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Klimaexperte: Afrika braucht die "Grüne Mauer"

Gwendolin Hilse
14. Juni 2017

Die Sahara frisst sich immer weiter in den afrikanischen Kontinent. Ein 7775 km langer Waldgürtel soll die Wüstenbildung stoppen. Das Projekt ist umstritten. Doch Klimaexperte Hans-Josef Fell sieht keine andere Lösung.

Marokko Sahara
Bild: Getty Images/AFP/F. Senna

DW: Von Dschibuti bis zum Senegal: Mit einem 7750 Kilometer langen und 15 Kilometer breiten Waldgürtel wollen elf afrikanische Länder die Ausbreitung der Sahara aufhalten. Das klingt zunächst etwas skurril. Wie genau funktioniert diese grüne Mauer?

Hans-Josef Fell: Hier werden große Landstriche wiederbegrünt. Landstriche, die eigentlich versteppt sind, oder ganz arid geworden sind, wo kaum noch etwas wächst. Bisher hat sich die Sahara von Nordniger in den Süden immer weiter ausgebreitet. Dem soll etwas entgegengebracht werden, und die beste Lösung ist natürlich Begrünung. Dazu werden Bäume, die dort besonders gut gedeihen, auf traditionelle Art angepflanzt und die Entwicklung von landwirtschaftlichen Flächen angetrieben. Diese grüne Wand ist eine der wichtigsten globalen Aktivitäten zum Klimaschutz, weil sie große Kohlenstoffsenken schafft und Menschen vor Ort wieder neue Lebensmöglichkeiten gibt.

Hans-Josef Fell gilt als "Vater" des Erneuerbare-Energien-GesetzesBild: picture-alliance/dpa

Wir stehen weltweit vor großen klimatischen Herausforderungen. Nach einer Dürre in Ostafrika sind Millionen Menschen von Hungersnot bedroht. Können da so ein paar Bäume wirklich etwas ausrichten?

Das sind nicht nur ein paar Bäume, hier geht es um viele Millionen Bäume. Sie können natürlich nicht sofort etwas gegen die akute Hungersnot ausrichten. Da ist die normale Hungerhilfe zwingend erforderlich, und ich hoffe, dass weiterhin viele Menschen spenden. Aber langfristig ist Begrünung natürlich die einzige Chance. Denn wenn wir der Wüstenausbreitung und dem Klimawandel weiter tatenlos zusehen, dann haben wir auch mit akuter Hungerhilfe keine Chance, die Menschen irgendwie dauerhaft zu retten. Wir müssen ihnen neue Lebensgrundlagen vor Ort geben. Und das heißt Begrünung von großen Flächen, die heute eben eher in die Trockenheit fallen.

Seit dem Projektbeginn im Jahr 2005 sollen bereits 15 Prozent der geplanten Waldfläche angelegt worden sein. Kritiker bezeichnen die "Grüne Mauer" als "ökologischen Schwachsinn" und merken an, dass sich die Wüstenbildung ungleichmäßig ausbreite. Allein mit der Bewässerung dieser Bäume könne man Millionen von Menschen mit Trinkwasser versorgen. Steht der Aufwand mit der Effizienz dieses Großprojektes im Verhältnis?

Ich kann diese Kritiker nicht verstehen. Wir brauchen diese Begrünung, damit wir auch wieder mehr Feuchtigkeit in die Regionen holen. Wenn Begrünung gelungen ist, dann wird die Austrocknung gestoppt. Wir können mit vielen modernen Möglichkeiten, die dort noch nicht alle vollständig ausgeschöpft sind, neue Synergien schaffen. Beispielsweise könnten wir mit großen Solar- und Windanlagen Meerwasser entsalzen und das Wasser über Pipelines dorthin bekommen. Diese Methode ist heute schon relativ kostengünstig geworden, sodass das auch ökologisch gut machbar ist. Eine weitere Möglichkeit zur Eindämmung der Desertifikation wäre die Beschattung von Böden. Das geht mit großen Solaranlagen, die uns CO2-freien Strom liefern. Außerdem kann die Beschattung, die durch diese Solaranlagen entsteht, die Restfeuchte besser im Boden halten. Man kann dann mit einer Biokohlegewinnung die Böden wieder sehr fruchtbar machen und dann eben auch Landwirtschaft unter den Solarmodulen betreiben.

Die "Grüne Mauer" soll durch elf Länder verlaufen

Mit Bäumen gegen Terrorismus und Migration, so lauten die viel versprechenden Schlagzeilen. Ist das nicht ein wenig zu hoch gegriffen?

Ich denke nicht. Die momentanen Fluchtursachen entstehen vor allem durch die Degradierung großer Landstriche. Wenn Menschen in diesen Regionen keine Zukunft haben, dann kommt es nun mal zur Destabilisierung des gesamten gesellschaftlichen Systems. Das ist natürlich ein Nährboden für Hassprediger, und somit sehen wir die Zusammenhänge ziemlich schnell. Umso wichtiger ist es, dass wir in den ländlichen Regionen die Ausbreitung der Wüste stoppen - durch Begrünung, Anpflanzungen, aber auch den Ausbau von landwirtschaftlichen Flächen, sodass die Menschen ein Einkommen haben.

Es sind überwiegend die Industrienationen, die mit enormen CO2-Emissionen zum Klimawandel beitragen. Trotzdem leiden die Länder im globalen Süden am meisten unter den Folgen. Nun haben die betroffenen Länder in den letzten Jahren selbst Initiativen gestartet. Was führte zu diesem Umdenken?

Diese Länder sind am meisten vom Klimawandel betroffen und sehen, dass sie auch einen Beitrag leisten müssen. So kam es auch zu dem überraschenden Ergebnis, dass die 48 Staaten, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind, in Marrakesch beschlossen haben, in wenigen Jahrzehnten ihre Stromversorgung zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu schöpfen. Gleichzeitig arbeiten aber auch viele Länder daran, dass sie die Auswirkungen des Klimawandels in den Griff bekommen. Das heißt natürlich, die weitere Ausbreitung von Wüsten und die Degradierung immer größerer Flächen zu stoppen und sie wieder zu begrünen. Das dient dann enorm der Selbstversorgung der Länder. Eine andere Chance, um Stabilität zu erreichen, bleibt ihnen ja nicht.

 

Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group und Autor des Gesetzentwurfes zum Erneuerbare Energien Gesetz (EEG). Er war von 1998 bis 2013 Mitglied des deutschen Bundestags und Sprecher für Energiepolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Hans-Josef Fell ist Autor des Buches "Globale Abkühlung".

 

Das Interview führte Gwendolin Hilse.

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