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COP23: Größer, grüner - besser?

Helena Weise
6. November 2017

Die ganze Welt fliegt nach Bonn, um den Klimawandel zu bekämpfen. Mitreden dürfen und sollen diesmal alle: Kommunen, Industrie, NGOs. Doch was bewegt sie? Ein Stimmungsbild von der Zielgeraden.

COP23 UN Klimakonferenz in Bonn
Bild: Imago/CoverSpot/B. Lauter

Wenn die ganze Welt einmal im Jahr über den Klimaschutz redet, braucht es von allem ein bisschen mehr: Zeit, Geld, Platz. Bei der diesjährigen Weltklimakonferenz (COP23) in Bonn vom 6. bis 17. November dürfte den Teilnehmern aber vor allem noch etwas anderes gut tun: Geduld und starke Nerven.

Wenn sie das mitbringen, sollte es am Rest nicht scheitern: Fast zwei Wochen haben die 197 Vertragspartner für die Ausarbeitung konkreter Maßnahmen zur Anwendung des Pariser Abkommens Zeit.

Deutschland als technischer Gastgeber greift mit ganzen 117 Millionen Euro Etat tief in die Taschen - allein der mobile Hochwasserschutz für den Fall eines Rheinanstiegs kostet zwei Millionen Euro. Was den Platz betrifft: Gastgeber Bonn hat in den Rheinauen eine eigene Zeltstadt für die 25.000 Teilnehmer bauen lassen - so groß wie rund acht Fußballfelder.

Doch die diesjährige Partie dürfte zäh werden. Einerseits wirft der von US-Präsident Donald Trump angekündigte Austritt seines Landes aus dem Pariser Abkommen seine Schatten voraus. Andererseits müssen die Delegationen im Laufe der Sitzung ein Regelbuch erarbeiten. Es soll beim nächsten Klimagipfel 2018 in Polen verabschiedet werden.

Nach den jahrzehntelangen Bemühungen, die Staaten bei den Verhandlungen in ein Boot zu holen, sollen in dem Papier konkrete Maßnahmen festgehalten werden - eine große Herausforderung.

Das ist vor allem im Sinne der Staaten, die besonders stark vom Klimawandel betroffen sind - Inselstaaten wie beispielsweise die Fidschi-Inseln, die deshalb dieses Jahr die Präsidentschaft der COP23 übernehmen. "Jene, die am verletzlichsten sind, müssen angehört werden", verlangte der fidschianische Premier Frank Bainimarama bereits im Mai. "Aber gemeinsam müssen wir für die ganze Welt sprechen. Denn niemand kann letzten Endes vor dem Klimawandel fliehen." 

Bild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Kommunen reden mit 

Die Delegierten müssen also große Themen in mühsamer Kleinstarbeit aushandeln. Mit den Worten aus Fidschi im Ohr treffen Regierungen auf Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs), ältere auf jüngere Generationen und Staaten auf Kommunen.

Letztere sollen bei der diesjährigen COP eine besonders große Rolle spielen, wie Nick Nuttall vom Klimasekretariat (UNFCCC) betont. "Nicht nur, dass Regierungen aus aller Welt zusammenkommen, um gegen den Klimawandel zu kämpfen - sie werden unterstützt von fortschrittlichen Unternehmen und Städten."

Die Kommune im Blick - das ist auch Moritz Schmidt von der Landesarbeitsgemeinschaft NRW (LAG21) ein Anliegen. In der Bonn-Zone, dem Bereich für nicht-staatliche Akteure, wird er beim NRW-Tag am 14. November kommunale Klimapartnerschaften vorstellen, unter anderem mit Städten in Nicaragua und Peru. Seiner Meinung nach haben die Kommunen beim Thema Klimaschutz schon in der Vergangenheit für den nötigen Druck gesorgt. Dass diese Akteure jetzt entsprechend mit Ressourcen ausgestattet werden, hält er für sehr wichtig.

Mitspracherecht für Städte und Gemeinden - bedeutet das also Klimaschutz zum Anfassen? Gemeinsam an einem Strang ziehen, statt zuzusehen, wie Regierungs-Insider hinter verschlossener Tür Gradzahlen aushandeln?

Der ein oder andere Bonner Bürger dürfte beim Spaziergang durch die Rheinaue wohl trotzdem zum ersten Mal über die Zeltstadt stolpern und sich am Kopf kratzend fragen: "War da was?" Und selbst, wenn er sich hier und da durch die Infoseiten der Stadt geklickt hat oder sogar plant, mal einen Vortrag zu besuchen: Schwerer wiegen wohl Themen wie: "Komme ich morgens noch zur Arbeit?", "Fühle ich mich sicher auf der Konferenz?" oder "Hoffentlich kommt es nicht zu Krawallen wie in Hamburg bei G20."

Auch das gehört zu so einer zwischenstaatlichen Konferenz, zumal es die größte wird, die es je in Deutschland gegeben hat. Auch, wenn sich die Koordinatoren der Stadt von Beginn an optimistisch zeigten - im Hinterkopf bleibt die Frage: Kann Bonn so eine Konferenz überhaupt stemmen? 

 Immerhin müssen 25.000 Gäste nicht nur mit Essen und Schlafplatz versorgt, sondern auch von A nach B gebracht werden. Die 9.000 Hotelbetten in Bonn reichen bei weitem nicht. Die Besucher werden also jeden Tag aus einem Umkreis anreisen, der von Köln bis Koblenz reicht. Es wird also nicht nur in der Rheinaue voll.

Ehemalige Generalsekretärin des UN-Klimasekretariats mit ihrem Pressesprecher Nick Nuttall auf dem Weg zum World Conference Center am Bonner RheinuferBild: picture-alliance/dpa/M. Hitij

Das alles bedeutet enormen Planungsaufwand - zumal die Koordinatoren von Stadt, Bundesumweltministerium (BMUB) und Weltklimasekretariat nur elf Monate Zeit zur Vorbereitung hatten.

Hinzu kommt: Es wird nicht nur die größte, sondern auch "die grünste UN Klimakonferenz, die es jemals gab", lobt Nick Nuttall vom Weltklimasekretariat. Ein Aspekt, der mindestens ebenso viel Zeit und Geld kostet. Ob emissionsfreier Shuttletransport zwischen den Zonen, vegetarisches Bio-Essen aus der Region oder der weitgehende Verzicht auf bedrucktes Papier - die COP23 will mit gutem Beispiel voran gehen. Ihre Bemühungen lassen sich die Veranstalter sogar mit dem europäischen Umweltsystem EMAS (Eco Management and Audit Scheme) zertifizieren.

Kein Klimaschutz ohne Kohleausstieg

Für Dirk Jansen, Geschäftsleiter Umwelt- und Naturschutzpolitik beim BUND Landesverband NRW, ist so ein Nachhaltigkeitsplan für eine große Klimakonferenz eigentlich selbstverständlich. Die Bemühungen, die Konferenz emissionsarm zu halten, sei nichts im Vergleich zu dem, was gleich nebenan an CO2 freigesetzt werde.

Jansen spricht vom rheinischen Braunkohlerevier  - Europas CO2-Schleuder Nummer eins. Am 4. November demonstriert er deshalb bei "Klima schützen - Kohle stoppen!" für die Abschaltung der Kohlekraftwerke. "Klimaschutz ohne Kohleausstieg geht nicht", meint der Umweltschützer. Deutschland verfehle auf diesem Weg seine Klimaschutzziele für 2020 - und das wäre ein katastrophales Signal für die Weltklimakonferenz. "Heiße Luft, warme Worte gibt es genug - jetzt müssen Taten folgen", skandiert Jansen.

Bereits zur Klimakonferenz 2015 in Paris gingen Demonstranten beim Global Climate March in Berlin unter dem Motto "Klima schützen - Kohle stoppen! auf die StraßeBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Während sich die Demonstranten außerhalb des Konferenzgeländes für den Klimaschutz stark machen, wirken innerhalb des Zauns rund 500 NGOs mit einer Vielzahl an Forderungen auf die Verhandlungen ein. Eine von ihnen ist Bellona, eine internationale Umweltschutzorganisation mit Sitz in Oslo. In insgesamt sieben Veranstaltungen wollen sie die CO2-Reduktion voran bringen. Denn trotz vorhandener Technologie gebe es immernoch zu wenig Politiker, NGOs und Konzerne, die sie nutzten, wie Olav Øye, leitender Berater bei Bellona, erklärt. Gerade für die Stahl- und Zementindustrie wollen sie deshalb bei der Konferenz Vorschläge liefern. 

Trotz Aufwand und Bedenken - an einem Punkt sind sich vom Veranstalter bis zum Aktivisten alle einig: Im Kampf gegen den Klimawandel ist die Konferenz die einzige Chance. "Wir haben keine Zeit mehr", so Nick Nuttall vom UNFCCC. "Wir brauchen die COP23, um die Dringlichkeit dieses Themas aufzuzeigen." Dass die 117 Millionen Euro hier gut angelegt sind, findet sogar Demonstrationskoordinator Jansen. "Es geht hier nicht nur um Klimagerechtigkeit, sondern es geht um die Existenz der Menschheit, und das ist eine Aufgabe, die solchen Aufwand sicherlich rechtfertigt." Beste Voraussetzungen also in puncto Geduld und starke Nerven - vielleicht kann der ein oder andere im Pendlerverkehr noch davon zehren. 

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