific Visualization Studio, and the Landsat 7 Science Team
Erst wenn der letzte Baum gerodet…
Verantwortlich für den Klimawandel sind zu einem großen Teil Kraftwerke, Fabriken und Autos in Amerika, Europa und Asien. Doch auch die Abholzung vieler afrikanischer Wälder, etwa zur Gewinnung von Holzkohle, erhöht den CO2-Anteil in der Atmosphäre und trägt zur Verödung der Böden bei. Ein Drittel Kenias war einst bewaldet, zwischenzeitlich sank die Waldfläche auf unter zwei Prozent.
Bild: Getty Images/AFP/T. Karumba
Setzling für Setzling zurück zum Wald
Inzwischen haben viele Menschen erkannt, dass sie den unheilvollen Entwicklungen entgegenwirken müssen. In Kenia pflanzen engagierte Bürger seit Jahrzehnten neue Bäume - inzwischen ist die Waldfläche wieder auf sieben Prozent angestiegen. Die Bäume verhindern, dass wertvolles Ackerland weggeschwemmt wird - und sie binden das Treibhausgas CO2.
Bild: DW/H. Fischer
Schutz durch Vielfalt
Monokulturen sind sehr anfällig für Dürren oder Schädlingsbefall. Wenn verschiedene Feldfrüchte gemeinsam angebaut werden, gibt es auch dann noch Erträge, wenn eine Sorte ausfällt. Dem UN-Umweltprogramm zufolge erhöht zudem ökologische Landwirtschaft die Widerstandskraft gegen die Folgen des Klimawandels deutlich stärker als konventionelle Landwirtschaft.
Bild: Imago
Worten Taten folgen lassen
Unterirdische Regenwasserspeicher, Versicherungssysteme, die bei Missernten einspringen: es gibt viele Möglichkeiten, um die Auswirkungen des Klimawandels zumindest abzufedern. Entwicklungshilfe, Umwelt- und Klimaschutz müssten zusammen gedacht werden, wird oft gefordert. Konkrete Projekte dazu aber gibt es kaum.
Bild: picture alliance/Philipp Ziser
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Stille Helfer der Böden
Regenwürmer können allerhand, sie düngen, sie befestigen und lüften die Böden, sie schützen vor Überschwemmungen. Trotzdem nimmt man die wühlenden Wundertiere kaum war. Tatsächlich sind sie bedroht.
Bild: Getty Images/AFP/J. F. Monier
Die halbe Wahrheit
Es gibt folgende Geschichte: Wenn ein Regenwurm zerteilt wird, leben beide Teile weiter. Das stimmt nicht ganz. Nur das Vorderende schafft das Wunder, allerdings auch nicht immer. Hier befinden sich zwar alle lebenswichtigen Organe, fehlt aber zu viel vom Darm, oder infiziert sich die Wunde, schafft es auch der halbe Wurm nicht.
Bild: Getty Images/AFP/J. F. Monier
Kompostwunder
Hat so ein Regenwurm Hunger, stillt er ihn mit abgestorbenen Pflanzenresten. Außerdem vertilgt er Bakterien, Algen, Einzeller und Pilzfäden, die sich rund um seine Wohnröhre befinden. Weil er keine Zähne hat, kompostiert der Wurm organisches Material. Dazu klebt er die Nahrung an die Wand seiner Röhre, schichtet Kot darüber und schafft so eine perfekte Umgebung für vorverdauenden Mikroorganismen.
Bild: Colourbox
Bodenbefestiger
Die typischen Krümel, die Regenwürmer absondern, schützen den Boden vor Erosion. Auf der Oberfläche legen die Tiere im Jahr etwa 0,5 Zentimeter Krümelboden ab. Sind sie richtig fleißig und stimmen die Bedingungen, können es bis zu fünf Zentimeter sein. In den Krümeln, die aus dem Wurm herauskommen, stecken viele Nährstoffe, die wiederum Pilzen Nahrung bieten, die den Boden stabilisieren.
Bild: picture-alliance/dpa/S. Sauer
Kopf, oder nicht?
Wo bei einem Regenwurm das vordere Ende ist, lässt sich am besten erkennen, wenn die Tiere geschlechtsreif sind. Dann nämlich entsteht eine Hautverdickung im vorderen Drittel des Körpers, der sogenannte "Gürtel." Und wo der Gürtel ist, ist der Kopf.
Bild: picture alliance/blickwinkel/J. Fieber
Tunnelbohrer
Das Tunnelsystem, in dem die Würmer unterwegs sind, hilft dem Boden. Wasser fließt schneller ab, die Durchlüftung verbessert sich und Pflanzen schieben ihre Wurzeln auch in die Röhren. Und davon gibt es viele! Durch das Erdreich eines durchschnittlichen Bauernhofs mit 50 Hektar Boden ziehen sich Tunnel von insgesamt etwa 400.000 Kilometern Länge.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/H. Schmidbauer
Ein reger Wurm
Im 16. Jahrhundert hieß der Regenwurm noch "reger Wurm". Schließlich schuftet das Tier ununterbrochen. Mit Regen hat der Wurm tatsächlich wenig zu tun. Zwar kann ihm das Wasser nichts anhaben, gefährlich ist es trotzdem. Wenn der Wurm durch die Vibration der Regentropfen aus der Erde gelockt wird, erwarten ihn zerstörerisches UV-Licht oder ein hungriger Vogel.
Bild: Colourbox
Klempner
Ein Boden ohne Regenwürmer verhält sich im Regen wie ein verstopfter Abfluß. Das Wasser kommt nicht mehr durch. So können selbst kleinste Wasseradern mit der Zeit für Überschwemmungen sorgen. Funktioniert aber die Wasseraufnahme der Böden, landet überschüssiges Wasser in Quellen und Brunnen.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/F. Hecker
Auf engstem Raum
Je nach Bewirtschaftung leben mehr oder weniger Regenwürmer im Boden. In Monokulturen, nur einseitig bebaut und auf viele Maschinen und Düngemittel angewiesen, tummeln sich kaum 30 Tiere pro Quadratmeter. Ein durchschnittlicher Boden in einer abwechslungsreichen Landwirtschaft hingegen kann bis zu 120 Tiere enthalten. Optimalste Bedingungen sorgen gar für mehrere hundert Würmer.