Klitschko kämpft um Kiew
24. Mai 2008
Es ist schon sein zweiter Anlauf, nach 2006. Der Boxer Vitali Klitschko trägt statt Boxershorts nun einen grauen Anzug und eine dunkelrote Krawatte. Er schaut ernst und entschlossen von einem Poster, das Natalia zusammenrollt und einem Passanten entgegen hält. Die junge Mutter hilft in Vitali Klitschkos Wahlkampfteam. Sie meint, dass Klitschko der beste Kandidat sei. "Er ist jung und dynamisch, Premierminister und Präsidenten in der ganzen Welt kennen ihn und die Ukraine kann stolz auf ihn sein."
Klitschko ist als Kandidat der Bürgermeisterwahl umstritten
Straßenwahlkampf in Kiew sieht auf den ersten Blick aus, wie anderswo: Prospekte, Fähnchen, Anstecker werden verteilt. Überall hängen Plakate mit Kandidatenköpfen. Nur die bunten Infozelte erinnern daran, dass in der Ukraine vor dreieinhalb Jahren die "Orangene Revolution" stattgefunden hat. Damals schliefen Demonstranten in den Zelten. Heute wird davor diskutiert. Das Thema: Kann ein Boxer ein guter Politiker sein?
Die Meinungen gehen natürlich auseinander. Die einen schätzen ihn als Sportler, sind aber skeptisch, ob die politische Rolle zu ihm passe. Die anderen verteufeln Klitschkos Pläne sofort. Er gebe Interviews und wisse noch nicht einmal, wie viele Menschen in Kiew leben, er sei noch nicht reif für den Posten, kritisieren einige Passanten.
Ein selbstbewusster Kandidat
Das sieht der Kandidat natürlich anders. Schließlich sitzt er bereits seit zwei Jahren im Kiewer Stadtparlament. In seinem Büro, das mit Boxpokalen und Erinnerungsfotos dekoriert ist, gibt sich Vitali Klitschko staatsmännisch. "Ich bin kein Parteimitglied. Wir müssen kein Podium machen für Parteikämpfe, sondern gute, klare Regeln für Kiew", sagt Klitschko.
Klitschko, der seit 12 Jahren auch in Hamburg lebt, kennt dennoch die Probleme seiner Heimatstadt: Den mörderischen Verkehr, die täglichen Staus, die marode Kanalisation, den schlechten Zustand von Krankenhäusern, Kindergärten, Schulen. Klitschko, tritt vor allem an, um die Korruption auszurotten. Sein Vorbild: der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Guiliani. Ihn hat er als Berater gewonnen. "Kiew hat dieselben Probleme wie New York bezogen auf soziale Programme, den Verkehr, Bau, Kriminalität, Korruption. Rudy Guiliani hat sehr viel Erfahrung und er ist bereit, seine Erfahrung hier einzubringen", erzählt Klitschko.
Klitschkos Sieg ist keinesfalls sicher
Ein Sieg Klitschkos wäre dennoch eine große Überraschung. In Umfragen lag er zuletzt einige Prozentpunkte hinter Amtsinhaber Tschernowjetzi, einem exzentrischen Privatbankier mit Maybach in der Garage. Der genießt vor allem bei den Rentnern und sozial Schwächeren größtes Ansehen. Die Gunst der Pensionäre sichert er sich unter anderem mit Gratis-Lebensmittelpaketen auf Kosten der Stadtkasse. Obwohl Tschernowjetzki wegen dubioser Immobiliengeschäfte in der Kritik steht, hat er die besten Chancen wieder die meisten Stimmen zu bekommen, denn sein Stil kommt bei den Kiewern an.
"Er ist der erste Bürgermeister, der sich um die Obdachlosen kümmert. Er hat Suppenküchen für sie eingerichtet und bezahlt den Armen Sozialhilfe und hat Sozialwohnungen geschaffen", erzählt eine Frau. Die Kiewer wollen vor allem gut leben. Wer ihnen dabei helfe, erhalte auch ihre Stimmen.
Klitschko, berühmt, aber dennoch nur einer von vielen
Fast 80 Kandidaten treten am Sonntag an. Gewählt ist, wer die meisten Stimmen auf sich vereinen kann. Sehr wahrscheinlich wird der alte Bürgermeister auch der neue sein. Noch glaubt Vitali Klitschko aber an seinen Sieg. Der 36-Jährige will aber auch bei einer Niederlage in der Politik bleiben. Er habe viele Visionen und die Kraft, diese zu verwirklichen. "Ich schaffe es. Wenn nicht jetzt, dann in zwei Jahren, oder später. Ich gebe niemals auf", sagt der Boxer stolz.
Schon jetzt berät er den ukrainischen Präsidenten in Fragen der Fußball-Europameisterschaft 2012, die in Polen und der Ukraine stattfinden soll. Trotz allen Fleißes in der Politik: Am 12. Juli wird Klitschko sich eine politische Auszeit gönnen, denn dann verteidigt sein Brüder Wladimir in Hamburg seinen WBO-Gürtel im Schwergewicht gegen den Amerikaner Tony Thompson.