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ReiseEuropa

Klimawandel: Eignet sich Südeuropa noch als Reiseziel?

15. August 2023

Immer häufigere Hitzewellen, Dürreperioden und Waldbrände suchen die Mittelmeerländer heim. Das wird nicht ohne Folgen für den Tourismus bleiben.

Waldbrände in Griechenland - Rhodos
Auf der griechischen Insel Rhodos hinterließen Waldbrände eine Spur der VerwüstungBild: Christoph Reichwein/dpa/picture alliance

Obwohl rund ums Mittelmeer immer wieder verheerende Waldbrände toben, eine Hitzewelle nach der anderen für Temperaturen weit jenseits der 40 Grad sorgt und die Dürreperioden überhaupt nicht mehr enden wollen, verzeichnen Urlaubsländer wie Spanien, Griechenland und Italien auch in diesem Jahr wieder Touristenrekorde. "Stand jetzt ist eine Veränderung des Reiseverhaltens wegen des Klimawandels nicht zu beobachten", sagt Tourismus-Professor Stefan Gössling, der an der Linnaeus Universität im schwedischen Kalmar zu den Themen Nachhaltigkeit und Klimawandel forscht.

Mittelmeerländer sind weiterhin gefragt

Das belegen auch die Zahlen. In Italien rechnet man in diesem Jahr mit einem neuen Touristenrekord. In Spanien sind die Hotels ebenfalls wie gewohnt gut gebucht. Laut Angaben des Deutschen Reiseverbandes gehören die Mittelmeerländer auch in diesem Jahr zu den gefragtesten Reisedestinationen der Deutschen. Der jüngsten Prognose der European Travel Commission zufolge sind Frankreich, Italien und Spanien unverändert die gefragtesten Reiseländer der Europäer. Griechenland und Kroatien folgen dann auf den Plätzen fünf und sechs.

Italien verzeichnet in diesem Sommer trotz großer Hitze Besucherrekorde. Hier: das Kolosseum in RomBild: Fabio Frustaci/Ansa/Zuma/picture alliance

"Die meisten Reisenden verfügen über ein chronisches Kurzzeitgedächtnis", sagt Professor Ulrich Reinhardt, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen in Hamburg. Zu attraktiv seien die sonnigen Strände, das warme Wetter, die Freundlichkeit der Gastgeber sowie die Möglichkeiten und Attraktionen vor Ort. "Daher werden auch in Zukunft viele Urlauber ihre Ferien in Regionen verbringen wollen, die der Gefahr von Extremwetterlagen ausgesetzt sind." Dennoch bleiben die Auswirkungen der Klimawandelfolgen auf den Tourismus in den Mittelmeerländern nicht aus, da sind sich die Experten einig.

Südeuropas Attraktivität nimmt ab

"Es wird allmähliche Veränderungen geben", sagt Professor Gössling. Mit Sicherheit werde in Spanien, Italien und Griechenland künftig die Nebensaison stärker genutzt werden. Die Autoren einer kürzlich veröffentlichten Studie der EU-Kommission kommen zu dem Schluss, dass südliche Regionen mit einem "erheblichen Rückgang der touristischen Nachfrage konfrontiert sind". Die Attraktivität Südeuropas als Fremdenverkehrsregion werde im Sommer abnehmen. Nord- und Mitteleuropa dagegen können vom Klimawandel profitieren und steigern ihre touristische Anziehungskraft.

Das sieht auch Zukunftsforscher Ulrich Reinhardt so. Nördlichere Destinationen hätten bereits in den vergangenen Jahren einen Beliebtheitsschub erfahren. "Allerdings werden die Reisenden auch in 20 oder 50 Jahren ihren Sommerurlaub nicht ausschließlich in Skandinavien verbringen", prognostiziert er. "Allein schon, weil diese Länder weder auf Massentourismus ausgerichtet sind, noch diesen wollen." Boomen würden daher Destinationen, die schon heute auf die Reisebranche ausgerichtet sind, wie etwa Nord- und Ostsee. "In Europa erwarte ich eine Renaissance des Alpentourismus und eine zunehmende Popularität osteuropäischer Gebiete."

Die Ostsee dürfte als Reiseziel künftig noch stärker gefragt sein. Hier: die Insel RügenBild: Stefan Sauer/dpa/picture alliance

Berge statt Ballermann, Tallinn statt Athen

Geschehen werde all dies schneller als erwartet, zunächst noch als Ergänzung und nicht als Ersatz zu mediterranen Zielen. "Schon in 20 Jahren aber werden mehr Urlauber ihre Ferien in den Bergen als am Ballermann verbringen", ist sich Reinhardt sicher. Städtereisen würden häufiger nach Reykjavik, Tallinn oder Kopenhagen führen und dafür seltener nach Athen, Venedig oder Barcelona. Um sich den geänderten Bedingungen anzupassen, ist laut Tourismusforscher Stefan Gössling eine "strategische Adaptationsarbeit" nötig, die in vielen südlichen Ländern allerdings noch nicht weit fortgeschritten sei. Dabei wäre das dringend erforderlich, um das Tourismusangebot zu diversifizieren. "In den Mittelmeerländern wurde lange zu sehr auf Sonne- und Meer-Tourismus gesetzt."

Tatsächlich scheint das Thema beispielsweise in Spanien nicht ganz oben auf der Tagesordnung zu stehen. Im aktuellen Branchenbericht des wichtigsten Tourismusverbandes Exceltur etwa taucht das Wort "Klimawandel" überhaupt nicht auf. "Viele Hotels vor Ort reagieren nach dem Motto 'Klimaanlagen gegen den Klimawandel', was kurzfristig zwar die Gäste ansprechen wird, energietechnisch aber natürlich in die falsche Richtung geht", sagt Reinhardt. Große Anstrengungen seien nötig, etwa beim Schutz vor Überschwemmungen, bei der Einrichtung von Frühwarnsystemen, sowie der Verbesserung der Wasserversorgung.

Im spanischen Benidorm hat man lange Zeit ausschließlich auf den Sonne- und Strand-Tourismus gesetztBild: Dimitri Drofit/Eibner/picture alliance

Erste Schritte zur Anpassung

"Die Fortschritte sind langsamer, als es nötig wäre", sagt auch Professor Jorge Olcina, Geograf und Klimawandelexperte an der Universität im südspanischen Alicante. "Aber zumindest werden die ersten Schritte unternommen." So gebe es in Spanien seit 2021 ein Klimawandel-Gesetz und mehrere Städte und Regionen hätten eigene Pläne zur Anpassung an die sich verändernden Bedingungen beschlossen. So etwa Benidorm, eine Tourismus-Hochburg an der Costa Blanca. Dort will man künftig unter anderem verstärkt die Nebensaison bewerben. Denn die steigenden Temperaturen führten zu Veränderungen der Touristenströme, heißt es in dem entsprechenden Dokument. Urlauber könnten künftig Reiseziele mit milderem Klima bevorzugen. Zumindest in diesem Sommer ist davon aber noch nichts zu spüren: Der lokale Hoteliersverband erwartete für August eine Auslastung von 90 Prozent.

 

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