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Deutschlands neue grüne Jugend

19. Januar 2019

Die Sorge ums Klima treibt Deutschlands Teenager auf die Straßen. Die aktuellen Schülerstreiks in rund 50 Städten zeigen: Die Jugend ist umweltpolitisch so interessiert wie selten zuvor. Wird aus Protest auch Engagement?

Schülerdemonstration Fridays for Future in Bonn
Bild: DW/F. Apfel

Es ist kalt an diesem Januarmorgen vor dem Kölner Hauptbahnhof. Unter den Menschen, die aus der Bahnhofshalle treten, sind für die Uhrzeit ungewöhnlich viele Jugendliche. Die meisten kommen in kleinen Gruppen, andere sind auf dem Bahnhofsvorplatz mit Freunden verabredet. Viele haben bemalte Pappschilder dabei. "Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut", ist darauf zu lesen, oder auch: "Wir lernen nicht für eine zerstörte Zukunft". 

"Zeigen, dass wir eine Meinung haben"

Wie in vielen anderen großen Städten protestieren die Schülerinnen und Schüler vor dem Kölner Hauptbahnhof für einen besseren Klimaschutz - Schulstreik statt Unterricht. Angeregt durch die schwedische Schülerin Greta Thunberg, die freitags nicht zur Schule geht, sondern mit ihren Schulbüchern vor dem Parlament in Stockholm gegen den Klimawandel protestiert, hat sich auch hierzulande das lockere Aktionsbündnis "Fridays for Future" gebildet. Die Botschaft der Jungen an die Alten: Ihr verspielt unsere Zukunft, weil ihr nicht genug für die Umwelt tut. 

Lena und Leonie, beide 15 Jahre alt, sind aus dem Kölner Umland angereist. Die Schülerinnen sind keine klassischen Klima-Aktivistinnen, im Gegenteil, dies sei ihre erste Demonstration, sagen sie. Aber das Thema sei einfach wichtig und gehe jeden an - "auch wenn man nicht so super informiert ist". Der 17-jährige Benjamin ist gekommen, um "ein Zeichen zu setzen" und seine Mitschülerin Hannah, 16-Jahre, will "zeigen, dass wir eine Meinung haben". 

Hannah hat ihre Botschaft aufgeschrieben, Benjamin (ganz rechts) lebt seit kurzem vegetarischBild: DW/J. Cwienk

"Existenzgrundlagen in Gefahr"

Tatsächlich sind Deutschlands Teenager derzeit so politisch interessiert wie selten zuvor. Das Thema, das sie am meisten interessiere und umtreibe, sei seit langem der Umweltschutz, sagt Jugendforscher Klaus Hurrelmann von der Hertie School of Governance, der seit Jahren die Werte, Einstellungen und Gewohnheiten von Deutschlands Jugend untersucht.

Die Rodung des Hambacher Walds treibt viele junge Menschen umBild: DW/J. Cwienk

Das Interesse der jungen Generation erstrecke sich auf alle Bereiche, die mit der Umwelt zu tun haben, erläutert der Jugendforscher. Ob Verschmutzung der Ozeane durch Plastik und Mikroplastik, ob Insektensterben als Folge der industriellen Landwirtschaft oder eben die Klimaerwärmung: "Die Jugendlichen spüren intuitiv: Das sind unsere existenziellen natürlichen Grundlagen, die möchten wir nicht in Gefahr sehen."

Teenager als Umweltgewissen Deutschlands?

Hurrelmann spricht von einer Trendwende. "Heute haben die 20-Jährigen ein höheres politisches Interesse als die über 20-Jährigen", so der Forscher. "Und wir erwarten auch, dass das Interesse der jungen Leute bei unseren kommenden Befragungen noch einmal gestiegen sein wird."

Die Zahlen von Umweltverbänden spiegeln das gewachsene Umweltbewusstsein der Jugend wider. So verzeichnete der BUND Deutschland laut eignen Angaben den höchsten Mitgliederzuwachs bei Menschen unter 27 Jahren. Beim WWF sind bundesweit rund 12.000 Jugendliche aktiv, noch einmal so viele seien online engagiert, so der Umweltverein. 

Ist die Jugend nicht eigentlich der Lebensabschnitt der Unbeschwertheit und Sorglosigkeit?

Keine Zeit mehr für Geduld

Sie habe sich schon mit 12 Jahren für Umweltfragen interessiert, sei dann dem WWF beigetreten, sagt die 16-jährige Jana. "Ich kann nicht von Unbeschwertheit reden, wenn ich in die Zukunft blicke. Die extreme Sommerdürre, die Hitzeperioden weltweit, das alles ist ja nur ein Vorspiel auf das was noch kommt und das macht mir schon Angst." 

Jana (Mitte) kämpft für den Klimaschutz, seitdem sie 12 Jahre alt istBild: DW/J. Cwienk

Eine zentrale Forderung der Jugendlichen lautet dann auch: Raus aus der Kohle - jetzt! "Man hätte schon viel früher agieren müssen, es wird immer schwieriger, je mehr Zeit vergeht", sagt Lena. "So viel Zeit haben wir nicht mehr." Leonie nickt.

Demonstrationszug in Bonn

Auch in Bonn sind Schüler an diesem Freitag zu Protesten zusammengekommen. Es sind noch mehr als in Köln. Das lokale Bündnis von "Fridays for Future" spricht von 2000 Demonstranten, die Polizei von 500, die tatsächliche Zahl liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Vom Bonner Münsterplatz ziehen sie zum Gebäude der Vereinten Nationen am Rhein. Auf einem kleinen Lkw stehen Boxen, aus denen Musik tönt. Er fährt dem Tross voraus. 

Schülerstreik in Bonn: Mit Musik und deutlichen Botschaften zum UN-CampusBild: DW/F. Apfel

Rune, 20 Jahre, Student, wiederholt, was bereits mehrere Redner zuvor deutlich gemacht haben: Es muss mehr getan werden. "Die Politik unternimmt nichts gegen den Klimawandel. Aber das ist nötig. Ich denke, dass sie mehr auf Wirtschaftswachstum und auf Geld fixiert sind als auf die Nachhaltigkeit für die nächsten Generationen."

Elterngeneration mit schlechtem Gewissen

Wer hat versagt? Die Politik, die Eltern und Großeltern? Und wer muss handeln? Die Antwort auf diese Fragen fällt sowohl in Köln als auch in Bonn erstaunlich ähnlich aus: Wir alle. "Klar gibt es Menschen, die viel mehr tun können als andere, die eben dafür in die Politik gewählt wurden. Auch die Wirtschaft könnte ein Zeichen setzen", sagt Hannah in Köln. "Aber man kann das nicht auf einzelne schieben, es ist die Masse", gibt Lara zu bedenken. 

Schlechte Noten für den deutschen KlimaschutzBild: DW/F. Apfel

Wütend auf ihre Eltern sind die meisten Jugendlichen hier nicht. Aber sie machen die Umwelt auch zu Hause zum Thema - und ernten dort mit ihren Veränderungsvorschlägen meist Unterstützung: Eltern, die nun auch weniger Fleisch essen und öfter mal das Auto stehen lassen wollen. Eine Elterngeneration mit schlechtem Gewissen, die sich von ihren Kindern mitziehen lässt? So scheint es. "Unsere Generation hat das irgendwie verbockt und die Kinder müssen das nun ausbaden", sagt Andrew Murphy, der mit drei seiner vier Kinder im Bonner Demonstrationszug mitläuft. 

Der schwierige Alltag

Doch sind "die Jungen" wirklich so viel besser als "die Alten"? Ja und nein, sagt Forscher Klaus Hurrelmann. "Zwar haben der Schutz der Umwelt und die Erhaltung der Lebensgrundlagen einen sehr hohen Stellenwert, aber das immer und ganz konsequent im persönlichen Alltag umzusetzen, das fällt auch den Jugendlichen vielfach schwer." Man lasse sich eben doch gerne mal zur Schule fahren anstatt das Fahrrad zu nehmen. Auch der Verzicht auf Plastikverpackungen falle oft nicht leicht. 

Ein Ende der Kohleverstromung - eine der vielen Forderungen bei den SchülerstreiksBild: DW/F. Apfel

Aber: "Die jungen Leute würden dafür plädieren, dass die Politik Regeln vorgibt, die ihnen helfen, ihre Umweltziele zu erreichen. Insgesamt ist ihre Bereitschaft, politische Entscheidungen zu respektieren, die den Umweltschutz stärken, oder solche politischen Entscheidungen herbeizuführen, wesentlich höher als in der älteren Generation." 

Verbote, wir wollen Verbote

Und so sind die Proteste der Jugend gegen die Umweltzerstörung wohl auch ein Ruf nach Verboten - wollte man es negativ ausdrücken. Oder eben nach Entlastung von der so viel beschworenen und eben oft so schwer umzusetzenden Verantwortung des Verbrauchers. 

Bislang aber muss diese jeder selbst tragen, sagt die 16-jährige Jana aus Niederkassel. Aber jeder könne etwas ändern, meint sie. "Öffentliche Verkehrsmittel nutzten statt Autos, keine Billigmode kaufen und weniger Fleisch essen." Vor allem aber sei es wichtig, anderen davon zu erzählen um, wie hier auf den Schülerstreiks, ein Zeichen zu setzen. Denn, davon ist Jana überzeugt: "Nur wenn sich viele engagieren kann es eine echte Veränderung geben." 

Jeannette Cwienk Autorin und Redakteurin, Fokus unter anderem: Klima- und Umweltthemen
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