Die Feuchtgebiete speichern mehr Kohlenstoff als Wälder. So wirken sie der Erderwärmung entgegen. Aber in Deutschland sind mehr als 95 Prozent der Moore zerstört. Durch Schutzprogramme sollen sie renaturiert werden.
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Magische Moore
Feuchtgebiete wie Sümpfe, Moore und Schilfe sind Wunderwerke der Natur. Sie saugen klimaschädlichen Kohlenstoff aus der Atmosphäre wie einen Schwamm auf. Doch in Deutschland sind 95 Prozent der Moore zerstört.
Bild: NABU/Klemens Karkow
Wenn Mann blau macht
...haben Moorfrösche Paarungszeit. Normalerweise sind die quakenden Amphibien braun und damit perfekt getarnt für das Leben in Laub und Wald. Doch vor dem Sex im Wasser speichern die Männchen Flüssigkeit unter der Haut, die sie blau erscheinen lässt.
Leider trocknet der Lebensraum der Moorfrösche zunehmend aus: In Deutschland, so der Naturschutzbund NABU, zählen sie zu den bedrohten Arten.
Bild: NABU/Klemens Karkow
Endstation Moor
Frösche laichen. Und der Mensch? Er endet mitunter als Leiche im Moor. So erging es diesem Herrn: 1200 Jahre soll er unter Wasser verbracht haben. Nun hat er im Landesmuseum in Emden seine letzte Ruhestätte gefunden. Das saure Milieu im Moor hat Haut, Gewebe, Haare, Knorpel und Fingernägel gegerbt und konserviert. Außer dem Skelett wurden seine gut erhaltenen Kleider geborgen.
Bild: picture-alliance/dpa/I. Wagner
Grüne Brühe, brauner Sumpf
Lebensfeindlich müssen weite Teile Norddeutschlands und Bayerns dem Menschen bis vor 300 Jahren erschienen sein - unheimlich, unnahbar, voller Mücken. Unbrauchbar für die Menschen. Um das Land zu besiedeln oder landwirtschaftlich als Acker, Grünland und Forst zu nutzen, trockneten unsere Vorfahren die Moore aus.
Bild: Colourbox/Achim Prill
Gräben - Grab der Moore
Zur Entwässerung der Feuchtgebiete legten die Menschen noch bis ins 20. Jahrhundert Gräben an. Dadurch änderte sich die Vegetation mit der Zeit: Heidekraut verdrängte die Nässe liebenden Torfmoose. Und je tiefer der Wasserspiegel sank, desto mehr Bäume, besonders Birken, eroberten das Moor. Die Dränagekanäle, die zum Tod der Moore führten, durchtrennen heute noch ganze Landschaften.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/G. Franz
Nieren der Natur
Moore sind gewaltige Wasserspeicher in regenreichen Regionen, in denen niedrige Pflanzen wachsen. Auf jungen Moorböden läuft es sich federnd wie auf einem Trampolin. Je mehr Wasser die Pflanzenschicht bedeckt, desto tiefer sinken Lebewesen ein und desto weniger Sauerstoff dringt zu den Pflanzen durch.
Bild: picture-alliance/dpa/T. Kleinschmidt
Ohne Moos nix los!
Ohne Torfmoose kann kein Moor entstehen. Die Polsterpflänzchen haben keine Wurzeln und ernähren sich von Regenwasser. Nach oben wachsen sie unbegrenzt, während die Basis abstirbt, weil in die Tiefe des Wasserbodens kein Luftsauerstoff gelangt. Das unvollständig zersetzenden Gewebe wird zu Torf, wenn es sich nicht mehr unter Wasser befindet.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/F. Hecker
Heizkörper
Torf entsteht erst durch die Trockenlegung der Moore. Das Material besteht aus abgestorbenen Pflanzenfasern, die wie Zunder brennen. Schon vor Jahrhunderten wurde Torf gestochen, die Ballen wurden verheizt. Mit dem Beginn der Industrialisierung stieg der Bedarf an Brennstoffen an. Es wurden sogar Torf-Kraftwerke gebaut. Torf zählt wie Braunkohle, Erdöl und Gas zu den fossilen Energieträgern.
Bild: Colourbox
Schwarzes Gold für schmerzende Glieder
Moorbäder gab es lange vor der Wellness-Welle. Im 19. Jahrhundert wurde für Kuranwendungen besonders viel Badetorf in Mooren abgebaut. Die Heilerde enthält Vitamine, Spurenelemente, Mineralien und vor allem entzündungshemmende Huminsäure. Ein Moor-Schlammbad soll rheumatische Erkrankungen und Arthrose lindern.
Bild: picture alliance/dpa/P.Pleul
Raubbau an der Natur
Torf verbessert die Bodenqualität. Die Erde wird dadurch um einiges saurer, als sie im Normalzustand ist. Viele Pflanzen wie Heidekraut und Rhododendren benötigen saure Erde zum Gedeihen. Gerade zur Anzucht nutzen viele Gärtnereien und Blumenzüchter Torf aus Norddeutschland. So wurde dort in den vergangenen Jahrzehnten viel abgebaut und in Länder exportiert, die selbst keine Torfmoore haben.
Bild: NABU/Willi Rolfes
Appell ans grüne Gewissen
Frühlingszeit ist Pflanzzeit. Die Nachfrage nach Blumenerde steigt. Gleichzeitig schrumpfen unersetzliche Moorlandschaften, die über Jahrtausende entstanden sind. Denn in der Pflanzerde ist meist Torf enthalten. Es geht auch ohne, raten Naturschützer und appellieren an Gartenbaubetriebe und Hobbygärtner, auf Torf zu verzichten.
Bild: NABU/Sebastian Hennigs
Naturschwamm
Torfmoose (Sphagnum) können das 30-fache ihrer Trockenmasse speichern. Sie werden zur Regeneration, zur Wiedervernässung der Moore gepflanzt. So kann der Boden wieder Wasser aufnehmen. Wissenschaftler bauen die wertvollen Pflanzen auch in Plantagen an. Sie möchten so Zuchterde herstellen und den Torfabbau in Naturmooren verringern. Die Torfschicht wächst nur einen Millimeter pro Jahr.
Bild: picture-alliance/dpa/I. Wagner
Von der Skipiste ins Moor
Hier soll wieder ein Moor entstehen. Wie ein Bulldozer schiebt der umgerüstete Skipisten-Bully große Pflanzenteile vor sich her. Sie stammen von Bäumen und müssen entfernt werden, damit Moose wachsen können. Weiche Böden machen dem geländegängigen Allzweckfahrzeug nichts aus. Trotz des hohen Gewichts von sieben Tonnen versinkt das Fahrzeug wegen der breiten Kettenauflage nicht im Moor.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/N. Lipka
Unentbehrliche Klimaschützer
Moore haben eine immense Bedeutung für den Klimaschutz: Sie entziehen der Atmosphäre Kohlenstoffdioxid. Das CO2, das die Pflanzen während ihres Wachstums aufgenommen haben, wird nach ihrem Absterben im Torf gespeichert. Entwässert der Mensch allerdings das Moor, gelangt Luft in den Boden. So wird neben CO2 auch das noch klimaschädlichere Lachgas (N2O) freigesetzt.
Bild: Colourbox/L. Tit
Ruhezone Moor
Moorlandschaften haben eine einzigartige Flora und Fauna. Das besondere Licht und die Weite üben auf Besucher eine beruhigende Wirkung aus. Der Dichter Rainer Maria Rilke, der wie andere Künstler in Worpswede bei Bremen heimisch wurde, sagte über das nahe Moor, er könne dort bei endlosem Himmel aufatmen. Und: "Die Ebene ist das Gefühl, an welchem wir wachsen."
Bild: Colourbox/O. Rohulya
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Wenn Geerd Smidt durchs Moor läuft, schützen ihn Pfade aus Holzplanken vor der Gefahr des Versinkens. Smidt forscht am Europäischen Fachzentrum für Moor und Klima im niedersächsischen Wagenfeld. Er empfindet Freude darüber, "dass in lebenden Mooren unter meinen Füßen mehr Wasseranteile enthalten sind, als in der Milch, die ich trinke."
Der Biologe und promovierte Geowissenschaftler gehört einem Netzwerk von Experten an, die Moore "vernässen", das heißt, sie wieder in Stand setzen. Sie schützen die Moore und suchen nach Alternativen für Torf, einem wertvollen Rohstoff, den Menschen aus dem Moor gewinnen.
Der Wandel zurück zum Moor wurde vor wenigen Jahrzehnten eingeleitet. Bis dahin galten Moore als lebensfeindliche Zonen: "O schaurig ist´s, übers Moor zu gehen", brachte Dichterin Annette von Droste-Hülshoff auf den Punkt, was Menschen über karge Sumpflandschaften dachten. Denn in der von Nebel umgebenen Wildnis gab es noch keine Holzpfade, wie sie Wanderer heute nutzen können. Man konnte kein Haus dort bauen, sich höchstens verirren und schlimmstenfalls versinken, um dann als Moorleiche zu enden.
Moorleichen sehen gruselig aus, weil der pH-Wert der Moore sehr sauer ist. Die Säure führt erst zur Entkalkung dann zur Auflösung der Knochen. Säuren zehren an Haut, Haaren und Gewebe und lassen die menschliche Hülle wie gegerbtes Leder erscheinen. Durch die sauerstofffreie Lagerung unter der Wasseroberfläche werden Leichen konserviert, deshalb sind sie nach Jahrtausenden noch gut erhalten.
Genau so verhält es sich mit den Pflanzen wie Torfmoosen, Heiden und Gräsern, Erlen und Kiefern, die im seichten Moorwasser gedeihen: Sie verrotten nicht zu Humus, sondern verfilzen zu faserreichem Torf. Der Sauerstoffmangel im Moorwasser entsteht durch das Absinken der Pflanzen in einem Gebiet mit starken Niederschlägen.
Seitdem klar ist, welch immense Bedeutung Moore für den Klimaschutz und die Artenvielfalt haben, werden diese Feuchtgebiete weltweit renaturiert. "Die Torfschicht wächst pro Jahr nur um einen Millimeter. Die Entstehung von Mooren dauert daher Tausende von Jahren", beschreibt Smidt den status quo.
Raubbau in den Mooren
Über Jahrhunderte wurden Moore entwässert und abgetorft, um Flächen für Weide- und Ackerland zu gewinnen. Getrockneter Torf ist wie Kohle ein fossiler brennbarer Rohstoff. Er wurde früher zum Heizen "gestochen". Torfrauch verleiht Whisky beim Brennen seinen charakteristischen Geschmack. Und als Badezusatz wird Moor eine heilende Wirkung nachgesagt. In riesigen Mengen wird Torf für den professionellen Gartenbau abgebaut. Die Substratmischung - also Anzuchterde -, in der Pflanzen gedeihen, besteht bis zu 90 Prozent aus faserreichem Torf.
Durch seine Luftigkeit und die Eigenschaft, Wasser zu speichern, haben Wurzeln viel Platz, sich in torfiger Erde auszubreiten und damit das Pflanzenwachstum anzuregen. Blumen, das gesamte Obst und Gemüse werden mit Torf angereichert - als Substrat. "Der Abbau von Torf war gesellschaftlich lange so gewollt. Da es hier in Niedersachsen besonders viele Moore gibt, werden in großem Umfang Erden produziert", sagt Smidt.
Doch der Torfabbau soll verboten werden, da er zum dauerhaften Lebensraumverlust vieler Tier- und Pflanzenarten und zur Schädigung des Klimas führt. In den einzelnen Bundesländern wurden Moorschutzprogramme zur Renaturierung aufgelegt. "Ein landwirtschaftlich genutzter Acker auf einem Hochmoorboden emittiert 37 Tonnen CO2 pro Hektar und Jahr", betont Forscher Smidt.
Nur intakte Moore speichern CO2
Moore speichern doppelt soviel Kohlenstoff wie alle Wälder der Erde. Nach Angaben des NABU (Naturschutzbund Deutschland) enthält eine 15 Zentimeter dicke Torfschicht so viel Kohlenstoff wie ein 100-jähriger Wald in Deutschland.
Besonders dramatisch steht es um die Moore in den sibirischen Permafrostböden: "Der Klimawandel bedroht die Moore. Wenn die auftauen, beginnt der Zersetzungsprozess, wobei riesigen Mengen an Emissionen anfallen", befürchtet Smidt.
Erderwärmung und Trockenlegung wirken sich gleichmaßen nachteilig für Moore aus. Durch die Entwässerung zersetzt sich Torf bei der Trocknung. Dadurch entweicht Kohlenstoff, der dort Tausende Jahre im Boden gelagert hatte. Er gelangt als klimaschädigendes Kohlendioxid (CO2) neben Methan und anderen Treibstoffgasen in die Atmosphäre.
Deutschland ist weltgrößter Substratexporteur
"Moorboden muss nass sein oder nach dem Torfstechen wieder vernässt werden, damit keine Treibhausgasemissionen freigesetzt werden", hebt Geerd Smidt hervor. Der Biologe erforscht die Anbaumöglichkeiten von Torfersatzstoffen als Alternative. Weil Deutschland seine Moore schützt, verliert es zwangsläufig seinen Rang als führender Produzent für Anzuchterde, also müssen Alternativen her: Kompost ist zu nährstoffreich. Holzfasern, Rinden, Tongranulat, Flachse, Chinaschilf, Lavaerde oder Reisspelzen eignen sich und auch Kokosfasern. "Aber die müssen aus Indonesien oder Sri Lanka importiert werden,“ sagt Smidt.
Naturparadies: Der Lahemaa-Nationalpark
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Dies sei einerseits schlecht für die Ökobilanz, andererseits besteht die Gefahr, dass die Moore dann dort ausgebeutet werden, wo der Umweltschutz nicht so sehr beachtet wird. "Wenn wir hier in Niedersachsen keine Alternativen finden, dann kommt der Torf woanders her“, etwa aus dem Baltikum oder Russland, wo es riesige Abbaugebiete gibt. Die führenden Torfhersteller haben längst Niederlassungen in Estland, Lettland und Litauen gegründet.
Bringen Torfmoose Entlastung?
Mit Torfmoosen experimentieren die Wissenschaftler der Uni Greifswald. Die Moose können unbegrenzt wachsen, während sie andere Konkurrenten verdrängen. Und sie sind anpassungsfähig bei Klimawandel: Sie überleben Trockenperioden, und bei starken Niederschlägen quellen sie auf, da ihre Speicherzellen mehr als das 30-fache der Trockenmasse an Wasser aufnehmen können.
Nach nur drei Jahren kann man den so produzierten Zucht-Torf ernten, der aus dem unvollständig zersetzten Gewebe der Pflanzen unter der Wasseroberfläche entsteht. "Aber die Entwicklung steckt noch in den Kinderschuhen", sagt Smidt.