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Klimaforscherin und Holzbau-Pionierin gewinnen Umweltpreis

Stuart Braun
29. Oktober 2023

Die Klimaforscherin Friederike Otto und die nachhaltige Bauunternehmerin Dagmar Fritz-Kramer werden mit dem höchsten Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet. Das Preisgeld von 500.000 Euro wird geteilt.

Deutscher Umweltpreis 2023 :Portraitfotos von Dagmar Fritz-Kramer und Friederike Otto
Unternehmerin Dagmar Fritz-Kramer und Klimaforscherin Prof. Friederike Otto (r.) erhalten den Deutschen Umweltpreis 2023Bild: Baufritz/guy@strikingfaces

Die Analyse von Zusammenhängen zwischen der globalen Erwärmungund zunehmendem Extremwettern sowie Lösungen für eine CO2 neutrale Bauindustrie stehen dieses Jahr im Fokus des Deutschen Umweltpreises.

Die Klimaforscherin Prof. Friederike Otto vom Imperial College in London ist Mitbegründerin der World Weather Attribution, einer Initiative mehrerer Forschungseinrichtungen, die sich mit der sogenannten Zuordnungsforschung und dem Zusammenhang zwischen Klimawandel und Extremwettereignissen wie Hitzewellen, Stürmen und Überschwemmungen befasst.

Dagmar Fritz-Kramer ist Geschäftsführerin des Bauunternehmens Bau-Fritz, das mit nachhaltigen Holzkonstruktionen Lösungen für klimaneutrales Bauen zeigt. 

Gemeinsam erhalten beide am 29.Oktober den höchstdotierten Umweltpreis in Europa.

"Mit der herausragenden Energie, die sie in ihren jeweiligen Bereichen gezeigt haben, haben beide Preisträgerinnen gezeigt, dass wir nicht noch mehr Zeit im Kampf gegen die Klimakrise verlieren dürfen", erklärt Alexander Bonde von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), die den Preis seit 1993 verleiht.

"Beide sind für uns eine echte Inspiration und Motivation, aus den bereits unübersehbaren Folgen der Erderwärmung zu lernen und immer mehr Umwelt- und Ressourcenschutzmaßnahmen umzusetzen, damit der Planet lebenswert bleibt", so Bonde.

Starkregen und Hochwasser im Sommer 2021 forderte in Deutschland, Belgien udn den Niederlanden mehr als 230 Todesopfer. Allein an der Ahr enstanden mehr als 40 Milliarden Euro Schaden. Bild: privat

Innovative Forscherin: Welchen Anteil hat Klimawandel am Extremwetter?

Die Deutsche Physikerin Otto kam Anfang der 2010er Jahre als Postdoktorandin nach Oxford und arbeitete an Klimamodellen. Sie stellte fest, dass ihre Kollegen es vermieden, extreme regionale Klimaereignisse wie Dürren oder Stürme dem globalem Klimawandel zuzuordnen. 

Die meisten Wissenschaftler waren der Meinung, dass es zu schwierig wäre, nachzuweisen inwieweit ein bestimmter Sturm oder eine regionale Hitzewelle durch die Erderwärmung stärker oder wahrscheinlicher würden, so Otto im DW Interview. „Es war gefährlich für die wissenschaftliche Gemeinschaft, nichts dazu zu sagen“, sagt sie über das Versäumnis, die zunehmende Häufigkeit und Auswirkungen von extremer Hitze, Überschwemmungen oder Stürmen auf den Klimawandel zurückzuführen.

Doch Otto hatte "das Gefühl, dass wir das schaffen können“. Ihre eigenen Klimamodelle, und der Vergleich mit historischen Wetterdaten waren die Basis. 2015 gründete sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Geert Jan van Oldenborgh die World Weather Attribution.

"Wir müssen unsere Erfahrungen mit der Theorie verknüpfen, damit wir wirklich etwas gegen den Klimawandel unternehmen können", sagt Otto. "Und das ist es, was wir bei World Weather Attribution tun, und zwar schnell. Wenn Extremereignisse passieren, dann kümmern das die Leute, dann haben sie Fragen."

Die World Weather Attribution ist inzwischen zu einem globalen Expertennetzwerk gewachsen, das rasche Analysen des Einflusses des vom Menschen verursachten Klimawandels auf weltweite Wetterereignisse liefert: von den Waldbränden, die diesen Sommer Südeuropa verwüsteten, über die extremen Überschwemmungen in Deutschland vor allem im Ahrtal im Jahr 2021 bis hin zu der beispiellosen Hitzewellen in Nordamerika.

Als Anerkennung für die Bedeutung dieser Arbeit wurden sowohl Otto und Oldenborgh 2021 in die Liste der 100 einflussreichsten Menschen des Time Magazine aufgenommen. 

Rolle des Klimawandels in Alltag verständlich machen 

"Es gibt einen großen Bedarf, die Rolle des Klimawandels in alltäglichen Erfahrungen zu verstehen. Wir sind mehr oder weniger die einzige Gruppe, die das so tut", sagte Otto, die auch eine der Autorinnen des Weltklimarats ist.

Wissenschaftliche Beweise zu verwenden, um die Zusammenhänge zwischen Stürmen und Hitzewellen und den Emissionen von Treibhausgasen zu verstehen sei auch hilfreich, um die Verursacher der Emissionen zur vor Gericht zur Rechenschaft ziehen zu können, erklärt Otto.

Die Medien berichten mittlerweile häufig über diese Zuordnungsanalysen, die kurz nach einem Wetter-Ereignis erstellt werden. Otto und ihre Kollegen beschäftigen sich inzwischen auch mit tiefergehenden Analysen, um Ansprüche für sogenannte Verluste und Schäden oder Entschädigungen von klimagefährdeten Gemeinschaften zu untermauern.

Otto ist besorgt, dass trotz der immer zahlreicheren Belege über den Zusammenhang von Extremwetter und der globalen Erwärmung derzeit Klimademonstranten und Aktivisten wie die Letzte Generation zunehmend dämonisiert werden. "Die Art wie Politiker darüber reden ist wirklich beunruhigend." Sie fügt hinzu, dass die Forderungen der Aktivisten, Emissionen zu senken tatsächlich Maßnahmen seien "zu denen sich die Länder ohnehin im Pariser Abkommen verpflichtet haben."

Klimafreundliches Holz-Hochhaus: Auf 18 Stockwerken bietet der Turm im südnorwegischen Brumunddal, ein Hotel, Büroräume und Restaurants. Bild: Erik Johansen/NTB/picture alliance

Pionierarbeit für energieeffizientes Bauen

Die zweite Umwelt-Preisträgerin, Dagmar Fritz-Kramer, leitet das Familienunternehmens Bau-Fritz in vierter Generation. Die Firma nutzt heimisches Holz aus dem süddeutschen Allgäu für den Bau von CO2-neutralen Häusern.

Rund 85 Prozent des Materials ist zertifiziertes Holz aus nachhaltig bewirtschafteten europäischen Wäldern. Nach Abzug der Emissionen durch Bau und Transport bindet das Holz im Schnitt 50 Tonnen CO2 pro Haus. Diese Einsparung entspricht dem CO2-Ausstoß eines durchschnittlichen Mittelklassewagens mit Verbrennungsmotor über 20 Jahre.

"Früher gab es viel zu viel Ressourcenverbrauch", so Fritz-Kramer im DW Gespräch. Die Bauindustrie, sagt sie, produziere 50 Prozent des gesamten Mülls in Deutschland.

Ein Großteil der Materialien seien klimaschädlicher Beton und Stahl, was erkläre, warum der Bausektor für rund 40 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich sei.    

Die Unternehmerin drängt deshalb auf eine "Bauwende" in Deutschland. Das erfordere neue Gebäude größtenteils mit nachwachsenden Rohstoffen zu bauen, aber auch, dass "wir zunehmend mit recycelten Baumaterialien arbeiten", um den Ressourcenverbrauch zu begrenzen.

Auch müssten bestehende Gebäude modernisiert werden und mit erneuerbaren Energien   erneuerbaren Energien wie die Solarenergie nachgerüstet werden.

Klimalösungen nützen auch der Wirtschaft 

Rund 65 Prozent der etwa 21 Millionen Gebäude würden immer noch mit klimaschädlichem Öl und Gas beheizt. Fritz-Kramer will dazu beitragen, sie bis 2045 klimaneutral zu machen, um die deutschen Klimaziele zu erreichen.

"Sie und ihr Unternehmen sind eine echte treibende Kraft der Industrie und der Veränderungen, die den Bausektor prägen", sagt Bonde von der DBU über die Bemühungen von Baufritz, nachhaltiges Bauen zum Mainstream zu machen.

Dagmar Fritz-Kramer und Friederike Otto arbeiten gemeinsam an der Idee, Finanzmittel für nachhaltige Gebäude zu generieren.

Das geschehe in Zusammenarbeit mit Ottos Studenten vom Imperial College London, erklärt Fritz-Kramer.

Das Projekt solle zeigen, dass klimaneutrales Bauen zum einen eine Antwort auf die Klimakrise sein kann und zugleich eine Chance für das Wirtschaftswachstum.

Redaktion: Jennifer Collins. Der Beitrag wurde aus dem Englischen adaptiert.

Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.
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