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Was du über Feuchtgebiete wissen solltest

Tim Schauenberg
2. Februar 2021

Moore, Tümpel und Torflandschaften bekommen nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Dabei könnten sie uns helfen, das Klima und uns selbst zu retten.

China Yanming Lake Nationales Naturschutzgebiet
Bild: picture-alliance/ZUMAPRESS/L. Jie

Warum sollten uns Feuchtgebiete überhaupt interessieren?

Ob das gigantische Pantanal-Feuchtgebiet im Westen Brasiliens, das Sudd-Überschwemmungsgebiet im Südsudan oder das Wasjugan-Moor in Westsibirien: Obwohl Feuchtgebiete weniger als 4 Prozent der Erdoberfläche bedecken, leben dort 40 Prozent aller Tierarten bzw. machen dort Halt, um sich fortzupflanzen. Ein Drittel der gesamten organischen Substanzen unseres Planeten ist dort gespeichert. Feuchtgebiete filtern, speichern und versorgen den Planeten mit Wasser und Nahrung - sie sind Lebensgrundlage für eine Milliarde Menschen weltweit.

Darüber hinaus sind sie von entscheidender Bedeutung für die Regulierung des Klimas auf dem Planeten, sagt James Dalton von der Weltnaturschutzunion IUCN, einem Dachverband zahlreicher internationaler Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen.

Moore und Torfböden speichern weltweit doppelt so viel Kohlenstoff wie die gesamte Biomasse aller Wälder der Erde zusammen. 

Der Anavilhanas-Nationalpark im Nordwesten Brasiliens - noch sind einige Teile des Amazonas unberührtBild: Landsat/NASA
Fast ganz Nordsibirien ist ein Gebiet mit reichhaltigen Wasserressourcen und TorfbödenBild: Landsat/NASA

Vom CO2-Speicher zum CO2-Emittenten?

Staudämme, das Abpumpen von Grundwasser, steigende Wasserverschmutzung und die Nutzbarmachung für die Industrie oder Landwirtschaft haben Feuchtgebiete weltweit seit 1970 um 35 Prozent schrumpfen lassen. Mit geschätzten 60 Prozent zerstörter Gebiete führt Lateinamerika die Tabelle an - dabei sind die Verluste im Gebiet des Orinoco-Flusses in Kolumbien und Venezuela und des Amazonas noch nicht mit eingerechnet. In asiatischen Ländern sind in diesem Zeitraum etwa ein Drittel aller Feuchtgebiete zerstört worden, in Afrika sogar mehr als 40 Prozent. Dazu dürfte auch die Abholzung in den Wäldern des Kongobeckens beigetragen haben, dem viertgrößten Feuchtgebiet der Welt. 2018 sind dort in nur einem Jahr eine Fläche so groß wie Belgien oder Haiti gerodet worden.

Den größten Anteil am steigenden Wasserstress weltweit hat die Landwirtschaft. Nach Weltbank-Angaben verbraucht die landwirtschaftliche Nutzung der Böden 70 Prozent des jährlichen Trinkwasserbedarfs. Ein Großteil davon wird für die Viehzucht und den Anbau von Viehfutter, wie zum Beispiel Soja, verwendet.

Die Trockenlegung der Gebiete für den Torfabbau schadet dem Klima gleich doppelt. Nicht nur der CO2-Speicher wird zerstört. "Wenn man diese Böden entwässert, setzt man auch die Gase frei, die in diesen Gebieten gespeichert sind", warnt Dalton.  Dazu gehört auch das klimaschädliche Gas Methan.

Der Weiße Nil ist einer der beiden Hauptnebenflüsse des Nils und einer der Lebensadern in der RegionBild: Landsat/NASA

Denn mit steigenden Temperaturen und dem Austrocknen von Feuchtgebieten können sie von Treibhausgas-Speichern zu Treibhausgas-Quellen werden. Wenn sie noch nass sind, speichern sie den Kohlenstoff. Trocknen sie aber, beginnt die Zersetzung des biologischen Materials. Durch diesen Prozess wird Kohlenstoff freigesetzt. Das gilt auch für dauerhaft gefrorene Permafrost-Böden in der Antarktis und Kanada. Mit steigenden Temperaturen schmelzen sie immer schneller. Verschwänden sie ganz, würde in etwa so viel CO2 freigesetzt werden, als ob die USA bis 2100 jährlich weiterhin genauso viele fossile Brennstoffe emittieren würden wie heute. Durch Rekordtemperaturen in Sibirien im vergangenen Jahr ist es auch zu riesigen Bränden auf Torfböden gekommen. Brennender Torf setzt 10 bis 100-mal so viel CO2 frei wie brennende Bäume.

Schrumpfende Mangrovenwälder bedrohen nicht nur die Küsten, wie hier etwa in FloridaBild: Landsat/NASA

Feuchtgebiete als Katastrophenschutz

Mit dem Klimawandel werdenUmweltkatastrophen wie Stürme und Fluten stärker. Feuchtgebiete wie Mangroven und Salzwiesen und -sümpfe in Küstennähe können dem etwas entgegensetzen.

Forscher der University of California, Santa Cruz haben berechnet, dass Salzwiesen und Sümpfe den Schaden an Häusern durch Hurrikane Sandy an der Ostküste der USA 2012 insgesamt um 625 Millionen US-Dollar reduziert haben. An manchen Orten wurde der Schaden sogar um 70 Prozent abgewendet. Der Grund: Feuchtgebiete bremsen die Kraft der Wellen. Abgesehen vom ökologischen Beitrag "ist das der Wert unserer Feuchtgebiete heute -, und das ist der Grund, warum wir in einen besseren Schutz investieren und sicherstellen müssen, dass sie geschützt werden, " sagt Siddharth Narayan, einer der Autoren der Studie.  "Wenn sie verloren gehen, werden die Schäden, die wir sehen, zunehmen."

Die Feuchtgebiete, die New Orleans vom Golf von Mexiko abgrenzen, zeigen immer noch Spuren von Hurrikane KatrinaBild: NASA/J. Allen

Einmal zerstört, und dann? 

Zerstörte Feuchtgebiete wieder herzustellen ist langwierig und teuer. 

Im Osten von Großbritannien wurde 2018 nach fast zehn Jahren Restauration über 600 Hektar Salzwiesen und Teile einer natürlichen Lagune wiederhergestellt. Vor 500 Jahren legte man das Gebiet für die Landwirtschaft trocken und zerstörte damit das natürliche Feuchtgebiet weitgehend. Abgesehen von unzähligen Pflanzen und Tieren, die sich dort ansiedeln können, entlastet das Feuchtgebiet die Wasserschutzdämme. Allein der Wert für den Küstenschutz soll bei einer Milliarde Pfund liegen.

"Natürlich wird an vielen Stellen Restaurierung nötig sein. Aber wenn wir das, was wir haben, zunächst einmal schützen können, sollten wir uns meiner Meinung nach darauf konzentrieren", sagt Narayan. "Wir können diese Systeme nicht nachbauen", ergänzt Dalton von der Weltnaturschutzunion IUCN. Die Ironie dabei sei, dass wir einige der effizientesten Systeme für die Erreichung von Klima- und Biodiversitätszielen de facto vernichteten. Torfhaltige Wälder im Kongo, dem Amazonas-Gebiet, Indonesien und Sibirien und Mangrovenwälder müssten besser geschützt werden. Bislang stehen weltweit weniger als ein Fünftel aller Feuchtgebiete auf einer Fläche so groß wie Mexiko unter Schutz. Der flächenmäßige Großteil davon liegt in Afrika, Lateinamerika und der Karibik.

Bedrohte Feuchtgebiete am Rio Magdalena

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