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Klimawandel: Stirbt alpiner Ski-Weltcup in Deutschland aus?

4. März 2025

Garmisch-Partenkirchen ist einziger Austragungsort für alpine Ski-Weltcup-Rennen in Deutschland. Schneemangel und hohe Temperaturen machen die Durchführung immer schwieriger. Wie lange halten die Veranstalter noch durch?

Blick auf den Zielhang der Kandahar-Abfahrt in Garmisch-Partenkirchen
Immer wärmere Winter und weniger Schnee in niedrigen Lagen - wie lange wird es noch Weltcup-Abfahrten in Garmisch geben?Bild: Rainer Keuenhof/Manngold/imago images

Die Winter in Deutschland werden bedingt durch den Klimawandel immer wärmer und kürzer. Darunter leiden nicht nur Freizeit-Wintersportler und Ski-Touristen, sondern auch der professionelle Wettkampfsport mit seinen Veranstaltungen im Welt- und Europacup. 

In Deutschland ist Garmisch-Partenkirchen das Aushängeschild des Wintersports. Die Gemeinde am Fuße der Alpen ist jedes Jahr Station der Vierschanzentournee der Skispringer, Heimat von Deutschlands erfolgreichstem Skirennfahrer Felix Neureuther und einziger deutscher Austragungsort für alpine Ski-Weltcuprennen. Besonders die Abfahrtsrennen auf der Kandahar-Strecke locken tausende Besucher an.

"Es gibt drei Abfahrts-Klassiker im alpinen Skisport: Kitzbühel, Wengen und dann kommt schon Garmisch", sagt Heinz Mohrder DW. "Es ist eine sehr anspruchsvolle Strecke - von Trainern und Athleten gefürchtet, aber auch geliebt. Hier setzen sich wirklich die Besten durch."

Steil und eisig: Die Kandaharstrecke in Garmisch-Partenkirchen verlangt Topfahrerinnen wie Kira Weidle-Winkelmann einiges abBild: Frank Hoermann/SVEN SIMON/picture alliance

Mohr war einst Ski-alpin-Bundestrainer. Unter anderem betreute er Rosi Mittermaier, als sie bei den Olympischen Winterspielen 1976 in Innsbruck zweimal Gold und einmal Silber gewann. Später war Mohr Mitbegründer und Leiter des Olympiastützpunkts in Garmisch und arbeitete dort mit vielen deutschen Skigrößen eng zusammen. Jetzt muss er mit ansehen, wie die Ausrichtung der Rennen und das Skifahren generell immer schwieriger werden.

"Bei uns war es so, dass jedes Kind ab zwei, drei Jahren Weihnachten ein paar Ski bekommen hat und dann ging es los", erinnert er sich und macht sich Sorgen, dass die kommenden Generationen das so nicht mehr erleben werden. "Ich bedauere es jetzt schon, dass der Klimawandel voll im Gange ist und dass irgendwann absehbar ist, dass man nicht mehr Skifahren kann."

Höhere Temperaturen, mehr Niederschläge - Regen statt Schnee

Zwar gibt es auch immer wieder mal Jahre, in denen deutlich mehr Schnee fällt als gewöhnlich, aber der generelle Trend global und in den Alpen ist klar erkennbar. "Seit der vorindustriellen Zeit ist die Alpenregion mindestens 2,5 Grad wärmer geworden", erklärt Klimatologe Hans Peter Schmid vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) im Gespräch mit der DW. Er leitet den "Campus Alpin" des KIT in Garmisch.

Hans Peter Schmid ist Mitglied des Expertenforums "Klima.Schnee.Sport", das den Deutschen Skiverband berätBild: Thomas Klein/DW

"Das heißt, in unteren Regionen wird weniger natürlicher Schnee fallen", so Schmid. Allerdings verändere sich auch die Niederschlagsverteilung. "Im Winter gibt es sogar mehr Niederschläge", sagt er, aber wegen der Erwärmung bedeute das je nach Höhe keinen Schnee, sondern Regen - auch im Winter.

Garmisch zählt mit einer Höhe von knapp über 700 Metern zu den am niedrigsten gelegenen Austragungsorten von alpinen Ski-Weltcuprennen. Die Kandahar-Abfahrt startet auf 1650 Metern und endet auf 770 Metern. Damit liegt sie klimatisch betrachtet genau in einer "Problemzone".

"Wir rechnen damit, dass es unter 1500 Metern von der natürlichen Beschneiung her immer schlimmer wird", prognostiziert Schmid.

Kunstschnee besser präparierbar als Naturschnee

Garmisch teilt dieses Schicksal mit einigen anderen Weltcup-Orten, an denen ebenfalls traditionell Abfahrten stattfinden. So könnte es beispielweise auch auf der berühmten "Streif" in Kitzbühel und am diesjährigen WM-Ort Saalbach-Hinterglemm bald an ausreichend Naturschnee fehlen.

Für die Pisten, auf denen im Ski-Weltcup gefahren wird, hat der Naturschnee allerdings keine so hohe Bedeutung, wie man meinen könnte. Sie werden in der Hauptsache mit Kunstschnee aus Schneekanonenpräpariert. Die Kunstschnee-Kristalle sind kleiner und lassen sich besser verdichten. So wird die Piste härter und schneller.

Auch die meisten anderen Skihänge in den Alpen, auf denen Freizeitsportler und Touristen fahren, werden mittlerweile künstlich beschneit, zumindest zu Beginn des Winters oder wenn wegen zu hoher Temperaturen Schnee fehlt - zum Beispiel weiter unten im Tal. Steigt das Thermometer aber zu weit über null Grad, können auch Schneekanonen nicht mehr arbeiten.

Bessere Pistentechnik kommt auch mit wenig Schnee zurecht

Neben der Höhe hat auch die Lage einen Einfluss auf die Schneeverhältnisse. An der Kandahar-Strecke sind die Bedingungen eigentlich ideal. Sie befindet sich an einem Nordhang, dementsprechend kurz sind die Phasen mit direkter Sonneneinstrahlung an Wintertagen.

Dennoch gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Absagen. Mal, weil es zu warm und die Piste zu weich war. Mal, weil kurz zuvor zu viel Neuschnee gefallen war. In diesem Jahr konnten in Garmisch die Rennen der Frauen, eine Abfahrt und ein Super G, Ende Januar stattfinden. Die Abfahrt der Männer musste eine Woche später dagegen abgesagt werden, weil Nebel auf der Strecke ein Training verhinderte, das aber zwingende Voraussetzung für die Durchführung des Rennens ist.

Moderne Pistenraupen haben Assistenzsysteme, mit denen schneearme Bereiche und Schneereserven automatisch erkannt werdenBild: imago images/Michael Kristen

"Es ist sehr bitter für uns", sagte Martina Betz der DW, nachdem die Absage feststand. Sie ist Vorsitzende des Skiclubs Garmisch, des Veranstalters der Kandahar-Rennen. Neben einem festen Team von rund 15 Mitarbeitern ist sie bei der Vorbereitung jedes Jahr auf viele Freiwillige angewiesen. "Wir haben hier über drei, vier Wochen jeden Tag an die 400 Helfer", sagte Betz. Es fielen viele Stunden ehrenamtlicher Arbeit an, "die unsere Helfer hier auf der Piste oder auf der Tribüne oder auch im Office verbringen", so die Klub-Chefin.

Dabei ist der Präparationsaufwand trotz der schwierigeren klimatischen Bedingungen nicht größer geworden. Der Nachteil, dass weniger Schnee liegt, wird durch bessere Technik ausgeglichen. "Die Pistenraupen sind mit Gerätschaften ausgestattet, die die exakte Schneetiefe messen können, und somit wird eben kein Gramm Schnee zu viel aufgetragen und verpulvert. So können wir die Strecke wirklich ganz exakt präparieren", erklärt Betz.

Folgen des Klimawandels auf Zugspitze deutlich sichtbar

Garmisch hat nicht nur die am niedrigsten gelegene Abfahrtspiste im Weltcup, sondern auch das am höchsten gelegene deutsche Skigebiet. Direkt hinter der Weltcupstrecke erhebt sich die Zugspitze. Unterhalb des Gipfels von Deutschlands höchstem Berg, befindet sich das Zugspitzplatt, eine Hochfläche mit mehreren Skiliften und Pisten. Aufgrund der Höhe von 2000 bis 2650 Metern dauert die Skisaison hier in der Regel von Dezember bis Mai. Die Betreiber kommen dabei völlig ohne Kunstschnee aus.

Die Zugspitze wirkt in den ersten Monaten des Jahres häufig wie ein Winterparadies. Allerdings verdeckt der Schnee die Spuren des Klimawandels bloß, der hier oben so deutlich zu sehen ist wie wohl an kaum einem anderen Ort in Deutschland.

Die Umweltforschungsstation Schneeferner Haus und die Reste des nördlichen Schneeferners auf dem Zugspitzplatt im Sommer 2013Bild: Matthias Schrader/AP Photo/picture alliance

Auf der Zugspitze befinden sich zwei der vier noch existierenden Gletscher auf deutschem Boden: der nördliche Schneeferner und der Höllentalferner. Beide haben sich in den vergangenen Jahren rapide zurückgebildet und werden spätestens in 15 bis 30 Jahren wohl komplett geschmolzen sein. Ungefähr dann, wenn es auch unten im Tal sehr schwierig bis unmöglich wird, alpine Weltcuprennen in der heutigen Form zu veranstalten.

Was bringt die Zukunft für den Skisport?

Martina Betz weiß um die drohenden Folgen des Klimawandels, allerdings sagt sie: "Wir machen uns keine Gedanken über die Negativ-Szenarien. Wir drücken den Klimawandel nicht weg. Wir wissen ganz genau, dass sich die Dinge verändern. Und wir sind auch bereit, uns anzupassen." Trotzdem, so Betz, sei sie "sehr optimistisch gestimmt, dass das die nächsten Jahre auch so weitergeht".

"Die Skirennen mit hohem technischen Aufwand können wir sicher noch bis Mitte des Jahrhunderts in der gleichen Art und Weise veranstalten, ohne dass man strukturell etwas stark verändern muss", gibt ihr Klimaforscher Hans Peter Schmid recht. Allerdings seien das Skifahren für Freizeitsportler oder Wintertouristen bis dahin sicher endgültig zu einem teuren Vergnügen für Wohlhabende geworden. Die Entwicklung dorthin ist bereits in vollem Gange.

Dieses Szenario möchte sich der frühere Ski-Bundestrainer Heinz Mohr lieber nicht vorstellen. "Das tut mir in der Seele weh, weil wir die goldenen Zeiten erlebt haben", sagt der 77-Jährige, der sich selbst als "Kind des Winters" bezeichnet. "Solange ich lebe, wird es das noch geben. Aber dann halte ich die Zukunft für sehr tragisch, dramatisch und verlustreich."

Klimawandel: Stirbt alpiner Skisport in Deutschland aus?

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