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Klimawandel: Eine Frage der globalen Sicherheit

20. Februar 2022

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wurde viel über die Krise um die Ukraine gesprochen. Die Bedrohung der Sicherheit durch den Klimawandel geriet in den Hintergrund. Diskutiert wurde darüber aber auch.

Münchner Sicherheitskonferenz Panel über Sicherheitsfragen und Energie
Debatte in München über das Klima mit Franziska Brantner (links) und John Kerry (daneben).Bild: Tobias Hase/dpa/picture alliance

Es war ein zutiefst pessimistisches Bild, das Johan Rockström, einer der Direktoren des renommierten Klima-Folgenforschungs-Instituts in Potsdam (PIK), da auf der Münchner Sicherheitskonferenz zog. Die Klima-Krise, so Rockström, stelle längst einen "planetarischen Notfall" dar. Die Folgen der Erderwärmung seien sehr viel schneller spürbar, als viele Beobachter das noch vor wenigen Jahren hätten ahnen können. Hitze und Dürren, Überschwemmungen und Sturmfluten bedrohten nicht nur die davon betroffenen Menschen, sondern hätten längst gravierende Auswirkungen auf die internationale Sicherheit. 

Rockström: "30 Millionen Klima-Vertriebene 2020"

Eine durchschnittliche Erderwärmung von rund 2 Grad, verglichen mit dem Niveau vor der Industrialisierung um 1850 herum, sei nach wissenschaftlichen Erkenntnissen noch so eben beherrschbar. Die Menschheit habe davon aber bereits 1,2 Grad erreicht, allen Bemühungen um Schutz des Klimas zum Trotz. Konkret bedeute das, so Rockström: "30 Millionen Menschen sind 2020 wegen Extrem-Wettereignissen aus ihrer Heimat vertrieben worden. Und sechs von zehn UN-Friedenseinsätzen finden zurzeit in Ländern statt, die am stärksten von der Klima-Krise betroffen sind." Flucht und Vertreibung mit allen Folgen gehen also immer öfter auf den Klimawandel zurück. 

Die möglicherweise vierte Dürre in Folge in Äthiopien verstärkt die politischen KonflikteBild: Maria Gerth/DW

Klimawandel und der arabische Frühling

Und Rockström lieferte weitere plastische Beispiele, wie die Bedrohung der Sicherheit mit der Bedrohung durch den Klimawandel zusammenhängt: Bereits 2010 habe der Klimawandel etwa die Umbrüche des arabischen Frühlings angeheizt. Das Verbot des Exports von Weizen aus Russland wegen der Waldbrände dort hätte damals die arabischen Länder hart getroffen, ebenso der Export-Stopp von Grundnahrungsmitteln aus Australien wegen der dortigen heftigen Waldbrände. Das habe die politischen Konflikte weiter angestachelt. Und, ganz aktuell: "Das gleiche gilt für das heutige Äthiopien, das auch in Folge der möglicherweise vierten Dürre in Folge auseinander bricht."

Guterres: "Wir verlieren gerade das Rennen"

Antonio Guterres sagt, es müsse mehr getan werdenBild: Andreas Gerbert/AA/picture alliance

Auch andere hohe Repräsentanten auf der Konferenz zeichneten ein eher düsteres Bild. So sagte UN-Generalsekretär António Guterres: "Beim Klimawandel gewinnen wir das Rennen derzeit nicht, wie verlieren es." Und John Kerry, der Klima-Beauftragte der amerikanischen Regierung und frühere Außenminister, ergänzte: "Selbst wenn wir 2050 klima-neutral werden, müssen wir mit dem Kohlendioxid in der Atmosphäre klar kommen." Klima-Neutralität bis 2050, das haben sich viele Staaten des Westens und auch die EU auf die Fahnen geschrieben. Kerry sagte, auf der jüngsten UN-Klimakonferenz im vergangenen November im schottischen Glasgow hätten sich zwar so viele Staaten zum 1,5 Grad-Ziel bekannt, dass damit 65 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts abgedeckt seien. Aber etwa Russland zähle nicht dazu. Zwar seien die erneuerbaren Energien überall auf dem Vormarsch, der Energiehunger von Staaten wie China oder Indien treibe die Emissionen aber dennoch nach oben.

Russland und die Pipeline Nord Stream 

Annalena Baerbock erwähnt explizit Nord Stream 2 Bild: ANDREAS GEBERT/REUTERS

Russland ist dann auch ein gutes Beispiel, wie eng Sicherheitsfragen mit Fragen der Energieversorgung und des Klimaschutzes verknüpft sind,  gerade auch für Deutschland. Gut die Hälfte des Erdgases, das Deutschland bezieht, stammt von russischen Lieferanten wie dem Staatskonzern Gasprom. Mit der neuen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 würde der Anteil noch steigen. Aber ob die wirklich ans Netz gehen kann, ist wegen des Konflikts um die Ukraine mehr als unsicher. Die Leitung ist fertig gebaut, wartet aber noch auf letzte Genehmigungen durch deutsche Behörden.

In München etwa sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen, sollte Russlands Präsident Putin in der Ukraine tatsächlich intervenieren, seien alle Optionen deutscher Gegenreaktionen auf dem Tisch, "auch Nord Stream 2". Zwar erwähnte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ebenfalls in München die Pipeline, lange Jahre auch ein Lieblingsprojekt der deutschen Sozialdemokraten, nicht wörtlich. Aber viele Beobachter gehen davon auf, dass die Bundesregierung das Projekt zumindest vorläufig stoppen muss, wenn Putin in der Ukraine aktiv wird.

Auswirkungen auf Deutschlands Klimapläne

Das wiederum hätte gravierende Auswirkungen auf die deutschen Klimaschutzpläne. Die Ampel-Koalition von Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen setzt auf einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien und auf einen früheren Ausstieg aus der Kohle-Verstromung bereits um 2030 herum. Die alte Regierung hatte noch geplant, bis 2038 aus der Kohle aus zu steigen. Ende dieses Jahres werden zudem die letzten deutschen Kernkraftwerke abgeschaltet. Gas, vor allem aus Russland, wird da als Brücken-Technologie dringend benötigt. Kommt es wegen des Ukraine-Konflikts zu Liefer-Engpässen oder gar Stopps, bleibt nach Ansicht der Staatssekretärin im deutschen Wirtschaftsministerium, Franziska Brantner von den Grünen, nur, den Ausbau von Wind - und Sonnenenergie noch einmal zu beschleunigen. Sie sagte in München: "Wenn wir unsere Sicherheit garantieren wollen, was Energie angeht, müssen wir besser und schneller sein, was die erneuerbaren Energien angeht." 

Scholz: "Ein möglicher Krieg überstrahlt alles andere"

Scholz: "Der Konflikt um die Ukraine überstrahlt gerade alles andere."Bild: Tobias Hase/dpa/picture alliance

Aber auch, wenn der Zusammenhang von Energie-, Klima- und Sicherheitspolitik auch in München immer deutlicher wird: Bundeskanzler Scholz gestand in seiner Rede ein, dass diese Fragen und sogar Fragen etwa der Corona-Pandemie im Moment tatsächlich weniger wahrgenommen würden. "In Europa droht wieder ein Krieg. Und das Risiko ist alles andere als gebannt", so der Kanzler. Der Konflikt Russlands mit der Ukraine überstrahle im Moment alle anderen Themen. 

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