Klitschko: "Lage gerät außer Kontrolle"
25. Januar 2014Deutsche Welle: Wie kann das weitere Blutvergießen gestoppt werden?
Vitali Klitschko: Ich werde alles tun, was ich kann, um das Blutvergießen zu stoppen. Doch die Menschen sind nicht zufrieden mit dem Ergebnis der Verhandlungen, die wir Oppositionsführer am Donnerstag (23.01.2014) mit dem Präsidenten Viktor Janukowitsch geführt hatten. Sie haben mehr erwartet. Leider zeigt Janukowitsch keinen Wunsch, den Menschen entgegenzukommen. Noch vor einem Monat hätte vielleicht ein Rücktritt des Innenministers Vitali Sachartschenko gereicht. Noch vor ein paar Wochen hätte ein Rücktritt der Regierung genügt. Jetzt fordern die Menschen den Rücktritt von Janukowitsch.
Auf der Hruschewskoho-Straße, einem der brandgefährlichsten Orte des Konflikts, habe ich an die Menschen appelliert, eine Ruhepause einzulegen. Sie haben auf mich gehört und ich bin ihnen dankbar dafür. Das war eine Geste des guten Willens, der Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Doch als wir von den Verhandlungen zurückkamen und ich von den Ergebnissen erzählte, habe ich unzufriedene Pfiffe gehört. Das war nicht gegen mich gerichtet, sondern gegen die Obrigkeit und ihre Weigerung, sich auf eine Lösung des Konflikts einzulassen.
Wie könnte Europa helfen?
Europa verfügt über große Einflusshebel auf Janukowitsch und seine Umgebung, die ihr Geld in der Europäischen Union halten. Wie hoffen sehr, dass wir durch gemeinsame Anstrengungen den wachsenden Konflikt lösen werden. Er gerät eigentlich jetzt schon außer Kontrolle, aber es gibt noch eine Möglichkeit, ihn friedlich zu lösen, ohne Einsatz der Sicherheitskräfte. Wir müssen jede Gelegenheit nutzen. Ich habe Janukowitsch bei Verhandlungen gesagt, dass das seine persönliche Verantwortung ist. Seine Vorschläge sind nicht ausreichend, damit die Menschen von der Straße nach Hause gehen. Er ist nicht darauf eingegangen und wir sehen, wie die Eskalation weitergeht.
Sie fordern den Westen seit Wochen auf, Sanktionen gegen die ukrainische Führung zu verhängen. Die EU weigerte sich bisher das zu tun. Wie sehr enttäuscht Sie das?
Ich habe an viele Politiker appelliert und tue das weiter. Ich spreche zu den Staatsmännern anderer Länder. Wir brauchen Hilfe, Druck, persönliche Kontakte, jede Methode, um Janukowitsch zu überzeugen: Nur in seinen Händen liegt die Lösung dieses Konflikts. Andererseits befürchte ich, dass die Situation weiter eskalieren wird, bis sie eines Tages ganz außer Kontrolle gerät.
Das Gespräch führte Roman Goncharenko, Kiew