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Klimawandel: Hochwasserrisiko steigt weltweit dramatisch

12. Januar 2018

Das Klima wird wärmer und deshalb gibt es oft mehr Regen. Flusspegel steigen, Überschwemmungen und Naturkatastrophen nehmen zu. Eine Studie kommt zum Ergebnis: Schutz vor Hochwasser wird immer wichtiger fürs Überleben.

Peru Anwohner in Wasserflut in Lima
Wasserfluten in Lima nach heftigen Regenfällen 2017 Bild: picture alliance/dpa/AP Photo

Es ist das Gesetz der Physik: Wärmere Luft nimmt über dem Meer mehr Luftfeuchtigkeit auf, es gibt entsprechend mehr Wolken, mehr Regen - und auch mehr extreme Regenfälle über dem Land. Klimaforscher registrieren seit Mitte der 1980er Jahre eine weltweite Zunahme von rekordverdächtigen Regenfällen um etwa 20 Prozent.

Schon heute gehören extreme Regenfluten mit Überschwemmungen von Flüssen weltweit zu den häufigsten und verheerendsten Naturkatastrophen. Mit zunehmender Erderwärmung nehmen diese Katastrophen zu.

Durch den historischen Rekord von CO2 in der Atmosphäre von über 403 Teilchen pro Millionen Teilchen (ppm) steigt nach Berechnungen von Klimaexperten die Erderwärmung in den nächsten Jahrzehnten weiter. Heute liegt die globale Temperatur im Durchschnitt schon etwa einen Grad Celsius höher als vor Beginn der industriellen Zeit um 1850, die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie um 2040 schon bei 1,5 Grad liegt.

Tropensturm Harvey 2017: Eine ältere Frau wird in Houston (USA) aus ihrem Haus vor den Fluten gerettet.Bild: picture-alliance/AP Photo/C. Riedel

Wissenschaftler vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) haben jetzt erstmalig für Regionen und Städte in allen Teilen der Welt genau berechnet, wie nötig die Erhöhung des Hochwasserschutzes in den kommenden zwei Jahrzehnten ist, um die Folgen von mehr Regen bewältigen zu können. Im Fachblatt Science Advances wurde die Studie jetzt veröffentlicht.

Den höchsten Anpassungsbedarf sehen die Forscher in Teilen von Indonesien, Indien, Afrika, USA und Mitteleuropa, einschließlich Großbritannien, Frankreich und Deutschland.

Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen wie Deichbau, verbessertes Flussmanagement, Veränderungen von Baustandards oder Verlagerungen von Siedlungen seien viele Millionen Menschen von schweren Überschwemmungen bedroht.

"Mehr als die Hälfte der USA müssen ihr Schutzniveau innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte mindestens verdoppeln, wenn sie einen dramatischen Anstieg der Hochwasserrisiken vermeiden wollen", sagt der leitende Autor der Studie, Sven Willner vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Die Zahl der Menschen, die von den stärksten 10 Prozent der Hochwasserereignisse betroffen sind, erhöht sich nach Angaben der Forscher in diesem Zeitraum in Nordamerika von 100.000 auf eine Million und in Deutschland von 100.000 auf 700.000.

In Deutschland sind besonders die Menschen in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Brandenburg betroffen. Hier steige die Zahl der Menschen, die unter Hochwasser zu leiden haben, im Vergleich zu heute um das acht- bis 14-fache.

 

Noch dramatischer wird die Situation in Europa allerdings für viele Menschen in Großbritannien und Frankreich werden. Nach Berechnungen der Klimaforscher steige hier die Zahl der von Hochwasser betroffenen Menschen in den kommenden zwei Jahrzehnten in Großbritannien sogar um das 28-fache und in Frankreich um das 15-fache.

In Südamerika kann die Zahl der von Hochwasserrisiken betroffenen Menschen in den kommenden zwei Jahrzehnten voraussichtlich von sechs auf zwölf Millionen steigen, in Afrika von 25 auf 34 Millionen, und in Asien von 70 auf 156 Millionen mehr als verdoppelt.

Die Anzahl der betroffenen Menschen könnten in Zukunft jedoch auch noch höher ausfallen. In der Studie wurde das Bevölkerungswachstum und die zunehmende Urbanisierung  von den Forschern nicht berücksichtigt. 

In Indonesien wird die Zahl der betroffenen Menschen, wie hier 2017 in Jakarta, nach Prognosen um das 25-fache ansteigen. Bild: picture-alliance/dpa/AP-Photo/D. Alangkara

Weltweit hoher Anpassungsbedarf

Anhand von einer Vielzahl von weltweit vorhandenen Daten wurde die Studie mit Hilfe von Computersimulationen erstellt. 

"Diese Daten liegen zwar nicht für jeden Fluss in den entlegensten Winkeln unseres Planeten in höchster Präzision vor, aber sie sind hinreichend gut für all jene Orte, an denen viele Menschen leben, wo viele finanzielle Werte gebunden sind, und wo das Hochwasserrisiko erheblich ist. Wir wissen also genug über die Orte, auf die es ankommt", sagt Willner.

Die Daten über Veränderungen von Niederschlägen, Verdunstung und Wasserkreisläufen stammen aus dem weltweit größten Projekt zum Vergleich von Modellen zur Klimawirkung dass von Mitautorin Katja Frieler koordiniert wird. Nach Angaben der Wissenschaftler sind somit auch die lokal berechneten Vorhersagen etwa zehnmal präziser als bei bisher gängigen Computersimulationen.

"Wir waren überrascht, dass selbst in hoch entwickelten Ländern mit guter Infrastruktur der Anpassungsbedarf so groß ist", sagt Co-Autor Anders Levermann Leiter der globalen Anpassungsforschung am PIK und Forscher am Lamont-Doherty Earth Observatory der Columbia University in New York.

"In der Studie nehmen wir an, dass die Menschen das Schutzniveau, das sie heute haben, behalten wollen. Folglich muss in Ländern mit einem recht guten Schutzniveau viel getan werden, um den Standard aufrecht zu erhalten und zu verhindern, dass Menschen aufgrund von Überschwemmungen tatsächlich ihre Häuser verlassen müssen."

Japan nach dem Taifun Lionrock 2016: Das Hochwasser unterspült und zerstört ein Haus auf der Insel Hokkaido.Bild: picture-alliance/AP Photo/R. Ominato

Handeln dringend erforderlich

Die Forscher warnen vor Ignoranz und fordern konkretes Handeln: "Nichtstun wäre gefährlich", warnt Levermann. Um die Sicherheit der Menschen Welt weit zu gewähren, müssten Anpassungen vor Ort gegen mehr Regen, Hochwasser und Fluten jetzt unternommen werden und der Ausstieg aus der Nutzung von Kohle, Öl und Gas schnell erfolgen, damit die globale Durchschnittstemperatur noch deutlich unter zwei Grad bleiben kann.

Steigt die Temperatur auf zwei Grad, so würden die Wassermengen zum Teil so stark, dass vielerorts die Anpassungsmaßnahmen sehr schwierig und unmöglich würden.

Welche Kosten bereits heute, bei einer Temperaturerhöhung von einem Grad entstehen, bezifferte gerade die Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft Munich RE. Nach Schätzungen des größten Rückversicherers der Welt verursachten im letzten Jahr Stürme, Überschwemmungen und Erdbeben Schäden von insgesamt 330 Milliarden Dollar.

Hauptursache für die hohen Kosten seien vor allem die Unwetter: "einerseits, weil es mehr davon gibt, anderseits weil im immer größere Schäden anrichten", sagt der Klimafachmann Ernst Rauch gegenüber Reuters.

In Zukunft müsse man sich nach seiner Einschätzung an solche Schadenssummen gewöhnen, heute seien Sturm und Flutschäden wie in 2017 schon schlicht eine "neue Normalität", so Rausch. Ganz anders waren die Schadenssummen noch vor wenigen Jahren: "Vor 2005 gab es kein Jahr, in dem wir auch nur annähernd an hundert Milliarden herangekommen wären", bilanziert der Geophysiker.

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