1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Klimawandel in der Sprache: Waldbrände sind Klimabrände

Stuart Braun
23. September 2020

Das Ausmaß der Waldbrände bricht in den USA alle Rekorde. Die Rufe werden lauter sie "Klimabrände" zu nennen, die Sprache solle unmissverständlich sein. Brauchen wir einen Klimawandel auch in der Sprache?

USA Waldbrände in Kalifornien ein Hubschrauber fliegt vor einer Feuerfront
Bild: picture-alliance/AP Photo/File/R. H.W. Chiu

"Das sind keine Waldbrände, das sind Klimabrände", sagte Jay Inslee, Gouverneur des Staates Washington, als er Anfang des Monats inmitten der verkohlten Überreste der Stadt Malden westlich von Seattle stand. "Dies ist kein Akt Gottes", fügte er hinzu. "Das hier ist passiert, weil wir das Klima im Bundesstaat Washington auf dramatische Weise verändert haben."

Megabrände verwüsteten in den vergangenen Wochen die gesamte Westküste der USA. Inslee lehnte es deshalb ab von Waldbränden zu sprechen, der Begriff würde vor allem natürliche Brände implizieren.

"Klimabrände" dagegen verbindet die in bisher ungesehenem Ausmaß wütenden Brände in Kalifornien, Oregon und Washington mit der menschengemachten Erderhitzung - verursacht durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas

Als Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom die verkohlte Landschaft im Bezirk Oroville in seinem Heimatstaat inspizierte, ging er ziemlich deutlich auf die Ursache der Brände ein. "Dies ist ein verdammter Klimanotstand."

Der deutliche Fingerzeig auf die Verbindung zum Klima ist auch eine Reaktion auf die Behauptung von US-Präsident Donald Trump, die Feuer wären vor allem auf schlechte Bewirtschaftung der Wälder zurückzuführen, nicht auf den Klimawandel.

Auch in den Medien spielt der Klimawandel keine große Rolle. Eine Untersuchung zeigt, dass während des Höhepunkts der Brände an der Westküste der USA gerade mal 13 Prozent der ausgestrahlten Nachrichtenstücke zum Thema den Klimawandel erwähnten.

"Das sind keine Waldbrände"

Sam Ricketts war klimapolitischer Leiter im Wahlkampf von Washingtons Gouverneur Inslee. Er twitterte am 11. September: "Das sind keine Waldbrände. Dies sind Klimabrände, verursacht durch die Umweltverschmutzung mit fossilen Brennstoffen."

"Das Tempo, die Stärke und die Verwüstung, die diese Katastrophen anrichten, werden durch den Klimawandel angeheizt", sagt Ricketts gegenüber der DW und berichtet von Bränden, die in Kalifornien, Oregon, Washington State und im benachbarten Idaho weit über zwei Millionen Hektar Land vernichtet haben. 

Er fügt hinzu, dass Anfang September innerhalb von zwei Tagen im Bundesstaat Washington mehr Brände gemeldet wurden als in einer gesamten normalen Feuersaison.

Währenddessen meldete der US National Weather Service im Death Valley in Kalifornien beinahe 55 Grad Celsius, die heißeste jemals gemessene Temperatur auf Erden. Die Nachricht passte zum heißesten kalifornischen Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, womit der Bundesstaat in Sachen Waldbrandgefahr zum Pulverfass wurde.

Die Feuer im australischen Sommer 2019 bis 2020, im sogenannten Black Summer, zeigen, dass die Brände immer größer werden, immer länger brennen und Jahr für Jahr neue Rekorde aufstellen. Aber nicht nur die USA und Australien sind betroffen. Auch in Brasilien brennen in dem riesigen und artenreichen Patanal-Feuchtgebieten derzeit Feuer im katastrophalen Ausmaß.

#Climatefires begann in Australien

Laut Ricketts hatte der Begriff "Klimabrände" im Statement von Washingtons Gouverneur Inslee diesen Monat US-weite Premiere in der Öffentlichkeit. Das erste Mal tauchte der Begriff allerdings in Australien Ende 2019 auf, als die Brände außer Kontrolle gerieten. Angesichts einer 2000 km langen Feuerfront und dem Verhalten von Regierungsvertretern und Medien, die die Verbindung zum Klimawandel herunterspielten, entschied die grüne Senatorin Sarah Hanson-Young, dass der Begriff "Buschfeuer" nicht mehr angemessen sei und missverständlich ist. "Wir müssen anfangen, sie Klimafeuer zu nennen, denn das ist, was sie eigentlich sind", so die Senatorin gegenüber DW. 

Eine Feuerlinie fegt über weite Gebiete von Australien Anfang 2020Bild: picture-alliance/dpa/Photoshop/Changchang

Hanson-Young weist darauf hin, dass Wissenschaftler seit Jahrzehnten davor warnen, dass genau dies die Auswirkungen der globalen Erderwärmung sein würden. "Uns wurde gesagt, dass der Klimawandel genauso aussehen würde. Extremes Wetter und damit einhergehende Zerstörungen. Und genau das sehen wir jetzt direkt vor unserer Haustür", so Hanson-Young weiter. In Ihrem Heimatstaat Südaustralien wurden bereits Anfang September Brandwarnungen herausgegeben. Sie ergänzt: "Sie als Klimafeuer zu bezeichnen, machte es absolut und kristallklar. Es ist wichtig, dass es da keine Missverständnisse gibt."

Hanson-Young entschied sich bewusst zum Wortwechsel und fing kurz darauf an, den Hashtag #climatefires in sozialen Medien zu verbreiten.

Welche Worte treffen Dringlichkeit von Erderhitzung?

"Können wir jetzt bitte alle damit aufhören, 'Klimawandel' zu sagen, und ihn stattdessen als das bezeichnen, was er ist: Klimakatastrophe, Klimakrise, Klima-Notstand, ökologischer Zusammenbruch, ökologische Krise und ökologischer Notstand", forderte die Aktivistin Greta Thunberg im vergangenen Jahr auf Twitter. Der Begriff 'Klimawandel' spiegelt nicht den Ernst der Lage wieder, so Thunberg.

Kalifornien: Feuerwehrleute im Dauereinsatz

02:32

This browser does not support the video element.

Die Forderung nach differenzierteren Ausdrücken, die der Dramatik der Erderhitzung und den Folgen gerecht werden, ist nicht neu und Teil eines umfassenderen Vorstoßes.

"Über den Klimawandel wird seit langem als eine Gefahr in der Zukunft gesprochen", sagt die Politikerin Hansen-Young. "Aber die Folgen sind bereits da. Wenn die Menschen das Wort Krise hören, verstehen sie, dass etwas geschehen muss, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen." 

Die neue Wortwahl wird teilweise bereits von der Politik übernommen. Beispielsweise riefen im vergangen Jahr Landesregierungen, ganze Staaten und sogar das EU-Parlament den offiziellen Klimanotstand aus.

Worte, die Erkenntnisse der Wissenschaft widerspiegeln 

Doch während Gouverneure an der US-Westküste die Brände inbrünstig mit einer sich ausbreitenden Klimakrise in Verbindung bringen, vermeidet US-Präsident Donald Trump weiterhin jede Bezugnahme auf die Erderhitzung. Auf die Aufforderung vom kalifornischen Minister für natürliche Ressourcen (Natural Resources Secretary), Wade Crowfoot, mit den Bundesstaaten in der Klimakrise zusammenzuarbeiten, reagierte Trump in einem Briefing zu den Bränden mit den Worten: "Es wird allmählich kühler werden. Schauen Sie einfach hin." Crowfoot antwortete, dass die Wissenschaftler da anderer Meinung seien. Trump daraufhin: "Ich glaube nicht, dass die Wissenschaft das wirklich weiß."

San Francisco: Oranger Himmel durch die Feuer an der Westküste der USA Bild: AFP/B. Hosea-Small

Das erinnert zumindest in der Öffentlichkeit stark an den wissenschaftsfeindlichen Umgang der Trump-Regierung mit der Corona-Pandemie. Mit dem Rückzug der USA aus dem Pariser Klimaabkommen sowie der Freigabe der höchst umstrittenen Keystone-XL-Öl-Pipeline zwischen Kanada und den USA durch die Trump-Administration gehören vor allem Unternehmen fossiler Brennstoffe zu den Profiteuren von Trumps Verleugnung der Klimawissenschaften.

Aber die Wissenschaftsgemeinschaft hat reagiert: Das Magazin Scientific American hat Trumps Herausforderer, dem demokratischem Präsidentschaftskandidaten Joe Biden, seine Unterstützung zusagt. Es ist die erste offizielle Präsidentschaftsempfehlung in der 175-jährigen Geschichte des Magazins.

Hanson-Young sagt, Formulierungen wie "Klimabrände" zu benutzen sei gerade wegen Klimaleugner in Politik und Medien auch in Australien wichtig gewesen. Zu den besonders starken Klimaleugnern gehörten die Publikationen vom Verleger Rupert Murdoch. Da die Brände im vergangenen Jahr vor allem im dichter besiedelten Südosten Australiens wüteten, hatten Murdochs Medien in der Regel Brandstiftung als Hauptgrund für die Feuerkatastrophe ausgemacht - eine Taktik, die vor kurzem auch in den USA angewandt wurde.

US-Präsident Donald Trump beim Pressebriefing zu den Waldbränden am 14. September 2020Bild: Reuters/J. Ernst

Klimarethorik und Instinkt

Wie die Kandidaten über das Thema Erderhitzung sprechen ist längst Teil des US-Präsidentschaftswahlkampfs. Der demokratische Kandidat Joe Biden bezeichnete Präsident Trump als "Klima-Brandstifter". 

Gleichzeitig wirbt er für einen robusten Klimaplan, mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 in den Vereinigten Staaten und eine Rückkehr in das Pariser Klimaabkommen. Obwohl ihm der Ehrgeiz des New Green Deal nach dem europäischen Modell fehlt, standen in den letzten Tagen gerade diese Wahlversprechen im Mittelpunkt seines politischen Programms. Tage an denen fünf Hurrikane auf die US-Golfküste trafen und dichter Rauch die gesamte Westküste einhüllte und Journalisten weltuntergangsartige Bilder von feuerrotem Smog aus der Metropole San Francisco um die Welt schickten.

"Die Menschen erleben die Klimakrise auf instinktive Weise und beziehen sich fast überall auf die Sprache eines Notfalls", sagt Ricketts. "Sie wissen, dass etwas nicht stimmt."

Adaption: Tim Schauenburg

Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen