Botschafterin in USA: Kluft überbrücken
23. Juni 2018Washingtons außenpolitisches Establishment muss sich keine Sorgen machen: Emily Haber, die neue deutsche Botschafterin in der US-Hauptstadt, wird ihre amerikanischen Gesprächspartner nicht vor den Kopf stoßen. Ganz anders, als der neue US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell. Der hatte zum Amtsantritt mit undiplomatischen Interviewäußerungen und Social-Media-Statements für Verärgerung in Berlin gesorgt. Deutschlands neue Botschafterin in den USA bevorzuge einen anderen Stil, sagen ehemalige US-Beamte, die mit ihr zusammengearbeitet haben.
Punkt eins: Haber, die erste Frau an der Spitze der deutschen Botschaft in Washington, twittert nicht. Viel wichtiger ist aber wohl der zweite Punkt: Sie ist gelernte Diplomatin.
"Ich würde nie erwarten, dass Emily ihre Amtszeit hier in Washington im gleichen Stil beginnt", sagt Julianne Smith mit Blick auf Grenells Antritt. Ganz im Gegenteil, so die Beraterin des früheren US-Vizepräsidenten Joe Biden, die jetzt Direktorin des transatlantischen Sicherheitsprogramms am Center for a New American Security in Washington ist. Smith kennt Emily Haber von verschiedenen Konferenzen.
Deutschlands neue Botschafterin sei dynamisch und pragmatisch und man könne mit ihr gut klarkommen. "Sie ist jemand, die nicht nur einen hohen IQ hat, sondern auch einen hohen EQ - also emotionale Intelligenz", fügt Smith hinzu, die . "Ich habe sie über die Jahre hochgeschätzt."
Transatlantische Erfahrung
Haber ist in jedem Fall eine erfahrene Beamtin. In den vergangenen zehn Jahren hatte sie sehr hohe Positionen in der deutschen Regierung inne. Zuletzt war sie vier Jahre lang Staatssekretärin im Bundesinnenministerium. Dort war sie für die Themen Terrorbekämpfung und Strafverfolgung zuständig. Sie befasste sich aber auch mit der Flüchtlingspolitik und den Snowden-Enthüllungen - alles heikle Themen, die eine enge Zusammenarbeit mit den Regierungsstellen in Washington erforderten und die manchmal auch zu deutsch-amerikanischen Meinungsverschiedenheiten führten.
Auch Jeffrey Rathke, ein ehemaliger führender Mitarbeiter des US-Außenministeriums, kennt die neue Botschafterin aus seiner Zeit in Deutschland. Haber, Jahrgang 1956, war nämlich auch schon mal Staatssekretärin im Auswärtigen Amt in Berlin. Damals spielte sie eine führende Rolle bei den Verhandlungen zum Iran-Abkommen - ein weiteres heikles Thema, das eine enge Zusammenarbeit mit dem State Departement in Washington erforderte.
Zusammengenommen, sagt Jeffrey Rathke, "gibt ihr das einen Erfahrungsschatz, der über die politischen und wirtschaftlichen Fragen hinausgeht, die für die deutsch-amerikanischen Beziehungen wichtig sind". Sie sei eine verlässliche Gesprächspartnerin und "sehr beeindruckend", lobt Rathke, der inzwischen stellvertretender Direktor des Europa-Programms des Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington ist.
Anpassungsfähige Diplomatin
Der neuen deutschen Botschafterin in Washington wird zudem nachgesagt, ihr Verhalten an neue Situationen und Umstände gut anpassen zu können. Das wird ihr helfen, da sie vor der schwierigen Aufgabe steht, ein Land zu vertreten, das die Trump-Administration in Sachen Handel, Verteidigung und Einwanderung zunehmend auf dem Kieker hat.
"Ich habe erlebt, wie Emily in Konferenzen auf andere Teilnehmer zugegangen ist, die weniger mit dem jeweiligen Thema vertraut waren", sagt die frühere US-Regierungsberaterin Julianne Smith. "Sie weiß, wie man vorgeht und das ist zurzeit sehr wichtig." Sich auf den Stil von US-Präsident Donald Trump einzustellen, der "nicht dem normalen Protokoll folgt und nicht so funktioniert, wie es die Regierungen der Vergangenheit getan haben", sei jetzt wesentlich, ergänzt Smith.
Guter Draht zu Merkel
Beide Ex-US-Regierungsmitarbeiter bezeichnen Haber als starke Transatlantikerin. Ein weiteres Plus ist ihr Ruf, einen guten Draht zu Bundeskanzlerin Angela Merkel zu haben. "Alle Seiten werden davon profitieren", sagt Smith. Ihre Nähe zur Kanzlerin werde Haber Rückenwind in Washington geben.
CSIS-Experte Jeffrey Rathke glaubt sogar Ähnlichkeiten zwischen Emily Haber und Angela Merkel entdeckt zu haben: "Sie ist jemand, der mich ein wenig an die Kanzlerin erinnert." Haber sei ausgeglichen und habe ein tiefes Verständnis für die Themen, mit denen sie sich sachlich und analytisch auseinandersetze.
All das - ihre Erfahrung, ihr Stil und ihre Nähe zur deutschen Regierungschefin - würden ihr in Washington viele Türen öffnen, prognostizieren beide US-Experten.