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Politik

Wissenschaftler für "Fridays for Future"

12. März 2019

Schüler und Studenten in Europa streiken für das Klima, immer mehr Gruppen unterstützen sie. Nun stärken Wissenschaftler den Schülern den Rücken. Doch auch die Kritik an den Streiks reißt nicht ab.

Deutschland Statements von Wissenschaftlern zu Klimaprotesten
Luisa Neubauer (links im Bild), Eckart von Hirschhausen (rechts)Bild: picture-alliance/dpa/M. Skolimowska

Eigentlich ist alles wie so oft in der Bundespressekonferenz in Berlin: Auf dem Podium vor der blauen Wand sitzen an diesem Dienstag Wissenschaftler, die vor den Folgen des Klimawandels warnen. Die Generalsekretärin des "Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen", Maja Göpel, ist dabei. Und der Wissenschaftsjournalist Eckart von Hirschhausen, ein Arzt, der dem deutschen Fernsehpublikum aus vielen Spiele-Shows bekannt ist und zahlreiche Bücher über Gesundheitsthemen geschrieben hat. Aber etwas ist doch anders als sonst: Denn ganz links am Rande des Podiums sitzt Luisa Marie Neubauer, eine Studentin aus Göttingen, noch keine 23 Jahre alt, die mitgeholfen hat, dass der Kampf gegen die Treibhausgase nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern der Welt eine ganz neue Dimension angenommen hat.

In Deutschland ist die Bewegung am stärksten

Später macht die Studentin mit den Wissenschaftlern Selfies, aber erst einmal kündigt sie an, dass Schüler und Studenten am kommenden Freitag wieder ihre Hörsäle und Klassenzimmer verlassen werden, um auf die Straße zu gehen: "Am Freitag werden wir die größte Klima-Mobilisierung von Menschen in Deutschland erleben, die es bisher gegeben hat. An über 170 Orten werden Streiks stattfinden. In keinem Land der Welt sind bislang mehr Streiks registriert worden als hier!" Schwänzen für den Schutz der Umwelt: Was mit einem einfachen Sitzstreik der jungen schwedischen Schülerin Greta Thunberg im Sommer letzten Jahres vor dem Parlament in Stockholm begann, ist längst eine Massenbewegung in Europa und darüber hinaus geworden. Die jetzt auch von den Wissenschaftler unterstützt wird, auch wenn Schulstreiks streng genommen nicht legal sind.

Mit ihrem Sitzstreik in Stockholm fing alles an: Greta Thunberg Anfang März in Hamburg.Bild: Reuters/M. Mac Matzen

Unterstützung von rund 12.000 Wissenschaftlern

Die Wissenschaftler wollen sich mit den jungen Aktivisten solidarisch zeigen, wie Göpel verkündet. Eine Unterschriftenaktion haben sie auf die Beine gestellt. Rund 12.000 Experten bekunden darin, dass sie es richtig finden, für das Klima auch mal Regeln zu brechen. Auch Volker Quaschning gehört dazu, Professor für regenerative Energiesysteme aus Berlin. Selbst streiken will der 50 Jahre alte Wissenschaftler aber nicht: "Wenn wir am Freitag jetzt das Labor zu machen, wird das wenige auf der Welt bewegen: Aber wenn solche Sachen kommen wie die von Herrn Lindner, dann sagen wir: Wir beziehen dazu Stellung."

Ein Tweet von Christian Lindner

Diese Sache von Herrn Lindner also: Gemeint ist damit der Vorsitzende der deutschen FDP, Christian Lindner. Der hatte am vergangene Wochenende einen Tweet geschrieben, in dem er den jungen Aktivisten ganz schlicht die Fähigkeit absprach, über so etwas Kompliziertes wie den Klimawandel in so jungen Jahren schon urteilen zu können. Was er damit auslöste, war vor allem ein riesiger Shitstorm gegen sich selbst. Auch Luisa Neubauer antwortete ihm.

Schulstreik für das Klima: Das bleibt radikal

Längst wird die Streikbewegung unter dem Titel "Fridays for Future" auch von vielen Eltern unterstützt, unter dem Hashtag "Parentsforfuture". Und Politiker vieler Parteien bekunden ihre Unterstützung. Obwohl: Luisa Marie Neubauer ist sich schon darüber im Klaren, wie radikal das ist, was sie und ihre Freunde da tun: Streiken wollen sie so lange, bis die Politik energisch gegen den Klimawandel vorgeht. Das kann dauern. "Wir streiken jetzt seit drei Monaten ziemlich genau. Und haben in dieser Zeit zwar beeindruckend viel Resonanz erlebt. Für den Planeten hat sich aber nichts getan", sagt Neubauer.

Bekannte Forderungen der Wissenschaft

Und dann zählen die Wissenschaftler nochmal auf, was alles zu tun ist: Quaschning hebt hervor, dass Deutschland nicht nur aus der Kohle aussteigen sollte, sondern auch weg vom Gas muss, vom russischen Gas vor allem. Hirschhausen wirbt für eine ganz andere Art der Ernährung. Und plädiert dafür, das Ziel aus dem Pariser Klima-Vertrag ernst zu nehmen, die Erderwärmung nicht auf mehr als zwei Grad steigen zu lassen: "Viele denken: Ein Grad, zwei Grad, drei Grad, was macht da den Unterschied? Als Arzt kann ich Ihnen sagen: Es macht einen großen Unterschied, ob sie 41 Grad Fieber haben oder 43."

Tausende von Schülern im Schulstreik auch in Berlin, hier am 1. MärzBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Immer mehr Teilnehmer, an immer mehr Orten

In Hannover und in Hamburg kamen Tausende zu den Klima-Demos. In Zürich in der Schweiz waren es Anfang Februar 10.000 Teilnehmer. Initiatorin Greta Thunberg hat inzwischen in vielen Ländern gesprochen, auf der UN-Klimakonferenz in Polen im Dezember war sie, auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Für den Moment scheint die Bewegung, die sie und andere junge Menschen wie Luisa Marie Neubauer losgetreten haben, kaum zu stoppen. Die Schule zu schwänzen war noch nie so leicht - und selten so politisch wie zur Zeit.