COP30: Brasiliens Kartelle gegen Klimaschutz
10. November 2025
Kurz vor dem Beginn der Weltklimakonferenz COP30 im brasilianischen Belém zeigt sich, dass auch der Kampf gegen das organisierte Verbrechen zum Klimaschutz gehört. Denn im Amazonas sind die verhängnisvollen Folgen von Umweltverbrechen offensichtlich.
Kriminelle Syndikate wie das "Comando Vermelho" (CV) (Rotes Kommando) dominieren die illegalen Geschäfte mit Gold, Regenwaldhölzern und Drogen.
"Beim illegalen Bergbau ist das CV die wichtigste Organisation. Dazu kommen noch illegale Rodungen und der Transport von Drogen", erklärt Rodrigo Ghiringhelli, Professor an der Päpstlichen Katholischen Universität (PUC) von Rio Grande do Sul und Mitglied des Brasilianischen Forums für öffentliche Sicherheit (FBSP) in einem Interview.
Regenwald als rechtsfreier Raum
Eine im Oktober dieses Jahres veröffentlichte Studiedes brasilianischen Nachrichtendienstes Abinund des Forums für Öffentliche Sicherheit kommt zu dem Ergebnis, dass Drogenhandel, illegaler Goldabbau und Menschenhandel die größten Bedrohungen für Bevölkerung und Umwelt in der Region darstellen.
"Das lukrative Geschäft der Kartelle wird durch eine Kombination mehrerer Faktoren angeheizt", heißt es in der Untersuchung. "Dazu gehört der Anstieg des Goldpreises, die geringe staatliche Präsenz in der Amazonas-Region sowie die Durchlässigkeit der Grenzen zu den Anrainerstaaten, zu denen neben Brasilien auch Kolumbien, Peru, Venezuela, Bolivien, Ecuador, Suriname und Guyana gehören."
Organisiertes Verbrechen breitet sich aus
Bereits im Dezember 2024 hatte das Forum für Öffentliche Sicherheit in der Studie "Gewalt im Amazonas"auf die zunehmende Macht der Kartelle hingewiesen. "Das Szenario ist besorgniserregend", heißt es dort. "Der Kampf um die Kontrolle von Gebieten hat zu Morden und anderen kriminellen Aktivitäten geführt und irreparable Schäden verursacht."
Fazit der Studie: "Die Kontrolle der legalen und illegalen Wirtschaftsaktivitäten im Amazonasgebiet ist nicht mehr nur ein Problem der öffentlichen Sicherheit, sondern auch ein Hindernis für nachhaltige Entwicklung."
Die Ausbreitung krimineller Banden aus dem Südosten Brasiliens und ihre Allianzen mit lokalen Gruppen schreitet laut FBSP mit "erstaunlicher Geschwindigkeit" voran. Im Amazonas seien die kriminellen Fraktionen in mindestens 260 Gemeinden präsent, die Hälfte von ihnen stünde unter der Dominanz des CV.
Energieversorger erhalten Drohungen
Auch die Amazonas-Metropole Belém wird in großen Teilen von der kriminellen Fraktion CV beherrscht. Was dies bedeutet, zeigt eine aktuelle Recherchedes Investigativportals Intercept. Danach hatte das CV kurz vor Beginn der COP verfügt, sämtliche Erweiterungsarbeiten an einem Umspannwerk, das die COP-Stadt mit Strom versorgt, täglich ab 15 Uhr einzustellen.
Laut Intercept forderte Brasiliens Minister für Bergbau und Energie, Alexandre Silveira, daraufhin eine Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen. Es sei nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. Laut Medienberichten erhält das lokale Energieunternehmen "Belém Transmissora de Energia" bereits seit Mai 2025 Drohungen und Einschüchterungen.
Schutzgelder und Schweigepflicht
Für einige Viertel in Belém bedeutet dies, dass die Menschen sich dort an die Regeln der "Chefs" halten müssten, erklärte ein Bewohner gegenüber der brasilianischen Tageszeitung Folha de S. Paulo. So zahlten viele Geschäftsinhaber Schutzgelder, Bewohner müssten Ansagen, die über Whatsapp zirkulieren, befolgen und hielten sich an das "Gesetz des Schweigens".
Nach dem Massaker in einer Favela in Rio de Janeiro am 29. Oktober fürchteten viele Menschen in Belém Vergeltung. Bei der Polizeirazzia gegen das Comando Vermelho wurden über 120 Menschen getötet, viele von ihnen mit Verbindungen zum CV.
Einige Tage nach dem Massaker ordnete Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (PT) den Einsatz der Streitkräfte während der Klimakonferenz in Beléman. Der sogenannte militärische "Einsatz zur Garantie von Recht und Ordnung" (Garantia da Lei e da Ordem, GLO) wurde auch bei anderen Großveranstaltungen wie dem G20-Gipfel im November 2024 oder dem Gipfel derBRICS-Staaten im Juli dieses Jahres genutzt, die beide in Rio stattfanden.
CV in Brasilien nach Norden verdrängt
Die rasante Ausbreitung des CV von Rio in den Norden Brasiliens geht ebenfalls indirekt auf Großveranstaltungen zurück. Denn um die Kriminalität während der Fußball-Weltmeisterschaft und der Olympischen Spiele 2014 und 2016 zurückzudrängen, wurde in Rio ein neues Sicherheitskonzept umgesetzt: Die sogenannte Friedenspolizei (UPP, Unidade de policia pacificadora).
Die UPPs gelten als Erfolgsmodell. Denn die stationäre Präsenz der Polizei in Favelas führte dazu, dass kriminelle Fraktionen die Viertel verließen, staatliche Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten wieder funktionierten und die Bevölkerung nicht mehr durch rivalisierende Banden terrorisiert wurde.
Nach Einschätzung des brasilianischen Nachrichtendienstes Abinführte diese erfolgreiche Verdrängung allerdings dazu, dass die Drogenbanden auf andere Regionen des Landes auswichen.
"Als die Anführer gezwungen wurden, Rio zu verlassen, suchten sie nach anderen Orten, an denen sie agieren und sich organisieren konnten", erklärte Abin-Koordinator Pedro de Souza Mesquita am 7. November gegenüber der brasilianischen Presse. "Dieser Prozess begann 2013 und erreichte 2024 seinen Höhepunkt."
Häftlinge gründen CV im Gefängnis
Die Entstehung des CV liegt bereits über 40 Jahre zurück und fällt noch in die Zeit der brasilianischen Militärdiktatur (1964 bis 1989).
Alles begann mit dem Zusammenschluss von politischen Häftlingen und gewöhnlichen Straftätern in dem berüchtigten Gefängnis "Cândido Mendes" auf einer Insel in der Nähe von Rio de Janeiro. Ziel war es, Verbrechen unter den Insassen zu verhindern und bessere Haftbedingungen zu erreichen.
Mittlerweile ist das CV nicht nur zu einem der mächtigsten Verbrechersyndikate in Brasilien, sondern in ganz Lateinamerika aufgestiegen.
Nach dem Massaker in Rio vom Oktober hat der politische Druck zugenommen: So setzte Brasiliens Kongress am 4. November eine Parlamentarische Untersuchungskommission ein, die das Netz der organisierten Kriminalität und dessen Infiltration in politische und gesellschaftliche Institutionen aufdecken soll.
Für den Juristen Aiala Coutovon der Universität des Bundesstaates Pará verfügt das CV bereits über alle Charakteristika eines internationalen Drogenkartells: "Sie kontrollieren die Transportwege des internationalen Kokainhandels und habe ihre illegalen Aktivitäten diversifiziert."